Die Uefa hält Dachau für ein Nazi-Symbol

25.10.2010 | Stand 03.12.2020, 3:32 Uhr

Dachau (DK) Es herrscht Aufregung in Dachau. Der Grund ist wieder einmal die braune Vergangenheit der Stadt. Der Anlass ist zwar schon fünf Monate alt, aber erst kürzlich bekannt geworden: Beim Champions-League Endspiel des FC Bayern gegen Intern Mailand in Madrid hatte die Europäische Fußball-Union (Uefa) einem Dachauer Fanclub des FC Bayern untersagt, sein Transparent aufzuhängen. Der Grund des Verbots: die Aufschrift "Dachau City 1995". Der Name der Stadt könnte nach Ansicht der Uefa als Symbol des Nazi-Terrorregimes verstanden werden.

Kurz nach der Machtübernahme im Jahr 1933 hatten die Nationalsozialisten in Dachau das erste Konzentrationslager errichtet. Mehr als 40 000 Menschen kamen dort bis zum Kriegsende 1945 ums Leben. Auf dem KZ-Gelände wurde 1965 eine Gedenkstätte eingerichtet. Heute zählt die Einrichtung 800000 Besucher pro Jahr.

In der vergangenen Woche hat der Dachauer Landtagsabgeordnete Bernhard Seidenath (CSU) ein Schreiben an den französischen Uefa-Präsidenten Michel Platini verfasst, das Dachaus Oberbürgermeister Peter Bürgel (CSU) wortgleich übernahm. Die beiden verweisen darauf, dass Dachau "längst zum Gedenkort geworden ist, der die Erinnerung an die unglaublichen und jedes menschliche Fassungsvermögen übersteigenden Verbrechen der Nazi-Diktatur wachhält." Die Botschaft, die von Dachau ausgehe, heiße "Nie wieder!" Das habe die Uefa nicht zur Kenntnis genommen: "Es geht um das Selbstverständnis und die Reputation einer ganzen Stadt sowie eines gesamten Landkreises." Seidenath und Bürgel laden Platini ein, Dachau zu besuchen und sich selbst ein Bild von der Stadt zu machen. Im Gespräch mit dem DONAUKURIER sagte Seidenath, dass er die Sache nicht auf sich beruhen lasse: "Wir werden in den nächsten zwei Wochen bei Herrn Platini nachhaken."

Nicht jeder in der Stadt teilt Seidenaths und Bürgels Sicht der Dinge. Elisabeth Schilhabel, eine fraktionslose Stadträtin, meldete sich mit einer Presseerklärung zu Wort, in der sie das Verhalten der zwei Politiker "beschämend" nannte. Weiter vergleicht sie die historische Rolle Dachaus mit Auschwitz und schreibt dann: "Die beiden Städte stehen symbolisch für die Gräueltaten der Deutschen, und es ist nur zu verständlich, dass die Uefa und die Besucher eines Fußballstadions ein natürliches Empfinden für diese Geschmacklosigkeit auf einem Transparent in einem Fußballstadion haben." Schilhabel erwarb sich mit dieser Haltung keine Freunde im Dachauer Stadtrat; die FDP forderte gar, sie aus dem Gremium auszuschließen.

Allerdings scheint inzwischgen auch die besagte Fangruppe "Dachau City 95" nach ihrer Position zu suchen. Einer Interviewanfrage dieser Zeitung stimmte sie erst freudig zu: "Wir würden es sehr begrüßen, wenn Herr Seidenath auch beim Gespräch mit dabei wäre." Um dann 24 Stunden später mit folgender Begründung abzusagen: "Wir sehen keinen Grund, mit Landtagsabgeordneten – egal welcher Parteizugehörigkeit – ein Interview zu geben." Seidenath reagierte darauf verblüfft, betonte schließlich aber, dass es ihm nicht nur um den Umgang mit einem Fanclub, sondern um den Landkreis gehe.

Die Dachauer Bayern-Fans waren übrigens in Madrid nicht zum ersten Mal Opfer der Ordnungsdienste: Bei einem EM-Qualifikationsspiel in San Marino im Jahr 2006 wurde ihr Banner vom Sicherheitsdienst ebenfalls entfernt. "Auf Nachfrage wurde uns mitgeteilt, dass der Stadtname Dachau einen nationalsozialistischen Hintergrund und deshalb in einem Fußballstadion nichts zu suchen habe", erzählt Sebastian Kölbl, ein Mitglied der Gruppe.

Den FC Bayern scheint die Aufregung nicht weiter zu kümmern, obwohl Seidenath eine Kopie des Schreibens an Klub-Chef Karlheinz Rummenigge geschickt hat. Kölbl berichtet: "Den einzigen Kontakt gab es in Madrid, als uns der Fan-Beauftragte des FC Bayern, Raimond Aumann, mitgeteilt hat, dass der Name Dachau, so wie er auf der Fahne zu erkennen ist, auf Anweisung der Uefa nicht stehen bleiben kann." Seitdem habe man nichts vom FC Bayern gehört.

Auch Rainer Koch, der Präsident des Bayerischen Fußball-Verbandes, der ebenfalls von Seidenath informiert wurde, hält sich bislang bedeckt. Er müsse den Vorgang erst prüfen, bevor er ihn kommentiere, ließ er auf Anfrage wissen. Seidenath wollte dies nicht als Distanzierung werten: "Ich bin sicher, Herr Koch wird sich unserer Sicht der Dinge anschließen, wenn er sich mit der Materie befasst hat."

Inzwischen hat sich auch das Bayerische Fernsehen der Sache angenommen. Gestern Nachmittag war ein Team des BR-Magazins "Kontrovers" im Dachauer Rathaus, Bürgel und Seidenath wurden ausführlich zu dem heiklen Fall befragt. Der Beitrag wird am Mittwoch Abend um 21.15 Uhr im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt.