Eichstätt
"Langfristig kaum zu schultern"

Die Abschiebehaftanstalt in Eichstätt bringt Polizei und Justizpersonal an Grenzen

17.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:20 Uhr

Eichstätt (DK) Es ist in gewisser Weise eine 100-Tage-Bilanz - verbunden mit einem deutlichen Statement der Polizei und des Justizpersonals: Die Abschiebehaftanstalt, die am 12. Juni in Eichstätt ihren Betrieb aufgenommen hat, bringt das Personal beider Einrichtungen an ihre Grenzen.

Rund 300 Flüchtlinge sind einer hausinternen Statistik zufolge seit Juni in Eichstätt eingesessen und haben auf ihre Abschiebung gewartet, betreut durch das Justizpersonal und vor allem durch zwei Psychologen sowie vier Sozialarbeiter. "Wir sind froh, dass wir diese Fachdienste vor Ort haben", sagt Anstaltsleiter Friedhelm Kirchhoff unserer Zeitung.

Der Regierungsdirektor weiß um die schwierige Situation, in der sich die Insassen seiner Einrichtung befinden ("Sie haben keine Perspektive"). Er muss aber auch seine Bediensteten und Angestellten im Blick haben. Und die ehemalige JVA an der Weißenburger Straße, die der Freistaat für rund acht Millionen Euro saniert und umgebaut hat, "war schneller voll, als wir das erwartet haben".

Braucht es eine Entlastung, sprich eine zweite Einrichtung? Der Anstaltsleiter bejaht das, "allein schon aus Sicherheitsgründen". Man könne die Insassen derzeit nicht einmal voneinander trennen, um beispielsweise deeskalierend zu wirken. Aus dem Justizministerium verlautet, dass man "bei Bedarf 24 Haftplätze für die Abschiebungshaft in der Justizvollzugsanstalt Erding relativ kurzfristig" aktivieren könne. Hier seien keine "größeren Bau- beziehungsweise Umbaumaßnahmen erforderlich", diese Möglichkeit sei aber als "Vorsorgemaßnahme" zu sehen. Bislang habe man das nicht gebraucht, erklärt ein Sprecher,

Mittelfristig wolle man, so der Ministeriumssprecher, "in Passau eine bundesweit einzigartige kombinierte Einrichtung zum Vollzug von Straf- und Abschiebungshaft" bauen. "Damit sollen konsequente Abschiebungen grenznah gesichert und gleichzeitig eine effektive Ahndung von Schleuserkriminalität dort, wo sie geschieht, ermöglicht werden." Bis zu 200 der geplanten 450 Haftplätze sollen dort als Abschiebungshaftplätze genutzt werden können, erklärt der Sprecher.

Der Betrieb sei "eine große Beanspruchung unserer Mitarbeiter", sagt Kirchhoff. Deutlicher wird der Chef der Eichstätter Polizeiinspektion, Heinz Rindlbacher. "Wir bedauern es sehr, dass wir, ausgenommen des Präsidiums in Ingolstadt, in dieser Situation sehr alleingelassen werden." Der Aufwand sei immens - vor allem zeitlich. Rindlbacher und der Chef der für zuständigen Einheit, Dietmar Brückl, rechnen vor: Wenn eine Abschiebung von den Flughäfen Frankfurt, Leipzig oder Stuttgart aus angeordnet ist, sind zwei Beamte zwischen 10 und 13 Stunden gebunden. Rund 20-mal sind Beamte aus Eichstätt mittlerweile nach Frankfurt gefahren, 60-mal nach München. Hinzu kommen Bewachungen, beispielsweise im Klinikum Ingolstadt. Rindlbachers Statistik zufolge seien allein hier bereits über 900 zusätzliche Einsatzstunden angefallen. Beamte, die an anderer Stelle fehlen. "Das ist langfristig kaum zu schultern", sagt Rindlbacher, von Eichstätt aus schon gar nicht. Der tägliche Dienst sei aber in der Regel nicht beeinträchtigt.

Ähnlich klingt das am Amtsgericht in Ingolstadt. Dort sind die Strafrichter für die Haftbefehle und alle damit zusammenhängenden Entscheidungen zuständig. "Das ist eine enorme zusätzliche Arbeit", sagt Vize-Gerichtsdirektor Christian Veh auf Anfrage. Der Wunsch, egal, wo man fragt: mehr Personal, und zwar dringend.