Ingolstadt
"Alle Krebszellen sind weg"

Die Ingolstädterin Renate Kost hat Leukämie Eine neue Studie könnte die Krankheit ausmerzen

24.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

An einer neuen Krebsstudie nahm die Ingolstädterin Renate Kost teil. Und sagt: "Das hat mir das Leben gerettet." - Foto: Hauser

Ingolstadt (DK) Ein bahnbrechender Erfolg in der Krebstherapie - und eine Ingolstädterin ist mittendrin. Renate Kost (73) leidet an einer besonders aggressiven Form von Blutkrebs. Sie nahm an einer Studie der Uniklinik Ulm teil, bei der ein neues Medikament getestet wurde. "Ich habe keine Krebszellen mehr im Körper", sagt sie. Das Ergebnis der Studie, die unter Leitung von Professor Stephan Stilgenbauer, Chefarzt der Inneren Medizin III an der Universitätsklinik in Ulm, durchgeführt wurde, ist erst seit Kurzem bekannt: Von 106 Patienten weltweit, die an einer chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) mit sogenannter 17p-Deletion leiden und an der Studie teilnahmen, haben 80 sehr positiv auf das neue Medikament - das in Tablettenform verabreicht wird - gesprochen.

Das Ergebnis ist bahnbrechend", sagt Stilgenbauer, der seit etwa 20 Jahren im Bereich Leukämie forscht. Im April wurde das Medikament Venetoclax in den USA erstzugelassen. Die Tabletten sorgen dafür, dass sich die Krebszellen nicht mehr mithilfe eines bestimmten Eiweißstoffes vor dem natürlichen Absterben schützen können. "Es ist das erste Medikament dieser Art, das diese Eiweißstoffe angreift", schwärmt Stilgenbauer. Mit der Zulassung in Deutschland rechnet der 48-jährige Professor noch in diesem Jahr. Dann werden in der Regel die Kosten von den gesetzlichen Kassen übernommen. Eine Monatsration Tabletten kostet rund 10 000 Euro.

Bislang gibt das neue Medikament große Hoffnung für einen relativ kleinen Teil von Blutkrebspatienten. Von rund zwölf Millionen Leukämiekranken in Deutschland leiden nur etwa sieben Prozent wie Renate Kost an der besonders aggressiven Form der Gattung 17p. Doch mittelfristig werde angestrebt, das Medikament auch für andere Leukämie-Formen und Krebsarten einzusetzen. Es setzt den Selbstschutzmechanismus der Krebszellen außer Kraft, eine Methode, die bei vielen Krebsarten Erfolg verspricht. Entsprechende Studien seien am Laufen.

Renate Kost gilt bei der jetzt beendeten Studie als "Vorzeigepatientin". Trotz allem, was sie in den letzten Jahren mitgemacht hat, hat sie ihren Optimismus nie verloren. Dabei lag ihre statistische Überlebenszeit bei 32 Monaten. Renate Kost müsste demnach längst tot sein. Ihre Krebserkrankung ist 2008 durch Zufall entdeckt worden - bei einer Routineuntersuchung fand ihr Hausarzt einen vergrößerten Lymphknoten. "Aber es ging mir gut." Sie hoffte, gewissermaßen mit einem blauen Auge davongekommen zu sein.

2013 hatte sie ein MRT am Knie. Im Diagnosebericht hieß es, sie solle einen Hämatologen aufsuchen. Ein Blutbild ergab, dass die Frau an der besonders aggressiven Form der Leukämie leidet. Sie machte Chemotherapien. Ihre Leukozyten gingen erst runter, dann wieder rauf. Im Februar 2015 - bei einer Beerdigung - brach sie fast zusammen. Nachts stellte ihr Mann fest: "Dein ganzer Körper rauscht." Sie ließ ein Blutbild machen, kam sofort mit dem Notarzt ins Klinikum Ingolstadt auf die Intensivstation. "Mein Körper wurde nicht mehr mit Sauerstoff versorgt." Akute Lebensgefahr. Sie bekam drei Blutübertragungen mit bestrahltem Blut und hohe Dosen Kortison. Und ihre Onkologen rieten zur Teilnahme an der Studie in Ulm. "Die Studie hat mir das Leben gerettet", sagt die Ingolstädterin. Auch, wenn sie vermutlich ein Leben lang jeden Morgen vier Tabletten Venetoclax einnehmen muss.