Eichstätt
"Ich mache mich nicht vom Acker"

Tritt Eichstätts Bischof zurück?

23.02.2018 | Stand 02.12.2020, 16:46 Uhr

Über Rücktrittsgedanken sprach Bischof Gregor Maria Hanke am Freitag mit unserem Redakteur Marco Schneider. - Foto: Taiber-Groh/pde

Eichstätt (DK) Eichstätts Bischof Gregor Maria Hanke spricht im Interview über die Rücktrittsforderungen und seine Beziehung zu einem Beschuldigten.

Herr Bischof, Sie haben auf der Tagung der Bischofskonferenz in Ingolstadt Ihre Situation und die des Bistums ausführlich dargestellt. Fühlen Sie sich gestärkt?

Bischof Gregor Maria Hanke: Die Bischofskonferenz hat das Thema des Umgangs der Kirche mit Geld sehr konstruktiv aufgegriffen. Wir müssen uns die Frage stellen, auf welche Standards wollen wir uns selbst verpflichten, damit wir das Vermögen der Kirche transparent verwalten können. Das beinhaltet auch die Trennung der operativen Ebene von den Aufsichtsinstrumentarien, das muss konsequent durchgeführt werden. Wenn hier, da und dort nostalgische Rufe nach einer Rückkehr zur guten alten Zeit vernehmbar werden, dann ist das ein kontraproduktiver Weg. Zum Beispiel die Situation in manchen Ordinariaten, wo Domkapitel und Ordinariatskonferenzen noch sehr stark miteinander verwoben sind. Das ist kein Zukunftsmodell. Man kann nicht Vorstand und Aufsichtsrat zugleich sein wollen, so geht es nicht. Da wird man daran arbeiten müssen, da hat die Bischofskonferenz klare Perspektiven, wie die Verwaltung aufgestellt werden soll.

 

Sie sind erst Tage nach dem Bekanntwerden des Skandals in die Öffentlichkeit gegangen. Das ist auch auf Kritik gestoßen.

Hanke: Das war so abgesprochen, auch mit den Rechtsanwälten, die bei Krisenmanagement sehr gute Erfahrung haben. Die haben mir dringend geraten, bei der Pressekonferenz nicht dabei zu sein. Ich bin am Tag danach zu einer Pfarrvisitation gefahren und seither immer wieder öffentlich aufgetreten und präsent gewesen. Ich habe doch versucht, offensiv dieses Thema anzugehen.

 

Von vielen Menschen wird offen Ihr Rücktritt gefordert.

Hanke: Dieses Thema hat mich schon viel länger beschäftigt. Ich bin seit über eineinhalb Jahren mit Nachdruck mit den Juristen und Wirtschaftsprüfern an der Aufklärung des Falls dran. Als sich die Anfangsverdachtsmomente immer mehr erhärtet haben, hat dieser Weg schließlich zu einem Abgrund hingeführt, der mich hat erschaudern lassen. Natürlich kam da die Frage auf: Kannst du unter solchen Umständen noch Bischof sein? Hier ist doch so viel Vertrauen zerstört worden. Musst du nicht einen Schlusspunkt setzen und zurücktreten? Ich habe in diesem Diskurs gemerkt, verantwortlich handeln heißt nicht, sich vom Acker machen, sondern diesen Weg der Aufklärung und Umstrukturierung weiterzugehen, den Weg, der ein schwerer Weg sein würde. Das wurde mir prognostiziert.

 

Haben Sie gewusst, dass er so schwer wird?

Hanke: Aus der Anwaltskanzlei hieß es: "Sie werden sich wundern. Sie werden ins Zielfernrohr kommen und man wird nicht mehr unterscheiden, dass sie der Aufklärer sind. Wollen Sie aufklären" Ich wollte.

 

Die Menschen vermissen auch ein Wort der Entschuldigung.

Hanke: Ich weiß nicht, auf welcher Basis diese Forderung gestellt wird. Ich habe einen Hirtenbrief geschrieben, mit dem ich meine Betroffenheit und meine Beschämung zum Ausdruck bringe. Ich unterlasse keine Gelegenheit mich zu positionieren. Natürlich bin ich nicht das jüngste Gericht und ich kann auch kein letztendliches Urteil vorwegnehmen. Aber dass diese ganze Angelegenheit skandalös und beschämend ist, ist keine Frage.

 

Wäre eine innerkirchliche Aufarbeitung jenseits der strafrechtlichen Instanzen, beispielsweise durch eine externe Kommission, angebracht?

Hanke: Mit dem Zeitpunkt der Übergabe der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft hat ausschließlich sie das Heft des Handelns in den Händen. Es steht keinem zu, hier in dieses laufende Verfahren irgendwie einzugreifen.

 

Hatten Sie Kontakt mit den vatikanischen Behörden?

