Riedenburg
"Er hat die Probleme auf den Punkt gebracht"

Horst Gutjahr ist seit 50 Jahren SPD-Mitglied und würde sich wieder für die Genossen entscheiden auch wegen Martin Schulz

16.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr

Foto: DK

Horst Gutjahr ist seit 50 Jahren SPD-Mitglied und würde sich wieder für die Genossen entscheiden auch wegen Martin Schulz

Herr Gutjahr, seit wann haben Sie ein Parteibuch der SPD

Horst Gutjahr: Ich bin heuer genau 50 Jahre in der SPD - also bereits seit dem Jahr 1967.

 

Wieso haben Sie sich für die Sozialdemokraten entschieden?

Gutjahr: Ich habe Lehramt studiert an einer Pädagogischen Hochschule, wie es damals noch hieß. Später erhielten diese Einrichtungen universitären Charakter. Diese Schulen waren in diesen Tagen noch immer nach katholisch und evangelisch ausgerichtet. Sie konnten also nur aufgrund Ihrer Konfession nicht an jeder Hochschule im Freistaat studieren. Das war mein erster Kontakt mit einer sinnlosen Ungerechtigkeit und der Punkt an dem ich für mich bemerkte, wie hinterwäldlerisch Bayern eigentlich war. Wenn sich ein Lehrer in den 60er-Jahren hat scheiden lassen, dann wurde er versetzt, aus seinem Heimatdorf vertrieben. Es wurde als Schande angesehen. Zudem war die Verbindung zwischen Kirche und CSU damals so eklatant, dass man aus meiner Sicht nur zur SPD konnte.

 

Sie sagen also, dass Bayern aus Ihrer Sicht damals dringend einen Schritt nach vorne hätte machen müssen und dass Sie das Gefühl hatten, dafür nur in der SPD streiten zu können?

Gutjahr: Genau. Und damals hatte die SPD ja auch noch sehr gute Ergebnisse von bis zu 30 Prozent im Freistaat. Wir reden ja über ein vollkommen agrarisch geprägtes Bayern. Zum Glück hat sich da viel getan.

 

Reden wir über heute: Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich heute für eine Partei entscheiden. Wäre es wieder die SPD?

Gutjahr: Von der sozialen Gerechtigkeit her - wenn ich das Schlagwort von Martin Schulz verwenden darf - ist die SPD noch immer eine fortschrittliche Partei, die Zuspruch braucht und verdient. Denken Sie nur an die sogenannte Homo-Ehe. Wie lange ist das schon ein Thema der SPD. Für uns war es selbstverständlich, dass so ein freiheitliches Element in unsere Gesellschaft gehört. Das haben wir CDU und CSU irgendwann abringen können. Hier müssen sich junge Menschen fragen, wie wir zukünftig mit Minderheiten umgehen wollen. Und dann komme ich wieder bei der SPD an.

 

Sie haben eben Martin Schulz und sein großes Thema soziale Gerechtigkeit angesprochen. Drehte sich die anfängliche Begeisterung nach seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten der SPD um seine Person, oder ging es eher um Inhalte?

Gutjahr: Er setzt die richtigen Themen. Denken Sie nur an die Rentenfrage oder die aktuelle Wohnungsnot. Themen sind einfach das Wichtigste. Aber: Martin Schulz ist ein brillanter Rhetoriker. Er kam unerwartet und hat die Probleme der Zukunft gebündelt und auf den Punkt gebracht. Beides zusammen - die Person Schulz und die klassischen sozialdemokratischen Inhalte, die er vertritt - hat wohl Jung und Alt gleichermaßen angesprochen.

 

War Schulz' Vorgänger Sigmar Gabriel verbrannt? Wie wichtig war sein Rückzug für den Neuanfang bei der SPD?

Gutjahr: Ich weiß nicht, ob Gabriel verbrannt war. Aber sein Schritt wurde in der Partei als Befreiungsschlag empfunden.

 

Also hätte man auch jeden anderen als Nachfolger nehmen können? Hauptsache neu - und Martin Schulz war nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort?

Gutjahr: Nein. Martin Schulz hat meiner Meinung nach eingeschlagen, weil er ein völlig neuer Mann war und unerwartet kam. Man hätte nicht jeden anderen nehmen können. ‹ŒDK

 

Das Gespräch führte Christian Tamm.

 

Zur Person

Horst Gutjahr wird am 12.  November 1940 in Riedenburg (Kreis Kelheim) geboren. Er ergreift den Beruf des Lehrers und arbeitet an verschiedenen Schulen in Neuburg an der Donau. 1989 wird er sogar Rektor der Grundschule am Schloss. Früh beginnt er auch, sich in der SPD politisch zu engagieren. Ab 1978 sitzt er im Kreistag. Von 2008 bis 2012 ist er als Neuburgs Dritter Bürgermeister tätig.