Weiter
In den höchsten Tönen

13.09.2017 | Stand 02.12.2020, 17:30 Uhr

Bei den Gesangsübungen ist volle Konzentration angesagt: Verena Maria Schmid möchte, dass ihre Musik beim Zuhörer etwas auslöst, ihn berührt. - Foto: Brucker

Weiter nach oben als Verena Maria Schmid kann keiner. Auf jeden Fall nicht auf der Bühne. Die Münchnerin ist Sopranistin - sie singt in Opern und Konzerten.

Wenn andere sich morgens fertigmachen, um ins Büro zu fahren, geht Verena Schmid erst einmal eine Runde spazieren und widmet sich anschließend ihrer Gymnastik und ihren Atemübungen. "Gesang hat viel mit Körperarbeit zu tun", erklärt die Sopranistin. Sie beherrscht die höchste menschliche Stimmlage.

Meist wird der Sopran von Frauen gesungen, er kann aber auch mit Jungen vor dem Stimmbruch oder mit Männern besetzt werden. In diesem Fall wird von Countertenören gesprochen. Sie erzeugen die hohen Töne durch eine in der Brustresonanz verstärkte Kopfstimme beziehungsweise Falsett-Technik. Für manchen Zuhörer mag dies schrill und unnatürlich klingen. Nicht von ungefähr weist der Begriff bereits darauf hin. Vom italienischen falso abgeleitet - zu Deutsch falsch - ist das Wort eine Verkleinerungsform und bedeutet so viel wie "kleine falsche Stimme". Sie kann jedoch ohne viel Training von jedem Menschen produziert werden, während die Kopfstimme trainiert werden muss.

Hartes Training ist auch bei Schmid angesagt. Nach Spaziergang, Gymnastik und Atemübungen kommen die gesanglichen. Dazu bedarf es höchster Konzentration. "Am besten geht das zwischen 10 und 13 Uhr vormittags, wenn alles ruhig ist", sagt sie. Damit sich keiner von ihrer Gesangskunst gestört fühlt, probt sie im Hobbykeller ihrer Wohnung.

Ob sie nun für die Rolle der Pamina in Mozarts "Die Zauberflöte" übt oder für die Gertrud in "Wilhelm Tell" von Rosini, immer verfolgt sie damit ein Ziel: Sie will mit der Musik etwas ausdrücken, was beim Zuhörer ankommt. "Ich möchte, dass er aus Oper oder Konzert herausgeht und sich etwas für ihn verändert hat, ihn die Musik berührt", sagt sie.

Dabei sieht sie es als Privileg an, einen Beruf ergriffen zu haben, der sie erfüllt. Auch wenn es lange so aussah, als würde sie eher eine musikalische Karriere einschlagen, die auf einem Instrument basiert. Zwar sang sie bereits als Kind im Kinder- und Jugendchor ihres Geburtsortes Gauting, aber als es nach dem Abitur darum ging, sich für ein Studium zu entscheiden, wählte sie Musikpädagogik mit Hauptfach Klavier. Im Sommer 2010 schloss sie es erfolgreich mit dem Magister Artium in München ab.

Wahrscheinlich wäre sie Konzertpianistin geworden, hätten sie nicht Freunde und Kollegen ermuntert, doch etwas mit ihrer schönen Stimme zu machen. Sie entschließt sich dazu, Gesangsunterricht zu nehmen, und studiert an der Anton-Bruckner-Privatuniversität Linz Gesang im künstlerischen Fach Bachelor. Ihr Ziel: gut singen zu lernen und herrliche Musik zu erleben. Einer ihrer Lehrer dort ist der Bariton und Musikpädagoge Andreas Lebeda. Nach Linz möchte sie ihren Master in Konzertgesang machen. An der Musikhochschule München studiert sie anschließend bei der österreichischen Opernsängerin Ingrid Kaiserfeld und beendet ihr Studium erfolgreich.

Das liegt nun gut ein Jahr zurück. Doch welche Träume verfolgt die junge Sopranistin? Will sie eine Montserrat Caballé werden oder eine Anna Netrebko? Oder wie ihre Lehrerin Kaiserfeld eine berühmte Mozartinterpretin? Schmid schüttelt den Kopf und meint bescheiden: "Ich habe mir diese Frage nie gestellt. Es ist für mich wichtig, dass sich die Dinge entwickeln."

Eines aber hat sie bereits für sich entschieden: Sie möchte eher Konzert- als Opernsängerin werden. "Ich glaube, man muss irgendwann Prioritäten setzen, wo man sich sieht", meint die Sängerin. Und da sie ursprünglich vom Instrument herkommt, liebt sie vor allem Kammermusik. Im Gegensatz zur Oper, in der die Sängerin zugleich Schauspielerin ist und die szenische Gestaltung eine große Rolle spielt, geht es beim Konzert darum, als Sängerin Erzählerin zu sein. "Die Art des Ausdrucks kommt hier nur durch Gesang und das Zusammenspiel mit den Instrumenten zustande", erklärt Schmid. Am liebsten spielt sie gemeinsam mit Menschen zusammen, die sie kennt und mit denen sie sich versteht.

So wie im Dezember. Da wird sie unter Leitung ihres ehemaligen Professors Lebeda solistisch in der Konzertreihe "vokal.isen" in Linz zu hören sein. Dann wird sie ihr langes Kleid tragen und wieder ganz oben sein. Wenn sie nach so einem Konzertabend von der Bühne tritt, fühlt sie sich von der körperlichen Anstrengung zwar erschöpft, aber glücklich. "Es ist geschafft, wir haben zusammen etwas Tolles gemacht, das ist einfach ein beglückendes Gefühl", sagt sie. Die Musik steht im Mittelpunkt, unabhängig davon, ob man wie die Netrebko den Opernhimmel erreicht hat und in der Aida bei den Salzburger Festspielen singt, als Countertenor in einem Vokalensemble oder wie Schmid in Linz. DK