Erlangen (dpa
Sonderbehandlung für Dreifachmörder

Im Modellbau-Untersuchungsausschuss gibt es deutliche Kritik, wie Hubert Haderthauer die Arbeitstherapie gestaltete

23.04.2015 | Stand 02.12.2020, 21:23 Uhr

Um Christine Haderthauer und ihren Ehemann Hubert geht es im Modellbau-Untersuchungsausschuss. - Foto: intv

München (DK) Die von Hubert Haderthauer verantwortete Modellbautherapie am Bezirksklinikum Ansbach kennt er nur aus Akten, doch mit den Folgen schlägt sich der dortige Forensik-Chefarzt Joachim Nitschke bis heute herum. Noch immer wird in Ansbach an Regularien gefeilt, damit sich ein solcher Fall nicht wiederholen kann.

Der Bau von Modellautos im Rahmen einer Arbeitstherapie sei an sich eine tolle Sache, sagte Nitschke gestern im Untersuchungsausschuss des Landtags, der die Modellbau-Affäre um Ex-Staatskanzleichefin Christine Haderthauer (CSU) und ihren Mann aufarbeitet. „Nur die Organisation ist völlig schiefgelaufen.“

Erstmals seit das Gremium seine Arbeit aufgenommen hat, ging es explizit um die Modellbautherapie in Ansbach und später Straubing – und damit rückten die konkreten Vorwürfe gegen den damals dort tätigen Arzt Hubert Haderthauer in den Fokus. Als Zeugen geladen waren die beiden aktuellen Maßregelvollzugleiter der Bezirkskrankenhäuser Ansbach und Straubing, in denen der Dreifachmörder S. über Jahre für die Firma Sapor Modelltechnik hochwertige Modellautos gefertigt hatte – ein Unternehmen, bei dem Hubert Haderthauer und seine Frau Gesellschafter waren.

Ein Aktenvermerk von Nitschkes Vorgängerin, der in der Sitzung verlesen wurde, machte deutlich, welche Sonderbehandlung S. bis 2000 in Ansbach genossen hatte: Er habe über viel Bargeld verfügt, über eine Telefonleitung zur Firma Sapor, über eine Vormachtstellung in der Forensik. Aufträge des Klinikpersonals habe er gar nicht oder nur widerwillig ausgeführt.

Heute wäre das alles laut Nitschke nicht mehr möglich. Die Klinikleitung habe gelernt, dass man einem Patienten nicht so viel Macht gegeben dürfe. Ein persönlicher Kontakt zwischen Auftraggeber und Patienten sei nicht mehr möglich. Und Geschäfte mit Patienten? „Das wäre illegal.“ Gerade sei ein Rahmenvertrag ausgearbeitet worden, der künftig für alle industriellen Aufträge verwendet werden solle, um Interessenskonflikte auszuschließen.

Der Ausschuss-Vorsitzende, Horst Arnold (SPD), sprach gegenüber unserer Zeitung von zwei völlig unterschiedlichen Welten der Forensik. Was Nitschke als Prinzipien der Therapie, der Sicherheit und des Umgangs beschrieben habe, sei zur Zeit der Modellbautherapie in Ansbach nicht eingehalten worden. „Wir müssen klären, warum.“

Peter Bauer von den Freien Wählern betonte, Nitschkes Angaben hätten gezeigt, dass S. 25 Jahre lang nicht adäquat behandelt worden sei. „Er ist beschäftigt worden, er ist nicht therapiert worden.“ Der FW-Abgeordnete ist der Meinung, dass Hubert Haderthauer sein Amt als Landgerichtsarzt in Ingolstadt ruhen lassen sollte, solange der Verdacht im Raum stehe, dass er im Fall S. seine eigenen geschäftlichen Interessen über therapeutische Notwendigkeiten gestellt haben könnte.

Anders als Nitschke hat die Straubinger Forensik-Chefin Susanne Lausch die Modellbautherapie noch selbst kennengelernt. Sie sprach im Ausschuss von einem „sehr renommierten und sehr schönen Arbeitstherapiebereich“. Zugleich räumte sie ein, dass nicht der Arbeitstherapeut, sondern der Patient S. „am besten Bescheid“ gewusst habe, was dafür nötig sei.

Weitreichende Konsequenzen wurden in Straubing bisher nicht gezogen. In Übereinstimmung mit einer Anweisung des Bezirks Niederbayern kann der organisatorische Leiter der Arbeitstherapien Aufträge mit einem Volumen bis 100 000 Euro in Eigenregie abwickeln. Ob sichergestellt sei, dass er sich nicht selbst bereichert, wurde Lausch gefragt: „Das kann ich Ihnen nicht beantworten.“

Noch vor der Sommerpause wird auch S. selbst ausführlich befragt: Am 26. Juni soll er den Abgeordneten Rede und Antwort stehen – und zwar im Landtag, nicht im Bezirkskrankenhaus Straubing, wo der Dreifachmörder seit Jahren untergebracht ist. Für die Befragung dieses wichtigen Zeugen nimmt sich der Ausschuss einen ganzen Tag Zeit.