Gunzenheim
"Vorbei ist vorbei"

07.05.2015 | Stand 02.12.2020, 21:20 Uhr

Seit 2010 lebt Walter Mixa in der Jugendstilvilla in dem schwäbischen Dorf Gunzenheim im südwestlichsten Zipfel der Diözese Eichstätt - Foto: Redl

Gunzenheim (DK) Vor fünf Jahren hat Papst Benedikt XVI. den Rücktritt des Augsburger Bischofs Walter Mixa angenommen – nach schweren Vorwürfen gegen den Geistlichen. Auch heute noch tut sich Mixa schwer, zu seinen Fehlern zu stehen.

Es gibt selbst gemachten Holundersaft mit Mineralwasser vermischt. Das Gespräch mit dem emeritierten Bischof Walter Mixa findet auf der Terrasse vor dem Jugendstilhaus in Gunzenheim statt. Das Haus in dem derzeit 265 Einwohner zählenden, zur Gemeinde Kaisheim gehörenden Dorf hat 1910/1911 der Bäckergeselle Maximilian Strasser erbauen lassen. Der Bauernsohn war Ende des 19. Jahrhunderts in die USA ausgewandert, dort zu Reichtum gekommen und hatte die Immobilie der Kirchenstiftung in Gunzenheim vermacht. Das herrschaftliche Anwesen mit seinem parkähnlichen Garten mit der Laube im Hintergrund und dem kleinen Barockgärtchen mit der Marienstatue könnte durchaus als Bischofspalais durchgehen. Und Mixa, der vor Kurzem seinen 74. Geburtstag gefeiert hat, könnte vom Alter her in einem ähnlichen Gebäude in einer Bischofsstadt noch als Bischof residieren. Nach dem großen Treppenaufgang wartet ein durchaus großzügiger Empfangsraum, links davon geht es in ein mit Jugendstilmöbeln eingerichtetes „Herrenzimmer“, rechts in die Hauskapelle. Ikonen, Bilder, Stiche hängen an den Wänden – alles Kunstschätze, aus Mixas Privatschatulle bezahlt, wie er versichert. Im Obergeschoss sind die Privaträume.

Hierhin, in die Villa Barbara, hat sich Walter Mixa, fast 20 Jahre Stadtpfarrer von Schrobenhausen (1975 bis 1996), dann Eichstätter Bischof (1996 bis 2005) und schließlich Augsburger Oberhirte (2005 bis 2010) zurückgezogen. Oder soll man sagen, in diesem südwestlichsten Zipfel der Diözese Eichstätt und nur einen Steinwurf von der Diözese Augsburg entfernt, hat er mit Unterstützung des Eichstätter Bischofs Gregor Maria Hanke seine Zuflucht gefunden? Hanke, Mixas direkter Nachfolger auf dem Eichstätter Bischofsstuhl, war einer der wenigen geistlichen Mitbrüder, die ihm verbunden geblieben sind. Das Haus, das Mixa noch in seiner Zeit als Eichstätter Oberhirte aufwendig hat renovieren lassen, diente zuvor Selbstversorgergruppen aus dem Bistum für Wochenendkurse und Seminare. Es ist nach wie vor im Eigentum der Kirchenstiftung, Mixa zahlt Miete.

Walter Mixa ist in Gunzenheim angekommen – mit Haushälterin Schwester Burkhardina, die ihm seit 18 Jahren treu zur Seite steht, und dem schon recht betagten Dackel Iffi. Der Kontakt zu den Nachbarn und den Dorfbewohnern ist gut, man hilft sich gegenseitig. Ein Nachbar fährt den Bischof emeritus, wenn der mal wieder zu Vorträgen in ganz Deutschland oder auch dem benachbarten Ausland eingeladen ist. Für kürzere Fahrten setzt sich Mixa selbst hinters Steuer seines Audi A 3.

Es ist ruhiger geworden um den früheren Bischof von Eichstätt und Militärbischof, der nie ein Mann des Ausgleichs war, sondern immer gespalten hat: Von den einen angefeindet und gehasst – wegen seiner Äußerungen zur Familie und zum Schutz des Lebens beispielsweise, von den anderen als Volksbischof, als Mann der einfachen Sprache und Hinwendung zu den Gläubigen geliebt und verehrt. Aber von Ruhestand ist bei ihm keine Rede. Neben Vorträgen ist Mixa vor allem in der Seelsorge tätig. In dem in seiner Eichstätter Zeit neu errichteten Kloster der Karmelitinnen im Marienwallfahrtsort Wemding hält er regelmäßig die Heilige Messe, in Gunzenheim und den benachbarten Pfarreien hilft er aus. Auch bei Firmgottesdiensten spendet er das Sakrament, und bei den Hochfesten der Kirche wie Ostern oder Weihnachten ist er Gast im Dom – wie erst vor Kurzem bei der Priesterweihe in Eichstätt.

