Ingolstadt
Traditionsbewusste Kulinarik und neue Einflüsse

100 Jahre Freistaat: Bayerisches Essen

05.06.2018 | Stand 02.12.2020, 16:17 Uhr
Genuss und Klischee in einem: Die Münchner Weißwurst steht zusammen mit einigen anderen Speisen sinnbildlich für die bayerische Küche. −Foto: Schrader/dpa

 Ingolstadt (DK) Kaum eine andere Küche steht so sehr für deutsche Gemütlichkeit wie die bayerische. Doch muss es immer fettig und deftig sein? Nein. Obwohl die traditionellen Gerichte sicher nie aussterben werden, verändern sich auch im Freistaat die Essgewohnheiten.

Zugegeben: So mancher Klassiker der mediterranen Küche hat es in Bayern zu beachtlicher Wertschätzung gebracht. Pasta, Pizza und Gyros sind aus der täglichen Ernährung kaum noch wegzudenken. Doch warm ums Herz wird es vielen nur bei traditioneller Hausmannskost - und das gilt nirgends so sehr wie im Freistaat. Die bayerische Küche lässt sich wohl am ehesten mit einem Zitat des Fernsehmoderators und Kochbuchautors Alfred Biolek beschreiben: "Mein Küchenmotto: Vom Einfachsten das Beste."

Und tatsächlich sind die meisten traditionellen Gerichte im allerbesten Sinne des Wortes bodenständig. Ähnliches gilt für das "Bayerische Kochbuch". Es erscheint seit mehr als 80 Jahren, seine Vorläufer reichen noch weiter zurück. Heute zeichnet der Medizinprofessor Helmut Lydtin für das Buch im wohlbekannten blauen Einband verantwortlich. "Traditionelles bayerisches Essen ist für mich Teil der Heimat", sagt Lydtin. Er koche jeden Abend. Sein Lieblingsgericht? "Ein wirklich guter, richtig gebratener Schweinsbraten mit Semmelknödel und einer leckeren Soße - bei einem Bajuwaren ist das die erwartungsgemäße Antwort", so Lydtin mit einem Lachen. Doch auch bayerischer Spargel und dazu "mindestens zweierlei Schinken" haben es ihm angetan.

Der 82-jährige - noch immer aktive - Mediziner ist sich aber bewusst, dass die bayerische Küche wie jede andere einem stetigen Wandel unterliegt. "Es wird immer Veränderungen geben", sagt Lydtin, um dann ein großes Aber anzufügen: "Ich glaube auch, dass sich genauso immer eine gewisse Grundtradition erhalten wird." Diese Einstellung zum Geschmack der Heimat sieht man auch dem in 56. Auflage erscheinenden "Bayerischen Kochbuch" an. Am Erscheinungsbild wurde in all den Jahren nur sehr behutsam Hand angelegt. Und dennoch: "Das Buch ist lebendig, manche Gerichte haben wir herausgenommen, neue kamen dazu", erklärt Lydtin. Unter den rund 1700 Rezepten finden sich beispielsweise keine Kutteln mehr. "Die muss man schon mögen - obwohl Kutteln bis in die 30er-Jahre sicher ein klassisches Gericht waren", gibt Helmut Lydtin recht offenherzig zu.

Speisen der bayerischen Küche sind heute zu einer Art Aushängeschild gesamtdeutscher Kulinarik geworden. Abgesehen davon, dass in Wahrheit jede Region der Bundesrepublik eigene Gerichte und Spezialitäten hat, sind Würstl und Haxen tatsächlich Teil eines Klischees. Denn dass man bayerische Kost auch anders interpretieren kann, zeigt der Ingolstädter Michael Olma. Der Rechtsanwalt betreibt den Internetblog www.extraprimagood.de und befasst sich dabei mit Genusskultur. "Und die muss nicht immer klassisch, darf aber gerne regional sein. Denken Sie etwa an einen guten, regionalen Döner mit Altmühltaler Lamm", sagt Olma. Die Weltküchen hätten schon lange in die hiesige Kochtradition Einzug gehalten, was grundsätzlich zu begrüßen sei. "Es lebe die Vielfalt", lautet sein Credo.

Doch egal, ob international inspiriert oder doch klassisch-traditionell: Wichtig ist Olma beim Essen vor allem, dass die Grundsätze der Slow Food-Bewegung zum Tragen kommen: sauber, gut, fair. "Es sollte gut schmecken, die Zutaten müssen durch verantwortungsbewusste Landwirtschaft und traditionelles Handwerk produziert sein und an der Herstellung sollten alle Beteiligten ein gutes Auskommen haben", erklärt Olma. So sei es früher überall in Bayern gewesen, die Erzeugung von Lebensmitteln habe eben gedauert - "Gut Ding braucht Weile" - und Sorgfalt erfordert, das ist die Idee hinter dem heutigen Begriff Slow Food. "Wichtig sind zudem Saisonalität und Regionalität- darauf muss moderne bayerische Küche basieren", findet Olma. Auf die Spitze getrieben, ist also zu dieser Jahreszeit Spargel mit einem Bärlauchpesto als klassisch bayerische Kost denkbar. "Und ein bayerischer Schweinsbraten sollte auch von einem artgerecht gehaltenem bayerischen Schwein kommen und nicht von einem niedersächsischen."

Einer der echten Klassiker, die man in Bayern zu sich nehmen kann, ist die Brotzeit. Die kleine Zwischenmahlzeit - ob nun als Slow Food oder nicht - ist selten im Rampenlicht, gehört aber auf jeden traditionsbewussten Speiseplan. Der Begriff ist ein durch und durch altbayerischer. In Schwaben und Franken spricht man von einer Vesper, in Österreich eher von einer Jause. Ein kräftiges Brot, etwas Wurst und Käse, vielleicht noch ein paar würzige Gurken oder einen Radi - mehr braucht es nicht. Für manch einen gehört zum Genuss noch ein Bier nach dem bayerischen Reinheitsgebot dazu. Aber das ist eine andere Geschichte. Lesen Sie in der nächsten Folge:
Neben der Lederhose ist vor allem das Dirndl der Inbegriff bayerischer Tracht - und nicht selten ein echter Blickfang.