Notstand im Ehrenamt?

30.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:14 Uhr

Für Vereine und soziale Einrichtungen wird es zunehmend schwerer, Freiwillige zu finden. Es trifft Feuerwehren ebenso wie Krieger- und Soldatenvereine oder Chöre. Beispiele aus der Region zeigen, wo es hakt. Und was helfen kann.

 

DER BESORGTE

 

Ralph Bartoschek macht sich Sorgen: Es sei an allen Ecken und Enden zu spüren, wie das Ehrenamt an Bedeutung verliere, meint der Leiter des Seniorenzentrums und der sozialtherapeutischen Einrichtungen Katharinengarten der Arbeiterwohlfahrt in Ingolstadt. Momentan läuft alles noch bestens, denn Bartoschek kann auf die Unterstützung von 25 Ehrenamtlichen zählen. "Die bringen so viel Wärme ins Haus." Bartoschek ist stolz auf den guten Ruf, den seine Einrichtungen genießen.

Die Freiwilligen tragen seit Eröffnung des Katharinengartens im Jahr 2002 nach besten Kräften dazu bei: "Viele haben damals mit 65 Jahren begonnen, bekommen aber langsam selbst Probleme mit dem Alter", sorgt sich Bartoschek. Ich fürchte, dass bald ein paar wegfallen werden. Aber wir sehen niemanden nachkommen."

Und das, so Bartoschek, werde Einfluss nehmen auf die Atmosphäre im Katharinengarten. "In der Altenpflege wurde so vieles reguliert und standardisiert - da geht einiges flöten." Die Ehrenamtlichen springen da ein, wo die Hauptamtlichen unter Zeitdruck geraten: "Ein Spaziergang, ein Gespräch, eine Umarmung", schildert der Einrichtungsleiter. "Wir machen das auch. Aber es ist etwas anderes mit den Ehrenamtlichen. Wenn die eines Tages weniger werden, dann weiß ich nicht, wie wir das kompensieren können."

Bartoschek engagiert sich selber in einem Sportverein, dem SC Ried (Landkreis Neuburg Schrobenhausen). "Bei uns sind auch Stellen vakant. Man tut etwas für Flüchtlinge - das ist gerade der Hype. Auch punktuell springen die Leute gern mal in die Bresche, helfen dabei, ein Fest zu organisieren. Aber sich übers Kalenderjahr engagieren? Das ist zu verbindlich." Sein Fazit: "Das Ehrenamt ist out."

Was tun dagegen, so fragt er sich? "Im Katharinengarten bringen wir unseren Ehrenamtlichen viel Anerkennung entgegen. Aber wir müssen neue Anreize schaffen." An die Öffentlichkeit zu gehen, sei ein erster Schritt, so Bartoschek.

 

DIE AUFLÖSUNG


Das hat Winfried Schiebel schon mehrmals getan - ohne Erfolg. Der Vorsitzende des VdK-Ortsverbands Pörnbach will sein Amt schon seit zwei Jahren aus gesundheitlichen Gründen niederlegen, findet jedoch partout keinen Nachfolger. Ein Aufruf in der Zeitung hat ebenfalls nichts gebracht: "Es ist traurig, wenn sich für so eine gute Sache wie den VdK so wenig Leute interessieren."

Rund 90 Mitglieder zählt der Ortsverband laut Schiebel aktuell. "20 kamen zur letzten Mitgliederversammlung. Die, die vorgeschlagen werden sollten, tauchten erst gar nicht auf. Nicht einmal einen Stellvertreter haben wir gefunden, obwohl ich von Tisch zu Tisch gegangen bin und gebettelt habe." Winfried Schiebel muss jetzt noch einmal eine Versammlung mit Wahlen einberufen: "Wenn dann wieder kein Vorstand gefunden wird, wird der Ortsverband Pörnbach halt aufgelöst." Ein trauriges Ende, welches das Volksbildungswerk Riedenburg oder den Seniorentreff Dietfurt bereits traf.

 

DER NEUANFANG


Auch dem FC Gerolsbach drohte dieses Schicksal schon. Ein langjähriger Vorsitzender, der sich um alles gekümmert hatte, wollte ausscheiden. Als er angefangen hatte, zählte der Verein gerade einmal um die 20, 50 Mitglieder, inzwischen sind es knapp 1300. Keiner wollte die Verantwortung für so einen Großverein übernehmen. "Die Aufgaben und der Personalaufwand gleichen ja denen eines mittelständischen Unternehmens", erklärt Heiko Krabbe, der neue Mann an der Spitze.

Er und sein Team haben sich jetzt vorgenommen, den FC Gerolsbach zukunftsfähig zu machen. "Viele Vereine stehen vor so einem Wandel und müssen über Alternativen nachdenken. Wir haben uns im Vorfeld der Mitgliederversammlung zusammengesetzt und überlegt, wie wir die Arbeit auf mehrere Schultern legen, wie wir Strukturen neu aufstellen und die Satzung überarbeiten können - wie wir den Verein modern aufstellen. Dann sind die Mitglieder auch bereit, Aufgaben zu übernehmen." Das Ergebnis kann sich sehen lassen: 20 Posten hat die neue Vorstandschaft

Es sei wichtig, frühzeitig für eine gesunde Altersmischung zu sorgen, meint Krabbe. "Bei 1300 Mitgliedern haben wir einen großen Pool. Wir sind sehr stolz, nun auch einige junge Leute für die Vorstandsarbeit gefunden zu haben. Man muss sie begeistern für die Idee, ihnen sagen, dass sie ja selber von ihrem Verein profitieren und sie vorsichtig an die Aufgaben heranführen."

Anerkennung sei auch wichtig, betont Heiko Krabbe: "Wir stellen die guten Seelen des Vereins neuerdings mit Bild und Text auf unserer Homepage vor."

Der Vereinsvorsitzende ist überzeugt, dass die Bereitschaft, sich ehrenamtlich zu engagieren, sogar zugenommen habe. "Das hat uns doch die Flüchtlingskrise gezeigt. Die Leute suchen nach einer Möglichkeit, einen sinnvollen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten."

 

DIE FREIWILLIGE


So wie Martina Huber-Nischler aus Ingolstadt. Als die Kinder aus dem Haus waren, suchte sie nach einer neuen Möglichkeit, sich einzubringen. "Ich habe mich bei der Freiwilligen-Agentur beraten lassen und mich für die Altenhilfe entschieden." Sie schaute sich in mehreren Häusern um und entschied sich für den Katharinengarten.

Das war vor fünf Jahren. Inzwischen hilft Martina Huber-Nischler sogar zweimal in der Woche mit und macht Gedächtnistraining mit den alten Menschen. "Am Anfang wollte ich die Hauptamtlichen nur unterstützen, aber mit der Zeit wächst man hinein. Jetzt arbeite ich Hand in Hand mit den Profis. Ich fühle mich gut angenommen im Team. Und die alten Leute sind dankbar und voller Eifer bei der Sache."

Der Ehrenamtlichen ist eines wichtig: "Wenn ich nicht kann, dann muss ich nicht." Ansonsten genügt ein Anruf, und sie hilft gern, wenn Feste anstehen, wenn der Christbaum geschmückt oder Kuchen gebacken werden muss. "Denn es ist so herzlich hier. Wenn ich mal alt werde, dann würde ich hier gern leben." Vorausgesetzt, dem Chef des Hauses gelingt es auch künftig, gute Seelen für den Katharinengarten zu finden.