Ingolstadt
Ein Salafist, aber kein Prediger

Dem Verfassungsschutz ist aus dem Großraum Ingolstadt nur ein einziger Extremist bekannt

02.11.2016 | Stand 02.12.2020, 19:06 Uhr
Symbolbild Polizei −Foto: Stefan Puchner (dpa)

Ingolstadt (DK) Die Meldung macht hellhörig, und manche mag sie auch beunruhigt haben: Von einem selbst ernannten salafistischen Internet-Prediger aus Ingolstadt war unlängst in einem Beitrag des Bayerischen Rundfunks die Rede. Wie unsere Nachfrage ergab, ist dieser Extremist dem Landesamt für Verfassungsschutz tatsächlich bekannt.

Es handele sich um jemanden aus dem Großraum Ingolstadt, der bereits seit mehreren Jahren der salafistischen Szene zuzurechnen sei, teilte ein Sprecher der Behörde mit. "Zeitweise hat dieser Salafist starke Missionierungsbestrebungen erkennen lassen, die aber inzwischen nachgelassen haben." Er sei insofern nicht mehr als "Prediger" einzustufen, bliebe aber der salafistischen Szene zurechenbar.

Der städtische Beauftragte für den christlich-islamischen Dialog, Hakan Sirt, hat bei allen zehn muslimischen Gemeinden in Ingolstadt nachgefragt. "Aber von einem Salafisten hat keiner gehört", so sein Fazit.

Still geworden ist es auch um eine Gruppe namens "Muslimaktiv", deren frühere Mitglieder laut Verfassungsschutz noch im Raum Ingolstadt ansässig sind. Der Behörde war die Gruppierung in der Vergangenheit durch den "Konsum jihadistischer Inhalte" aufgefallen. Später war "Muslimaktiv" durch Missionierung sowohl im Internet als auch in den Moscheegemeinden in Erscheinung getreten. "Inzwischen hat sich der Personenzusammenschluss weitgehend aufgelöst", erklärt der Verfassungsschutz.

Die Gruppe "Muslimaktiv" soll auch junge muslimische Gefängnisinsassen betreut haben. Landtagsabgeordneter Georg Rosenthal (SPD) erkennt darin die Gefahr einer möglichen Radikalisierung Inhaftierter. "Gefangene sind in einer schwierigen Situation und häufig psychisch labil. Wenn sie dann jemand anspricht, können sie empfänglich sein. Es gibt kein besseres Umfeld, um Leute anzuwerben."

Die bayerischen Gefängnisse hätten sich im Zuge der Flüchtlingskrise plötzlich mit Schleusern gefüllt, so Rosenthal. "Die meisten sind muslimischen Glaubens." Rosenthal hat bereits 2015 in einer Landtagsanfrage Informationen über die religiöse Betreuung muslimischer Inhaftierter gefordert. "Mir geht es vor allem darum, die Sinne zu schärfen. Ich hatte nämlich nicht den Eindruck, dass die gebotene Aufmerksamkeit und interkulturelle Kompetenz vorhanden sind, um diese Strukturen frühzeitig zu erkennen."

Dem widerspricht das Innenministerium in seiner Antwort. "Das Phänomen, dass Islamisten respektive Salafisten versuchen könnten, in den Justizvollzugsanstalten potenzielle Kandidaten für den Dschihad anzuwerben, ist dem Justizvollzug nicht neu", heißt es. Zum Stichtag 31. Januar 2015 waren 1259 Gefangene muslimischen Glaubens im Erwachsenenvollzug sowie 129 Personen im Jugendvollzug in bayerischen Justizvollzugsanstalten inhaftiert. In den meisten bayerischen Gefängnissen, so auch in Neuburg, Eichstätt oder Aichach, besuchen Hochas oder Imane der DITIB-Vereine (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e. V.) regelmäßig die muslimischen Gefangenen.

Grundsätzlich konzentrieren sich die salafistischen Strömungen in Bayern auf München. Dort leben nach Einschätzung des Verfassungsschutzes rund 200 Salafisten. Wie für jede andere größere Stadt gebe es aber auch für Ingolstadt Erkenntnisse im Phänomenbereich Salafismus, so der Sprecher. "Aktive Netzstrukturen sind für den Bereich Ingolstadt jedoch derzeit nicht bekannt." Es lägen auch keine Erkenntnisse über systematische Missionierungen vor.