Bei seinen Aktivitäten bewegt sich Mixa vorwiegend in der Diözese Eichstätt. Auf das Gebiet der nur wenige Kilometer hinter Gunzenheim beginnenden Diözese Augsburg kommt er nur selten. Dabei wurde Mixa einst für das Bistum Augsburg zum Priester geweiht und war vor seinem Wechsel auf den Eichstätter Bischofsstuhl fast 20 Jahre Stadtpfarrer von Schrobenhausen, in Augsburg in der Priesterausbildung sowie als Regionaldekan tätig. „Ich fühle mich hier auf Eichstätter Gebiet wohl“, sagt er. Dem oberbayerischen Bistum fühlt er sich „mehr“ verbunden, wie er nach mehrmaliger Nachfrage eingesteht. Das Band mit seiner Heimatdiözese Augsburg scheint zerrissen. Von einem „zutiefst illoyalen Verhalten“ enger Mitarbeiter spricht Mixa verbittert.

Die Ereignisse im April und Mai vor fünf Jahren sind an ihm nicht ohne Blessuren vorübergegangen. Die Mimik verändert sich, wird härter, wenn er auf das Ende seiner Augsburger Zeit angesprochen wird. Auch fünf Jahre nach seinem Rücktritt hadert der frühere Augsburger Bischof mit den Turbulenzen um seine Person: die ihm zur Last gelegten, später von ihm eingestandenen Misshandlungsvorwürfe, der völlig aus der Luft gegriffene Missbrauchsvorwurf, der schließlich dazu geführt hatte, dass er – unter Druck gesetzt – sein Rücktrittsgesuch unterzeichnete. Dass er dieses dann später widerrief, nutzte ihm nichts und war nur Zeichen dafür, wie unprofessionell, auch wider besseren Wissens und an dem Bischofsstuhl klebend, er und seine Berater sowie seine Mitbrüder damals mit der Situation umgegangen sind. Heute sagt er: „Welcher Mensch macht keine Fehler“ Dies einzugestehen, fällt ihm noch immer schwer.

Schon vor fünf Jahren, als die Vorwürfe bekannt geworden waren, hatte er zu lange gezögert, dazu zu stehen: Dass er als Schrobenhausener Stadtpfarrer Kinder geohrfeigt oder geschlagen hat. Das Leugnen hat die Glaubwürdigkeit des auch innerkirchlich umstrittenen und daher für Kampagnen anfälligen Glaubensmannes gewaltig erschüttert. Hinzu kamen Vorhaltungen, er habe mit Stiftungsgeldern Kunstschätze privat erworben und seinen „barocken Lebensstil“ zu sehr gepflegt. Da war es dann nur noch ein kleiner Schritt, ihn durch den Vorwurf, er habe als Eichstätter Oberhirte einen damals Minderjährigen sexuell missbraucht, völlig ins Abseits zu manövrieren. Ein von einer Eichstätter Diözesanmitarbeiterin erhobener Vorwurf, den sowohl der Betroffene als auch Mixa oder Wegbegleiter von ihm als „absurd“ bezeichnet hatten und der auch von der eingeschalteten Justiz schon kurze Zeit später als völlig haltlos beurteilt worden war.

Doch diese nur knapp zweiwöchige Zeitspanne zwischen dem Vorwurf und dem „Freispruch“ reichte aus, Mixa endgültig aus dem Verkehr zu ziehen. Sowohl für den damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, als auch seinen bayerischen Kollegen Reinhard Marx, die Mixa bereits eine „geistliche Auszeit“ verordnet hatten, war der Missbrauchsvorwurf letztlich ausschlaggebend, den Mitbruder fallen zu lassen – noch bevor die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen gegen ihn eingestellt hatte.

Auf deren Vorsprechen bei Papst Benedikt XVI. und deren drängenden Einsatz in Rom, die in der Zwischenzeit von Mixa unterschriebene Resignation anzunehmen, ist Mixa heute noch nicht gut zu sprechen. Und dass ein von ihm vehement gewünschtes Gespräch mit seinem Duzfreund Joseph Ratzinger vor der endgültigen Entscheidung nicht zustande gekommen ist, grämt ihn ebenfalls noch.

Aber wie wäre es ohne den Rücktritt weitergegangen? Immerhin hatte die Kirche durch sein Verhalten Schaden genommen, wie auch die extrem gestiegene Zahl an Kirchenaustritten vor allem im Bistum Augsburg zeigte. „Das weiß ich auch nicht“, gibt Mixa heute unumwunden zu. Damit, scheint es, will er sich auch nicht weiter beschäftigen. „Vorbei ist vorbei“, sagt er zu den Ereignissen von vor fünf Jahren. Für ihn gelte es, sich der „Gegenwart und der Zukunft“ zu stellen und „menschlich und geistlich seelsorgerlich“ tätig zu sein.