Berlin
Guttenberg war kein Einzelfall

Politiker und ihre Promotionen: Immer wieder gibt es Wirbel um wissenschaftliche Titel von Abgeordneten oder Ministern

17.01.2014 | Stand 02.12.2020, 23:11 Uhr

Berlin/München (DK) Sie schäme sich dafür – „nicht nur heimlich“. So kommentierte Annette Schavan im Frühjahr 2011 die Plagiatsaffäre des damaligen Bundesverteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU). Zwei Jahre später musste die CDU-Politikerin selbst als Bundesbildungsministerin zurücktreten, nachdem die Universität Düsseldorf ihren Doktortitel wegen „vorsätzlicher Täuschung“ bei ihrer Dissertation aberkannt hatte. Erst zu Guttenberg, dann Schavan, jetzt der neue CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer: Politiker stehen seit jeher unter besonderer Beobachtung, wenn es um ihre Dissertationen geht. Je höher sie auf der Karriereleiter steigen, desto größer das öffentliche Interesse. Anonyme Plagiatsjäger gehen regelrecht auf die Jagd nach falschen Fußnoten und „Copy-and-Past“-Passagen, durchleuchten die Arbeiten von Spitzenpolitikern und veröffentlichen ihre Ergebnisse auf Internet-Plattformen.

Falsche Fußnoten, wohlwollende Doktorväter oder helfende Hände? Immer wieder gab es Wirbel um wissenschaftliche Titel von Abgeordneten oder Ministern: Mal, weil Mitarbeiter beim Verfassen der Dissertation geholfen haben sollte. Mal, weil der akademische Titel von zweifelhaften Hochschulen stammte. Mitunter ließ auch die wissenschaftliche Qualität des Werks zu wünschen übrig. Während CSU-Mann Scheuer nun seinen Titel nicht mehr führen will, wurde er anderen wie Schavan aberkannt. Erst im Dezember entzog die Bundeswehr-Universität in München dem Landrat Jakob Kreidl (CSU), der auch Präsident des bayerischen Landkreistags ist, seinen Doktortitel.Die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin wehrte sich vor Gericht gegen den Titel-Entzug. Die Universität Heidelberg war vorher zu dem Schluss gekommen, ihre Arbeit bestehe „in substantiellen Teilen aus Plagiaten“.

Auch Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sah sich kürzlich anonymen Plagiatsvorwürfen ausgesetzt. In seiner Arbeit zu „Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit“ konnte die Universität Gießen weder eine Täuschungsabsicht noch wissenschaftliches Fehlverhalten erkennen. Aufatmen auch bei Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), als die Universität Bochum im November das Plagiatsverfahren gegen ihn einstellte.

Auch die frühere Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hatte sich bereits mit politischer Kritik in Zusammenhang mit ihrer Doktorarbeit auseinanderzusetzen. Sie habe sich beim Abfassen ihrer Promotion an der Universität Mainz helfen lassen, so der Vorwurf. Ein Mitarbeiter habe sie lediglich beim Anfertigen von Tabellen aus statistischen Rohdaten unterstützt, so ihre Erklärung. Und auch „ihre“ Universität sah keinen Beleg für ein Fehlverhalten.

Früher galt ein Doktortitel als Quasi-Voraussetzung für Spitzenämter in der Politik? Das gilt heute nicht mehr uneingeschränkt. Im Bundeskabinett sind sechs von zehn Ministern ohne Titel, auch Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD). Dass nicht promoviert habe, begründete Gabriel einmal damit, dass er nach der Geburt seiner ersten Tochter schnell das zweite Staatsexamen habe machen wollen, um Geld zu verdienen. Job und Abgeordneten im niedersächsischen Landtag hätten sich dann nicht mehr mit einer Promotion vereinbaren lassen. „Bis heute bedauere ich das manchmal“, gestand Gabriel einmal. Von Angela Merkel heißt es, sie habe 1986 bei der Vollendung ihrer Arbeit „über die Berechnung von Geschwindigkeitskonstanten von Reaktionen einfacher Kohlenwasserstoffe“ den Rat eines Kollegen eingeholt. Bei der Durchsicht ihrer Dissertation hatte sie der Chemiker Joachim Sauer unterstützt, ihr heutiger Ehemann.