Ingolstadt
"Man hat immer gerauft in der CSU"

Hermann Regensburger, ehemaliger bayerischer Innenstaatssekretär, über die Lage seiner Partei

24.11.2017 | Stand 02.12.2020, 17:09 Uhr

Hermann Regensburger aus Ingolstadt, ehemaliger Innenstaatssekretär und CSU-Urgestein. - Foto: Auer

Ingolstadt (DK) Die CSU macht es wieder einmal spannend: Wie geht es weiter mit dem Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Horst Seehofer? Hermann Regensburger (77) aus Ingolstadt, seit 1966 Parteimitglied, 29 Jahre lang Landtagsabgeordneter, davon zehn Jahre lang Bayerns Innenstaatssekretär, verfolgt die Situation aus der Distanz.

Ingolstadt (DK) Die CSU macht es wieder einmal spannend: Wie geht es weiter mit dem Parteivorsitzenden und Ministerpräsidenten Horst Seehofer? Der ehemalige bayerische Innenstaatssekretär Hermann Regensburger (77) aus Ingolstadt, seit 1966 Parteimitglied und 29 Jahre lang Landtagsabgeordneter, verfolgt die Ereignisse mit der Abgeklärtheit eines Ruheständlers, der schon vieles erlebt hat.
 

Herr Regensburger, Sie selbst haben einst Horst Seehofer in die Junge Union aufgenommen, Sie haben seine steile Karriere vom ersten Schritt an verfolgt. Nun sieht es fast so aus, als wäre für ihn die politische Götterdämmerung angebrochen. Tut es Ihnen leid, wie sich das für ihn entwickelt hat?

Hermann Regensburger: Es ist immer schade, wenn man "gegangen wird" und nicht aus freien Stücken geht. Mir stellt sich die Frage, ob er nicht den richtigen Zeitpunkt verpasst hat, um selbstbestimmt zu sagen: "Ich gehe jetzt." Er wollte immer einen geordneten Übergang organisieren. Aber das ist ihm zumindest zum Teil aus der Hand genommen worden.

 

Horst Seehofer hat sich am Donnerstagabend einen Aufschub gewährt und die angekündigte Entscheidung vertagt. Hat Sie das überrascht?

Regensburger: Ich finde es sehr gut, dass er das so gemacht hat. Ich war bestürzt, als er erklärt hat, nach den Jamaika-Sondierungen werde er sich zwei Tage zurückziehen und dann seine Entscheidung verkünden. So kann man mit einer Partei mit 130 000 Mitgliedern nicht umgehen. Darum ist es gut, wenn er sich jetzt mit Vertrauten bespricht und dann ein gemeinsames Ergebnis mitbringt. Denn die müssen das ja auch umsetzen in der Partei.

 

Apropos Partei mit 130 000 Mitgliedern: Ilse Aigner, die Bezirksvorsitzende von Oberbayern, hat eine Mitgliederbefragung angeregt, bevor alles zu eindeutig auf Markus Söder, zuläuft. Was halten Sie davon?

Regensburger: In diesem konkreten Fall halte ich nichts davon. Wir haben als Partei etwa 1000 Parteitagsdelegierte, die natürlich die Meinung ihrer Orts-, Kreis- und Bezirksverbände eruieren, bevor sie abstimmen. Das ist dann schon eine sehr abgeklärte Stimmabgabe, während bei Mitgliederbefragungen Zufälligkeiten eine große Rolle spielen. Wer kann seine Leute besser mobilisieren? Wer wird von den Medien mehr unterstützt? Ich glaube, eine bessere, tragfähigere und objektivere Entscheidung gibt es, wenn man das Delegiertensystem beibehält.

 

Aber so, dass man eine Entscheidung offenlässt?

Regensburger: Sicher, selbstverständlich. Die Entscheidung ist immer offen.

 

Nicht automatisch. Sah es nicht zuletzt so aus, als ob alles wie auf Schienen auf Markus Söder zuläuft?

Regensburger: Der Parteivorsitzende kann einen Vorschlag machen, und Markus Söder kann kandidieren. Aber die Entscheidung der Delegierten ist immer frei.

 

Sie haben jahrzehntlange Erfahrung mit ihrer Partei und dabei sicher auch tiefe Einblicke erhalten. Was sagen Sie zum aktuellen Machtkampf in der CSU?

Regensburger: Der aktuelle Zustand ist nicht erfreulich - aber das hat es immer gegeben. Ich habe ja die Wechsel von Goppel zu Strauß, von Strauß zu Streibl, von Streibl zu Stoiber live miterlebt, zum Teil auch ein bisschen mitgestaltet im Hintergrund. Man hat immer gerauft in der CSU - um Positionen und auch um Personen. Zum Schluss hat man sich aber gottseidank auch immer wieder geeinigt und ist zur alten Geschlossenheit zurückgekehrt. Wenn ich nur erinnern darf an den Wechsel von Beckstein/Huber zu Seehofer. Damals lautete die allgemeine Meinung: "Die CSU wird nie mehr eine absolute Mehrheit erreichen." Und siehe da: Da kommt ein charismatischer Parteivorsitzender und Ministerpräsident und schafft's noch einmal. Ähnliches erhoffe ich mir auch jetzt nach einer möglichst harmonischen Einigung.

 

Glauben Sie wirklich, dass die CSU die absolute Mehrheit noch einmal erreichen kann? Die Landtagswahl ist in weniger als einem Jahr, Freie Wähler und AfD wollen der CSU die Butter vom Brot nehmen?

Regensburger: Es ist schwierig, aber es ist nicht ausgeschlossen. Wenn jetzt eine Konstellation käme, wo Seehofer und Söder an der Spitze marschieren, dann könnte noch eine kleine Chance drin sein für eine absolute Mehrheit.

 

Wäre das unter den gegebenen Umständen Ihre Wunschkonstellation? Seehofer als Parteivorsitzender, Söder als Ministerpräsident?

Regensburger: Seehofer muss wohl Parteivorsitzender bleiben, schon im Hinblick auf den Bundestag. Und Söder hat sowohl innerparteilich als auch laut Umfragen außerhalb mit Abstand die meiste Zustimmung. Meine Version ist, dass Seehofer das Amt des Ministerpräsidenten zur Verfügung stellt. Nicht jetzt, sondern natürlich mit Ablauf der Wahlperiode. Man muss mit den beiden besten Pferden in die Landtagsschlacht reingehen - und das sind die beiden. Ob ich jetzt den einen mag oder nicht, ist eine andere Frage.

 

Es gäbe auch die Möglichkeit, dass sich Horst Seehofer komplett aus der Politik zurückzieht und den Bettel hinwirft. Denkbar?

Regensburger: Das halte ich für völlig ausgeschlossen. Horst Seehofer ist ein alter Kämpfer und er ist auch ein Stehaufmännchen. Wie oft ist der schon totgesagt worden in der Politik? Und zu aller Überraschung war er auf einmal wieder ganz oben? Und so wird es auch diesmal bleiben.

 

Die Fragen stellte Richard Auer.