Ingolstadt
Adieu, Herr Kaiser

An diesem Samstag endet die Landesausstellung "Napoleon und Bayern" in Ingolstadt – Eindrücke vom turbulenten Endspurt

30.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:37 Uhr

Mit Tablet-PCs auf Napoleons Spuren: Afra, Anita, To Nhu und Lam (v. l.) vom Münchner Rupprecht-Gymnasium hatten am Freitag viel Spaß auf einer virtuellen Quizrunde durch die Landesausstellung im Ingolstädter Schloss. Am heutigen Samstag geht sie zu Ende - Fotos: Hauser

Ingolstadt (DK) Die Landesausstellung „Napoleon und Bayern“ im Ingolstädter Schloss endet am heutigen Samstag. Bisher kamen mehr als 145 000 Besucher. Ein großer Erfolg. Viele im Führungsteam sind bereits von Wehmut erfüllt. Am Freitag stürmten besonders viele Schüler aus ganz Bayern ins Schloss.

Auf dem Weg ins moderne Bayern staut es sich etwas. Das liegt auch an der Sperrigkeit des Themenabschnitts. Die kühnen Reformen des Grafen Maximilian von Montgelas, die neu geordnete Behördenstruktur anno 1808, die Vermessung des mit Franken und Schwaben beschenkten jungen Königreichs – da gibt es viel zu erklären und zu lesen. Die Besucher vertiefen sich in die Tafeln mit den Texten auf Deutsch und Französisch, lassen die Exponate auf sich wirken oder hören ihren Audioguides zu. Trotz des Andrangs geht es unter den spätmittelalterlichen Gewölben deshalb auffällig ruhig zu.

Die Klasse 8 b des Starnberger Gymnasiums erreicht das moderne Bayern und quetscht sich artig ins Reformensemble. Sie kommen von der Hochzeit Eugènes, Napoleons Stiefsohn, und der bayerischen Prinzessin Auguste Amalie hinten im Fahnensaal des Schlosses. Die Jugendlichen wissen jetzt, warum der Herr Pfarrer auf François-Guillaume Ménageots Gemälde der Trauungszeremonie traurig am Rand hocken muss: Kaiser Napoleon hasste die Kirche. Der Mann vom Führungsdienst behält in dem Gewühle immer die Deutungshoheit. Sogar Bayerns erste Verfassung – nicht unbedingt der größte Kracher für 14-Jährige – findet angemessene Beachtung. Bis die nächste Besuchergruppe anmarschiert.

Ein Stockwerk tiefer muss sich Vera Mejstrik beim Tiroler Aufstand etwas beeilen, denn der achten Klasse aus dem Erlanger Emil-von-Behring-Gymnasium, die sie führt, ist schon die 8 e des Donauwörther Gymnasiums dicht auf den Fersen. „Es ist etwas stressig, weil heute besonders viele Klassen da sind“, berichtet sie auf dem Weg zum Russlandfeldzug; für die Schulen ist dieser Tag die letzte Gelegenheit, um „Napoleon und Bayern“ zu besuchen. Aber Vera Mejstrik lässt sich von nichts stressen. Schwungvoll schreitet sie voran, vorbei an der Schlacht von Wagram. Sie weiß, wie man Jugendlichen eher spröde dynastische Verästelungen nahebringt. Die Habsburgerin Marie Louise, Napoleons zweite Frau, (nachdem er Joséphine wegen Kinderlosigkeit verstoßen hat), soll zwar nicht die Allerhellste gewesen sein, „aber eine wirklich Nette“. Und einen Sohn gebar sie dem Kaiser auch.

Einen Saal weiter hat die 8 d des Gymnasiums Donauwörth den Bündniswechsel der Bayern schon hinter sich. Im letzten Augenblick marschieren sie gegen die Franzosen. Die Schüler betrachten die mit Schärpen geschmückten Uniformen der freiwilligen Landhusaren, allerlei Säbel und den dramatischen Aufruf des bayerischen Königs Max I. an sein Volk.

Afra, Anita, To Nhu und Lam vom Münchner Rupprecht-Gymnasium drehen mit Tablet-PCs eine Quizrunde durchs Schloss. „Wir beantworten Fragen zu Napoleon und Bayern“, erzählen die Achtklässler. So gelangen sie mit wachsendem Fachwissen von Saal zu Saal. „Die Ausstellung ist echt toll!“

Zu sehen ist auch einer von Napoleons legendären Hüten. Geschätzter Wert: rund zwei Millionen. Aufseher stehen ständig in der Nähe. Die Besucher fotografieren sich mit Vorliebe vor dem guten Stück, das Napoleon vermutlich in Russland trug.

Auch Erika Dietrich macht Fotos. Sie hält pittoreske Ecken in der einstigen Herzogsresidenz fest. Es ist schon der dritte Besuch der begeisterten Historikerin. Fast 30 Jahre lang hat sie am Ingolstädter Apian-Gymnasium Geschichte unterrichtet. Ihr gefällt an der Ausstellung „besonders die Bodenständigkeit, die Darstellung dessen, was das Volk in den Napoleonischen Kriegen erlitten hat“. Die dreiminütige visuelle Schlachtimpression, die mit kräftigem Hufgeklapper und viel Geballer das Grauen Gestalt annehmen lässt, hat die pensionierte Lehrerin besonders fasziniert. „Eine tolle Inszenierung!“ Natürlich, fügt sie an, „popularisiert die Ausstellung – aber nicht extrem“.

Auch das dürfte den Ansturm erklären: mehr als 145 000 Besucher bis zum vorletzten Tag. Damit steht fest: Ludwig der Bayer ist besiegt! Dem Wittelsbacher war die Landesausstellung 2014 in Regensbug gewidmet. „Wir sind Kaiser“ hatte 140 000 Besucher. Nun prescht Napoleon gar auf die 150 000er-Marke zu.

Ausstellungsleiterin Margot Hamm, Historikerin im Haus der Bayerischen Geschichte, ist einfach nur glücklich. Über die zahlreichen Besucher, die vielen unvergesslichen Erlebnisse und auch darüber, „dass nichts kaputtgegangen ist“. Die wertvollen Leihgaben sind alle noch da. Wehmut mag sie nicht leugnen kurz vor dem Ende. Ihr und vielen anderen im Team ist die Schau ans Herz gewachsen. In den Gästebüchern finden sie bei Bedarf seitenweise Trost. Ein Besucher dankt darin „pour le tour guidé merveilleux“, für die wundervolle Führung, und verbleibt mit einem geschmeidigen „Vive la France!“