Bayern
Abtauchen in geheimnisvolle Tiefen

28.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:43 Uhr

Bayern ist ein Land der Extreme - auch in Höhenmetern. Darum geht es in unserer neuen Serie. Sie spielt mal hoch oben und mal tief unten. In der ersten Folge tauchen wir ab in die Tiefen des Walchensees.

Er tauchte schon in den "Blue Holes" auf den Bahamas, in den Höhlen Yucatans auf der Suche nach Überresten der Maya und erkundete vor der schwedischen Insel Öland das Wrack des gesunkenen Segelkriegsschiffs "Mars". Florian Huber ist viel herumgekommen in der Welt, und doch zieht es den promovierten Unterwasserarchäologen von seinem Wohnort Kiel immer wieder zum 940 Kilometer entfernten Walchensee im Karwendel. "Es ist ein See, der fasziniert und viele Taucher aus ganz Deutschland anzieht, weil er so tief ist, weil sich so viele Geschichten um ihn ranken, weil in ihm auch ein paar Wracks liegen."

Bis zu 192 Meter ist der Walchensee tief - und damit nach dem Bodensee der tiefste See in Deutschland. Huber ist nur wenige Kilometer entfernt in Lenggries aufgewachsen, der Walchensee ist für ihn ein Stück Heimat. "Er liegt unglaublich schön und gehört für mich zu den schönsten Seen, die wir überhaupt haben", schwärmt der 41-Jährige. Und der Walchensee birgt - auch wegen seiner großen Tiefe - bis heute so manch Geheimnis. "Er ist für mich sehr spannend, weil ich davon überzeugt bin, dass dort unten noch einiges zu entdecken ist."

Sicher ist, dass auf dem Grund Flugzeugwracks aus dem Zweiten Weltkrieg sowie alte Autos liegen. "Es gibt mehrere Autowracks, die habe ich mir alle mal angeschaut", sagt Huber. Länger schon versucht er herauszufinden, wie zum Beispiel der alte VW Käfer und der Ford Buckeltaunus vor Jahrzehnten in den See geraten sind. "Wurden sie dort entsorgt? Oder war es ein Unfall" Huber hat recherchiert, mit Leuten gesprochen und bei der Lokalzeitung nachgefragt. "Interessanterweise weiß kaum jemand etwas darüber." Immerhin brachte er in Erfahrung, dass der Ford aus Offenbach kam: "Das weiß ich, weil mir ein Taucher geschrieben hat, der das Nummernschild da unten abmontiert hat."

Zumindest den VW Käfer, der etwa 15 Meter tief im See liegt, können auch Hobbytaucher gut erreichen, wie Michael Hell erläutert, der die einzige Tauchschule am Walchensee betreibt. Der alte Ford sei mit einer Tiefe von 36 Metern schon etwas für Fortgeschrittene, während der Fiat Topolino (ca. 90 Meter) für normale Sporttaucher nicht erreichbar sei. Was den Tauchlehrer Hell am meisten fasziniert im See, ist aber etwas anderes: "Wir haben wunderschöne Steilwände und Felsvorsprünge, wir haben Spalten, wir haben tolles Gelände, das man sich da unter Wasser anschauen kann. Ab und zu auch mal ein paar schöne Barsche, schöne Hechte oder ein paar schöne Aalruten, auch Süßwasseredelkrebse."

Zugleich wird Hell nicht müde, Taucher vor Leichtsinn zu warnen. "Der Walchensee ist ein Bergsee. Er setzt taucherisches Können voraus." Er sei leider auch ein unfallträchtiger See: Gleich drei tödliche Tauchunfälle habe es in den vergangenen sechs Jahren gegeben. Daran sei aber nicht der See schuld, sondern die Taucher. "Wenn dir beim Tauchen etwas passiert, hast du vorher einen Fehler gemacht", betont der 53-Jährige. "Unter Wasser werden meist keine Fehler verziehen."

Es gibt gleich mehrere Gefahren, auf die Taucher vorbereitet sein müssen. Wegen der Kälte im See könne der Atemregler vereisen, schildert Hell. Auch wagten sich Taucher immer wieder in Tiefen, "die man gar nicht erreichen sollte". Darüber hinaus herrschten in einem Bergsee andere physikalische Gesetze als in anderen Gewässern. "Einen Bergseekurs sollte man auf jeden Fall mal mitgemacht haben", rät Hell.

Im Frühjahr 2015 hatte Florian Huber mit seiner Firma Submaris einen beruflichen Einsatz als Forschungstaucher im Walchensee. Für ein Energieunternehmen galt es, den Zustand des Kesselbergstollens des Walchenseekraftwerks zu überprüfen. Dazu wurde Deutschlands einziges bemanntes Forschungstauchboot, die "Jago" des Heimholz-Zentrums für Ozeanforschung, von Kiel nach Oberbayern transportiert. Gemeinsam inspizierten U-Boot und Forschungstaucher den 1200 Meter langen Unterwasserstollen. "Witzigerweise haben wir etwa 600 Meter tief im Tunnel zwei Gewehre aus dem Zweiten Weltkrieg gefunden, die dort hineingespült worden sind. Ein ganz unerwarteter Ort, um etwas Geschichtliches zu finden", sagt Huber und lacht.

Da die "Jago" schon mal am Walchensee war, nutzte er die Gelegenheit, um mit dem U-Boot seinen Lieblingssee etwas zu erkunden. "Wir wollten ein spezielles Flugzeugwrack suchen, das es angeblich im See gibt, haben es aber nicht gefunden", sagt der 41-Jährige. "Die Zeit war zu gering."

Erst vergangenen Mittwoch war Huber wieder im Walchensee auf Tauchstation, um ein kürzlich entdecktes Schiffswrack aus Holz zu untersuchen: "Das Wrack wurde fotografiert, um daraus ein Fotomosaik - also eine Gesamtschau des Wracks - zu erstellen. Und wir haben eine Holzprobe genommen, um die Holzart zu bestimmen", schildert er. Den nächsten Besuch hat er schon geplant: "Ende September bin ich dann wieder da."