Hanke: Es gab einen Brief von Kardinal Stella, dem Präfekten der für Vermögensfragen zuständigen Kleruskongregation. Er hat seine mitbrüderliche Solidarität zum Ausdruck gebracht und mich ermuntert, die ergriffenen Maßnahmen konsequent weiterzuführen, denn allein das sei der richtige Weg in die Zukunft zu gehen.

 

Stichwort Verantwortlichkeiten: Es fehlen 50 Millionen Euro. Wie ist das mit der Haftungsfrage?

Hanke: Diese Frage müssen unsere Juristen beantworten, sie sind auch zugange. Wir werden schon versuchen, wenn irgendwie möglich, etwas zurückzuerhalten. Es ist aber momentan zu früh, das zu thematisieren.

 

Sie kennen einen der beiden Beschuldigten aus Studienzeiten. Er hat dann eine vakante Stelle in der Finanzkammer übernommen.

Hanke: Ich war damals von Plankstetten aus im Studium in Würzburg, er als Zisterziensermönch im Studium. Von daher kennen wir uns. Ich bin dann nach Plankstetten zurückgekehrt, er hat schließlich das Kloster verlassen und hat den Weg in die Wirtschaft genommen. Die Wege haben sich verloren. Als ich dann Bischof von Eichstätt war, ist er hier zu Tagungen des Bundes Katholischer Unternehmer gekommen. Er war in der Zwischenzeit führender Manager einer renommierten internationalen Bank. Bei der Gelegenheit kam auch sein Angebot, wenn die Diözese Bedarf hätte, über das Vermögen zu schauen, dann könnte er mal einen Blick drauf werfen. Ich habe der Finanzkammer dieses Angebot mitgeteilt. Es lag im Ermessen der Finanzkammer, davon Gebrauch zu machen. Er hat von der Bank aus, das war vertraglich geregelt, als deren Mitarbeiter Vermögensfragen des Bistums behandelt. Nach einiger Zeit sollte der Posten des zweiten Finanzdirektors wieder besetzt werden. Die Stelle wurde ausgeschrieben, es gab ein Dreiergremium, das die Bewerbungen zu beurteilen hatte. Da war ich nicht dabei, das Gremium hat sich für ihn entschieden.


Und der Kontakt blieb.

Hanke: Er war Mitarbeiter. Natürlich hat man einen gewissen Grundkontakt, aber es war kein auffälliger.

 

Im Kirchenrecht heißt es, dass man das Vermögen mehren soll. Ich gehe davon aus, dass es keine Weisungen gab, das Geld mit einer hohen Rendite anzulegen.

Hanke: Wir hatten zu der Zeit einen Katalog mit ethischen Anlagen. Wir haben uns orientiert an der amerikanischen Bischofskonferenz, die da viel Vorarbeit geleistet hat. Aber diese ethischen Anlagerichtlinien werden nun ergänzt mit Vorsichtskautelen. Ethische Anlagen allein sind ja noch keine Gewähr, für ein sicheres und erfolgreiches Wirtschaften.


Wie ist die Stimmung unter den Mitarbeitern im Ordinariat?

Hanke: Ich habe keine Umfrage gemacht, aber ich kann mir schon vorstellen, dass die Stimmung unter den Mitarbeitern von Betroffenheit bis hin zum Zorn reicht, zur Verärgerung. Man muss sich auch vorstellen: Viele der Mitarbeiter werden zu Hause gefragt, auch solche die von ihrer Abteilung her nicht betroffen sind. Sie werden in der öffentlichen Meinung ein Stück weit in eine Mithaftung für das Ordinariat genommen, und das ist für viele nicht angenehm. Deswegen war es mir ein großes Anliegen, am Donnerstag mit den Mitarbeitern zusammenzukommen und Fragen offen zu beantworten.

 

Kommende Woche beginnt die Caritassammlung. Ihr Caritasdirektor hat vorausgesagt, dass die Sammler als "Blitzableiter" dienen werden.

Hanke: Dieser Finanzskandal ist natürlich ein Super-GAU auch im Hinblick auf die Sammlung der Caritas. Ich habe immer wieder erwähnt, wie schrecklich ich das für die Ehrenamtlichen finde, die sich jetzt auf die Straßen begeben, um für einen wirklich guten Zweck zu sammeln und hier von vielen mit Sicherheit die volle Breitseite abbekommen. Es ist wichtig, die Zwecke transparent zu machen. Da ist die Caritas bemüht. Die Zwecke bleiben unterstützenswert.

 

Der Skandal hat das Ansehen der Kirche enorm geschädigt. Sie wollen aber dennoch Vertrauen wieder gewinnen.

Hanke: Ja, durch Gespräch und Dialog. Ich werde in den nächsten Wochen viel unterwegs sein zu Pfarrvisitationen. Ich werde die Mitbrüder, die hier im Ordinariat in der Verantwortung stehen, ermuntern, in diesen Dialog einzutreten - in dem auch Ärger, Zorn und Enttäuschung Platz finden müssen.

 

Das Gespräch führte

Marco Schneider.