Zuchering
Jeder Handschlag ein Geschäft

Pferdemarkt in Zuchering ist die letzte regelmäßige Veranstaltung dieser Art in Süddeutschland

10.04.2018 | Stand 02.12.2020, 16:35 Uhr
Will mich hier wirklich keiner kaufen? Auf dem monatlich stattfindenden Zucheringer Pferdemarkt sind neben Eseln, Mulis und Ponys auch rassige Reittiere zu sehen. −Foto: Richter

Zuchering (DK) Der Ingolstädter Pferdemarkt in Zuchering ist die letzte regelmäßige Veranstaltung dieser Art in Süddeutschland. Der Ursprung liegt in München, dazwischen fand er in Miesbach statt. Wer ein Reittier sucht, sollte mal dort vorbeischauen.

Die Luft ist noch kalt, auch wenn die Morgensonne das Gelände in trügerisch warmes Licht taucht. Es ist eben erst Anfang April und nicht Sommer, trotz angenehmer Temperaturen tagsüber. Der Auftrieb in der Zucheringer Donauhalle direkt an der B16 beginnt in aller Frühe, während die sonst stark frequentierte Bundesstraße sich noch wie leergefegt präsentiert. Autos mit Anhängern rücken an, dazwischen große Transporter mit Heckklappen wie große Münder. Nach und nach spucken sie Pferde aus - große, kleine, manche mit Zöpfen in den Mähnen, ein Tinker-Kaltblüter trägt einen Schnurrbart. Noch sind die Tierbesitzer unter sich. Hier ein freudiges "Griasdi nachher", dort ein "Guten Morgen, wie geht's?" - man kennt sich. Viele kommen regelmäßig an den südlichen Stadtrand von Ingolstadt, wo seit gut zwei Jahren der letzte regelmäßige Pferdemarkt Süddeutschlands stattfindet. Immer am ersten Samstag im Monat, das ganze Jahr über. Nur im Januar nicht.



Wer hier mit Pferd rein möchte, muss freilich erst an der amtlichen Tierärztin vorbei. Die Einlasskontrolle gehört zur Pflicht. Die Veterinärin Karola Mittag nimmt jedes Reittier genau in Augenschein, wirft einen Blick in den Equidenpass, wie sich das Identitätsdokument nennt, und prüft, ob augenscheinlich irgendwelche Krankheiten vorliegen. "Ein Tier mit Hautpilz oder Druse muss draußen bleiben", sagt sie. Druse nennt sich eine Pferdekrankheit, ein Infekt der oberen Atemwege. Die Ansteckung erfolgt im direkten Kontakt, quasi von Maul zu Maul oder von Nüster zu Nüster. 56 Tiere sind es an diesem Samstag, Beanstandungen gibt es keine.

Die Veranstaltung läuft recht zwanglos ab, anders als bei einer Auktion stellt niemand die Tiere einzeln vor. Die Ponys stehen auf der Ostseite der Halle, die großen Sport- und Freizeitpferde in Boxen in der Mitte, dahinter drei Esel. An der Westwand geht es gemischt zu, groß und klein. "Frederico" ist darunter, ein Muli mit rötlichem Fell. Er gehört Tobias Kurz aus Mainburg, ein großer, gemütlich wirkender Mann mit Bart und Käppi auf dem Kopf. Warum er das schöne Tier verkauft? "Er mag mich nicht", sagt er. "Mulis suchen sich ihren Menschen aus, mit uns funktioniert es nicht." Ein Freund hat dem Mainburger von dem Markt erzählt.

Gut zwei Jahre gibt es die Veranstaltung bereits, und es ist nicht irgendein beliebiger Pferdemarkt. Seine Ursprünge liegen in München, wo seit 1883 regelmäßige Rossmärkte stattfanden. Über Miesbach kam er im Februar 2016 nach Ingolstadt-Zuchering (siehe Kasten). Einer, der den Markt noch aus Münchner Zeiten kennt, ist Franz Lürwer, obwohl er ganz woanders herstammt. Der Westfale hat seinen Hof in Nordwalde bei Münster, ein leutseliger Mann, wie die Menschen dort eben sind. Über 30 Jahre schon fährt er nach Bayern, oft mit 15 oder 20 Pferden, manchmal mit mehr. Nach Ingolstadt sind es 650 Kilometer, doch es scheint sich zu lohnen. "Hier ist mehr Geld da als bei uns", sagt der Westfale. "Aber die Leute sind anders, es dauert lange, bis man ihr Vertrauen gewonnen hat. Wenn sie dich mal akzeptiert haben, dann ist es wirklich gut."

