Eichstätt
Der Heimaturlaub fühlt sich seltsam an

16.05.2011 | Stand 03.12.2020, 2:49 Uhr

Fremd und doch vertraut fühlte sich gestern für Michael Kreitmeir der Spaziergang durch Eichstätt, hier vor St. Walburg an. Für ihn ist Sri Lanka längst seine erste Heimat geworden - Foto: chl

Eichstätt (DK) Nach Haft, Folter und Todesangst: Der Eichstätter Entwicklungshelfer Michael Kreitmeir, dessen schlimmes Schicksal auf Sri Lanka vorigen Sommer bundesweit für Aufsehen sorgte, ist jetzt überraschend auf Heimaturlaub in Eichstätt. "Das fühlt sich sehr seltsam an."

Seit zwölf Jahren engagiert sich der 50-Jährige mit ganzer Kraft für das von ihm gegründete Kinderdorf "Little Smile" und andere Projekte, die Kindern in dem von Bürgerkrieg und Naturkatastrophen zerrüttetem Land eine bessere Zukunft versprechen. Dafür hat der ehemalige TV-Journalist seine Sicherheit und sein Familienleben in Eichstätt aufgegeben.

Im August 2010 brach für den Eichstätter dann die Hölle auf Erden los: Ein korrupter tamilischer Minister, auf dessen Forderung Kreitmeir, bedrohte Kreitmeir an Leib und Leben, ließ ihn verhaften und misshandeln. Kreitmeir kam letztlich dank der öffentlichen Anteilnahme der Medien, angekurbelt auch durch unsere Zeitung, und hoher Diplomatie wieder frei.

Jeder andere halbwegs vernünftige Mensch hätte wohl spätestens da im Dezember 2010 sofort auf Nimmer-Wiedersehen das Land verlassen. Nicht so Michael Kreitmeir: "Ich bin für so viele Kinder dort verantwortlich. Deren Leben hängt an meiner Person. Ich bin so weit gegangen, ich kann nicht mehr zurück in ein normales Leben", sagte er gestern beim Besuch in der Eichstätter Redaktion. Es war lange fraglich, ob ihn Sri Lanka nach einer Ausreise wieder reinlassen würde. Jetzt, für zehn Tage, hier in seiner Vaterstadt Eichstätt zu sein, über den Marktplatz zu spazieren, oder gleich unmittelbar nach seiner Ankunft in Denkendorf eine Maiandacht mitzufeiern, das fühlt sich für Kreitmeir sehr seltsam an: So vertraut, und doch so fremd.

Er vermisst seine abendländische Kultur, doch Sri Lanka ist längst seine erste Heimat geworden: "Dort werde ich gebraucht, dort kann ich helfen", erklärt er. Kreitmeir ist überzeugt davon, dass dort sein Platz ist. "Ich weiß, dass das, was ich tue, wichtig und richtig ist."

Kreitmeir weicht nicht zurück, obwohl er Ende März erneut bedrängt und überfallen wurde. "Es gibt keine Gewissheit und keine Sicherheit in diesem Land." Doch gerade, dass er trotzdem den Menschen dort ein Gegenmodell mit Werten wie Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit, Respekt und Unerschrockenheit bieten kann, das ist seine Motivation.

Und genau deshalb kann Kreitmeir, obwohl gesundheitlich immer noch angeschlagen, auch auf seinem Heimaturlaub nicht rasten, nicht ruhen.

Er will seinen Unterstützern danken, und er hat seine zehn Tage in Deutschland vollgepackt mit Terminen, in denen es darum geht, seine Projekte zu unterstützen, zum Beispiel den Gewürzhandel voranzubringen: "In zwei Jahren soll sich das Kinderdorf damit über Wasser halten können". Zu allererst aber ist der Heimaturlaub eine spontane und persönliche Entscheidung: Vor fünf Tagen erst, so erzählt Kreitmeir gestern, habe er einem sterbenden alten Mann die Hand gehalten und dabei an seinen bald 85-jährigen Vater in Eichstätt gedacht. Da sei ihm klar geworden: "Der Zeitpunkt wird nie besser, es passt nie wirklich, keiner weiß, was morgen ist." Also ist er jetzt nach Deutschland geflogen. Und obwohl ihm der Abschied von seiner Familie hier nächste Woche sicher schwerfallen wird, weiß er: "Es ist nur ein Besuch hier, ich muss zurück." Heim nach Sri Lanka.