Diedorf
Raus aus dem Klassenzimmer

Das neue Gymnasium in Diedorf bei Augsburg geht nicht nur architektonisch, sondern auch pädagogisch neue Wege

01.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Foto: Daniel Wenisch

Diedorf (DK) Das neue Gymnasium in Diedorf (Landkreis Augsburg) ist eines der größten Holzgebäude in Deutschland. Aber nicht nur seine Konstruktion macht es besonders: Auch das damit umgesetzte Lernkonzept soll ein Vorbild sein. Im kommenden Schuljahr geht der Betrieb dort los.

Noch hat Günter Manhardt sein Büro in einem kleinen Container. Großer Komfort oder gar Modernität sind hier nicht zu erkennen. Doch das wird sich bald ändern: In den kommenden Wochen bekommt Manhardt einen neuen Arbeitsplatz, über den er mit leuchtenden Augen berichtet. Spätestens zum Ende der Sommerferien in knapp zwei Wochen wird sein Schreibtisch umziehen – in „das modernste Schulgebäude Deutschlands“, wie er betont.

Manhardt ist Schulleiter des Schmuttertal-Gymnasiums in Diedorf in der Nähe von Augsburg. Seit der Gründung vor fünf Jahren ist die Schule provisorisch in der Mittelschule untergebracht. Mit jedem neuen Jahrgang wuchs die Raumnot, immer neue Container wurden hinzugefügt, um die Klassen unterzubringen. Nun folgt nach zwei Jahren Bauzeit endlich der Umzug in die eigenen vier Wände.

Die sind hochmodern – und aus Holz. Ob es sich tatsächlich um den größten Holzbau Deutschlands handelt, wie es unter anderem auf der Gymnasiums-Homepage heißt, da ist sich der Schulleiter dann doch nicht so sicher. Auf jeden Fall sei es eines der größten Holzgebäude im Land, bestätigt die Deutsche Bundesstiftung Umwelt, die den Bau fördert und als Vorzeigeprojekt deklariert. Der Bau zeige auf einzigartige Weise, welche Möglichkeiten es gebe, mit Ressourcen schonend umzugehen, betont ein Sprecher.

Auch Schulleiter Manhardt gerät ins Schwärmen: „Wissen sie, wie lange es dauert, bis das Holz, das verbaut wird, in ganz Bayern wieder nachgewachsen ist“, fragt er: „Fünf Minuten!“ Zudem sei die Energiebilanz des Baus, der eigentlich aus vier zusammenhängenden Gebäuden besteht, durch den Einsatz modernster Technik einzigartig. „Die neue Schule ist ein Passiv-Plus-Haus. Das heißt, das Gebäude liefert über das Jahr mehr Energie, als es verbraucht. Das hätte bei einem Holzbau in dieser Größenordnung bis vor Kurzem niemand für möglich gehalten“, sagt er.

Innovativ ist aber nicht nur die Holzbauweise. Auch das Lernkonzept ist aus Sicht des Rektors ein Meilenstein. Bisher seien 80 Prozent des Unterrichts an deutschen Gymnasien Frontalunterricht. Dieser Wert solle durch den Neubau, in dem einmal 900 Kinder zur Schule gehen sollen, auf höchstens 50 Prozent gesenkt werden.

Dazu geht das Schmuttertal-Gymnasiums auch architektonisch neue Wege. In dem etwa 40 Millionen Euro teuren Neubau liegt vor jeweils drei Klassenzimmern, die sich vier Klassen einer Jahrgangsstufe teilen, ein etwa 100 Quadratmeter großer freier Raum, der sogenannte Campus.

Dieser verfüge über ein Mehrangebot an Arbeitsorten und -materialien, die dort ausgelegt sind, erklärt Karin Doberer von der pädagogischen-architektonischen Fachberatung Lernlandschaft, die das Konzept gemeinsam mit der Schule entwickelt hat: „Lehrer und Schüler definieren sich nicht über eine bestimmte Klasse, sondern über eine Jahrgangsstufe.“ Die Kinder sollen sich möglichst häufig im gemeinsamen Raum aufhalten, in Gruppen arbeiten und so neben sozialer Kompetenz auch lernen, eigenständig Problemlösungen für Aufgaben zu suchen. Alles ist darauf ausgerichtet, dass sich unterschiedliche Klassen nicht mehr abschotten, sondern gemeinsam lernen. Türen gibt es zwar, die sollen aber die meiste Zeit offen stehen.

Auch Schulaufgaben sollen künftig in mehreren Klassen parallel und mit den gleichen Aufgaben geschrieben werden, wie Manhardt erklärt und dann hinzufügt: „Die Lehrer müssen künftig enger zusammenarbeiten. Ziel ist es aber, dass die Lehrer nicht mehr überwiegend frontal unterrichten, sondern in immer stärkerem Maße als Unterstützer beim selbstständigen Lernen auftreten.“