Zwischen den vielen Hufen läuft Harlekin-Pudeldame "Cosima" ein wenig ängstlich herum. Dabei passt ihr "Frauchen" Anneliese Aumer aus Greding gut auf sie auf. Die Frau mit dem roten Hut ist regelmäßiger Gast in Zuchering, "weil mein Lebensgefährte ein richtiger Pferdenarr ist". Sie würde sich ergänzende Angebote neben dem Pferdemarkt wünschen - "ein Flohmarkt, das wär's doch und würde die Besucher anziehen". Zu wenig attraktiv findet Jürgen Eberhard den Markt, er hält Schafe und Ziegen und ist aus Franken gekommen. "Hier gibt es nicht mal Pferdewurst, das hätte ich schon gern."

Dafür hat er etwas anderes entdeckt: den Stand von Andrea Degen aus Hohenried im Schrobenhausener Land. Die Bäuerin verkauft Gelbe Rüben, den Sack für fünf Euro, und bringt auf Bestellung auch mal Kartoffeln oder Rote Rüben mit. "Wir waren früher 17 Jahre lang beim Münchner Markt dabei, aus alter Tradition kommen wir jetzt nach Zuchering", sagt sie. Gegenüber steht Hans Nehr aus Weilheim und bietet Reitsportzubehör an. Die Geschäfte laufen an diesem Samstag nicht so gut, "aber das hier dient auch der Kontaktpflege". Dietmar Kramer aus Nürnberg verkauft selbst gefertigte Rosenholzpeitschen und sieht es ähnlich. Ein paar Meter weiter stehen kleine Kutschen zum Verkauf.

Immer wieder fällt der Name München. Das Flair dort und so weiter. "Da war immer richtig was los", erinnert sich Pferdefreundin Martina Germeier aus Anzing. Von 1990 an war sie regelmäßig dabei. Und in Zuchering? Alles sauber und ordentlich, klar, aber es fehlt etwas.

Ganz so schlecht kann es nicht sein, sonst würde sich der Markt nicht schon zwei Jahre halten. Und doch: Philipp Reiners weiß als Geschäftsführer der Veranstalter von der Einkaufs- und Liefergenossenschaft der Viehkaufleute in Bayern natürlich, dass Zuchering mit dem Ambiente der früheren Viehhalle in der Landeshauptstadt nicht mithalten kann. "Als wir damals nach Miesbach umgezogen sind, haben sie uns mit offenen Armen empfangen." Die Hallenmiete war aber zu hoch geworden, deshalb jetzt Ingolstadt. "Noch nie hatten wir so viele Probleme wie hier, was das Ordnungs- und Gewerbeamt angeht", sagt er. Sehr unpersönlich alles. Kontrolleure seien erschienen, ohne sich vorzustellen oder wenigstens Grüß Gott zu sagen. Danach flatterte ein Schreiben ins Haus. "Da sind uns Auflagen gemacht worden, als würde die Halle uns gehören." Wirklich willkommen fühlte die Genossenschaft sich jedenfalls nicht. "Die Vertreter vom Veterinäramt sind aber wirklich super, da machen wir nur gute Erfahrungen", sagt Reiners. Der Zweckverband Donauhalle als Eigentümer sei ebenfalls "sehr hilfreich".

Das ist die eine Seite. Auf der anderen wissen die Veranstalter natürlich, dass es noch Luft nach oben gibt, was Zusatzangebote betrifft. Vergangenen Dezember hatten sie den Nikolaus kommen lassen, das war schon mal was. "Die Sache mit dem Flohmarkt wäre schon gut", findet Reiners. Die starken Monate - Mai und Juni - stehen an, vielleicht werden es mal wieder 70 oder 80 Pferde an einem Tag.

Der vergangene Samstag ist bereits sehr positiv, für Kinder bedeuten die vielen Tiere immer ein Erlebnis. Cornelia Czirok und Steffen Fuchs aus Gerstetten bei Heidenheim schauen sich nach einem Shetland-Pony um. Mit dabei ist Jack-Russell-Terrier "Emma"; die Hündin sucht neugierig den Kontakt mit den Eseln. Das Paar war vom Start weg in Zuchering dabei und mag die Atmosphäre. "Anfangs waren wir die Außenseiter. Aber du lernst hier schnell viele Händler und andere Leute kennen, und es entstehen sogar richtige Freundschaften", sagt Steffen Fuchs. "Das ist es, was uns hier so gut gefällt."