Ingolstadt
"Die Zeit läuft"

Die SPD-Politiker Thorsten Schäfer-Gümbel und Natascha Kohnen über Diesel-Skandal und E-Mobilität

05.12.2016 | Stand 02.12.2020, 18:57 Uhr

Redaktionsbesuch: SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel und die Generalsekretärin der bayerischen SPD, Natascha Kohnen, beim Gespräch im Ingolstädter DONAUKURIER-Haupthaus. - Foto: Richter

Ingolstadt (DK) Wie geht es weiter mit der deutschen Autoindustrie? Die bayerische SPD-Generalsekretärin Natascha Kohnen und der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel kamen gestern direkt von einem Besuch im Ingolstädter Audi-Werk zum Redaktionsgespräch in den DONAUKURIER. Eine Gelegenheit, sie nach ihren Eindrücken zu fragen.

Frau Kohnen, Herr Schäfer-Gümbel, wie schätzen Sie denn die Stimmung bei Audi ein, so zwischen Diesel-Krise und E-Mobilität?

Natascha Kohnen: Mein Eindruck war, dass das Unternehmen sehr selbstbewusst ist, man weiß, was Audi kann. Natürlich nimmt die Firma den Diesel-Skandal sehr, sehr ernst.

 

Herr Schäfer-Gümbel, Sie kommen ja aus Hessen, wo es in Baunatal einen großen VW-Standort gibt. Sehen Sie Unterschiede bei der Lage der Konzernmutter Volkswagen und der Tochter Audi?

Thorsten Schäfer-Gümbel: Es ist sehr deutlich, dass Audi eine Sonderstellung im VW-Konzern einnimmt. Das hängt damit zusammen, dass Audi ein Premiumhersteller ist und ein stabiler Faktor innerhalb des Konzerns. Manche der Veränderungen, die VW derzeit diskutiert, sind bei Audi schon geschehen. Was bei VW ansteht, der Zukunftsplan zum Beispiel, ist mit Audi kaum zu vergleichen. Im Vergleich mit dem Großkonzern Volkswagen hat Audi eher übersichtliche Probleme zu meistern. Herausforderungen gibt es trotzdem.

 

Was muss sich aus Ihrer Sicht bei den Autoherstellern ändern, um dieses Erfolgsmodell in die Zukunft fortzuschreiben?

Schäfer-Gümbel: Der Diesel-Skandal und die daraus entstandene Vertrauenskrise treffen nicht nur VW, sondern die ganze deutsche Automobilindustrie. Die Branche muss sich schnellstmöglich auf die Verkehrswende, das heißt auf die E-Mobilität, die Mobilität der Zukunft, einstellen. Wir müssen in einem gemeinsamen Kraftakt von Wirtschaft, Gewerkschaften und Politik sowohl die Infrastruktur- als auch die Regulierungsfragen lösen, die damit verbunden sind. Dabei spielt das Thema Batterie eine große Rolle. Das ist das A und O für die Automobilindustrie. Es gibt die Verabredung der großen deutschen Automobilunternehmen, dass man gemeinsam in die Batterieentwicklung und -produktion geht. Mein Eindruck ist, dass daraus bisher nichts gefolgt ist. Stattdessen konzentrieren sich die Konzerne auf sich selbst.

 

Hat die deutsche Autoindustrie das Thema verschlafen?

Kohnen: Ja, hat sie.

Schäfer-Gümbel: Die Industrie hat sich auf das Thema Diesel konzentriert. Das ist wirklich ein Riesendilemma. Denn das Entwicklungspotenzial beim Diesel wäre auch weiterhin groß. Aber das ist jetzt vorbei. Wegen geringfügiger Kostenvorteile wurde betrogen und dadurch die gesamte Diesel-Entwicklung beschädigt. Das ist eine große Belastung. Gleichzeitig wurden andere Entwicklungen verschlafen. Deshalb sind wir jetzt bei der Batterie abhängig von asiatischen Herstellern. Das muss sich ändern.

Kohnen: Und zwar schnell. Die Industrie steht unter enormem Zeitdruck. Das merkt man auch an der Vereinbarung der großen Hersteller über den Aufbau von Ladestationen an Autobahnen. Aber die Zeit läuft.

 

Ist die Politik mit in der Verantwortung? Sind wir zu lange von Autokanzlern regiert worden, die nur die Konzerne gehätschelt haben?

Schäfer-Gümbel: Wir werden nicht von einer Auto-Kanzlerin regiert. Angela Merkel steht für so ziemlich alles . . .

Kohnen: in abwartender Haltung . . .

Schäfer-Gümbel: Das ist das Kernproblem. Die Kanzlerin sitzt die Dinge aus und wartet ab, wohin sie sich entwickeln, um dann zu erklären, dass sie das immer schon gesagt hat. Das ist immer die falsche Strategie. Manche halten die Energiewende für eine große Aufgabe. Ich denke, dass die Energiewende die kleine Schwester der Verkehrswende ist.

 

Was glauben Sie, wann werden Sie selbst auf ein E-Auto umsteigen?

Kohnen: In fünf bis zehn Jahren vielleicht. Wenn es möglich ist, eher fünf.

Schäfer-Gümbel: Erst mal will ich festhalten, dass es Spaß macht, E-Auto zu fahren. 100 Prozent Drehmoment ab der ersten Sekunde erhöht die Freude am Fahren. Deshalb hoffe ich auf eine schnellere Entwicklung. Unabhängig davon hoffe ich auf größere Reichweite wegen meiner langen Wege. Davon hängt es ab.

 

Die Fragen stellte

Johannes Greiner.