Eichstätt
Aufarbeitung "deutlich zu spät"

Ehemalige Regensburger Domspatzen aus dem Eichstätter Raum hoffen, dass der Chor zur Ruhe kommt

19.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:46 Uhr

Eichstätt (DK) Drei ehemalige Regensburger Domspatzen aus der Region reagierten jetzt erleichtert, dass der Skandal um Missbrauch und Misshandlungen "endlich gründlich aufgearbeitet worden ist". Siegfried Gallus, Christian Heiß und Rudolf Pscherer waren selbst Mitglieder des renommierten Chors.

Der inzwischen 50 Jahre alte Heiß arbeitet heute als Domkapellmeister in Eichstätt. "Es ist gut, dass die Dinge auf dem Tisch liegen", sagt er. Für ihn aber "deutlich zu spät", wie er findet: "Das Ganze hätte schon in der ersten Phase nach Bekanntwerden der Vorwürfe vor sieben Jahren passieren müssen. Aber wenn so etwas über lange Zeit weitergetragen wird, ohne das aufzuklären, dann schädigt das die ganze Einrichtung in ihrer heutigen Form." Und die habe nichts mehr mit den Vorgängen von damals gemeinsam. In dem am Dienstag vorgestellten Untersuchungsbericht ist die Rede von mindestens 547 Kindern und Jugendlichen, die zwischen 1945 und 1992 als Chormitglieder körperlich misshandelt oder sexuell missbraucht worden waren. Der Eichstätter Domkapellmeister gehörte von 1977 bis 1986 zu den Regensburger Domspatzen.

In den Anfangsjahren sei "die eine oder andere Watschen" noch gängig gewesen, später nicht mehr. Der frühere Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger habe das bei seiner Abschiedsrede eingeräumt und zugleich bedauert, dass er zugeschlagen habe. "Aber richtig harte Prügelstrafen gab es zu meiner Zeit nicht mehr", sagt Christian Heiß. "Man redet doch auch mit seinen Eltern darüber. Sie hätten mich sofort von der Schule genommen, wenn etwas in dieser Richtung vorgefallen wäre."

Der frühere Musikpräfekt des Priesterseminars Eichstätt, Rudolf Pscherer, zeigt sich froh, dass der Abschlussbericht nun vorliegt. "Es muss wieder Ruhe einkehren, denn die Einrichtung macht gute Arbeit. Sie hat uns so viel Positives mit auf den Lebensweg gegeben", sagt der heute 68-Jährige. Er besuchte die Schule der Domspatzen von 1958 bis 1968. Was die sexuellen Übergriffe anbelangt, möchte er sich nicht äußern, weil "ich davon nicht betroffen war und auch nichts mitgekriegt habe".

Ohrfeigen seien damals aber "normal" gewesen, auch in anderen Bereichen des Alltags. Er selbst habe bei den Domspatzen einmal "Schläge auf den nackten Po" erhalten. "Ich kann nicht behaupten, dass grundlos Ohrfeigen ausgeteilt wurden. Wir haben es manchmal sehr übertrieben und die Chorleiter und Präfekten ziemlich gereizt."

Die Aufarbeitung der Vorgänge sei überaus wichtig gewesen, betonen beide Männer. Sie wollten mitnichten verharmlosen, Schläge seien keine adäquate Erziehungsmethode, stellen sie klar. Zur fraglichen Zeit seien sie jedoch gesellschaftlich akzeptiert gewesen. Wichtig sei, dass so etwas nicht wieder passiert, es gebe jetzt in der Einrichtung viele zusätzliche Kontrollmechanismen. "Damals und Heute sind nicht vergleichbar", sagt Heiß. "Ich wünsche mir, dass bei den Domspatzen wieder Ruhe einkehrt", schließt Pscherer sich an.

Der Beilngrieser Ex-Hotelier Siegfried Gallus ist ebenfalls ein früherer Domspatz. Er hofft, dass der Ruf des Knabenchors "bald wieder so tadellos ist, wie er über die Jahrhunderte immer war". Da werde gerade "zu viel negativ gesprochen". Der Skandal habe seiner Verbundenheit keinen Abbruch getan, stellt Gallus fest. "Mein ganz großer Wunsch ist es, die Regensburger Domspatzen einmal wieder in der Christmette zu hören, wenn ich es zeitlich schaffe."