Bayerischer Löwe mit Problemen

24.07.2015 | Stand 02.12.2020, 20:59 Uhr

München (DK) Keine zwei Jahre nach dem CSU-Jubel über den Triumph von „Super-Horst“ bei der Landtagswahl plagt eine Serie politischer Pleiten die Partei. Die größte Gefahr aber kommt von innen.

Einmal mehr waren viele Augenpaare nur auf sie gerichtet – auf den offenbar angezählten Ministerpräsidenten und den aussichtsreichsten Nachfolgekandidaten. Korrespondenten mehrerer Zeitungen postierten sich gleich hinter der Schlosstür, das BR-Politmagazin „Kontrovers“ schickte eigens ein Filmteam, um den zuletzt glücklosen Ministerpräsidenten Horst Seehofer und den zunehmend auftrumpfenden Finanzminister Markus Söder (beide CSU) am Dienstagabend beim Sommerempfang des Landtags im Neuen Schloss Schleißheim genau zu beobachten.

Bis 2018 will Seehofer noch regieren, die Nachfolgedebatte aber begleitet ihn jetzt schon auf Schritt und Tritt. Während Söder – leger im hellen Anzug ohne Krawatte – die Aufmerksamkeit sichtlich genoss, musste Seehofer zunächst mehrfach die jüngste Schlappe kommentieren: Wenige Stunden zuvor hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit dem bundesweiten Betreuungsgeld ein wichtiges CSU-Prestigeprojekt gekippt. Ein weiterer Rückschlag für den Ingolstädter Instinktpolitiker.

Seit Wochen schon läuft es alles andere als rund für ihn. Bei keinem der politischen Themen, die Seehofer der CSU zuletzt medienwirksam auf die Fahnen geschrieben hatte, konnte er sich nachhaltig behaupten: Zwar setzte er Betreuungsgeld und Pkw-Maut in Berlin gegen heftige Widerstände durch. Doch das eine wurde in Karlsruhe kassiert, die andere wegen rechtlicher Bedenken Brüssels auf Eis gelegt. Und im Streit um zwei neue Stromtrassen durch Bayern erreichte Seehofer zwar eine Modifikation der Pläne – verhindern kann er ihren Bau wohl nicht.

Während in der Landtagsfraktion und der Landesgruppe im Bundestag der eine oder andere bisher nur hinter vorgehaltener Hand Unmut über den Parteichef äußert, profiliert sich die vor einem Jahr gegründete Basisbewegung „Konservativer Aufbruch“ zunehmend als Sprachrohr der Seehofer-Kritiker. Sprecher David Bendels wirft der Parteiführung „Konzeptlosigkeit, Ziellosigkeit und teilweise auch Wankelmütigkeit“ vor. Vor allem Seehofers „Duckmäusertum“ gegenüber Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist Bendels ein Dorn im Auge: „Der bayerische Löwe darf nicht nur brüllen, es muss auch gehandelt werden!“

Söder spielt ein wachsender Unmut über Seehofer in die Hände. Dass der Franke sich immer mehr in Stellung bringt, ist nicht zu übersehen. „Ich halte es für legitim. Es muss nur so sein, dass nicht die Mannschaft insgesamt auseinanderbricht“, sagt ein oberbayerischer Landtagsabgeordneter. Gerade hier lauert die größte Gefahr für die CSU und speziell für Söder. Er selbst hat es aus nächster Nähe erlebt, wie das Duo Günther Beckstein und Erwin Huber seinerzeit Edmund Stoibers Sturz besiegelte, bei der Landtagswahl dann ein historisches Debakel erlebte und das Feld schnell wieder räumen musste.

Auch wenn selbst Kritiker Söder bescheinigen, dass er in den vergangenen Monaten einen cleveren Kurs eingeschlagen hat – sein allzu offensichtlicher Ehrgeiz wird von vielen argwöhnisch beobachtet. Fest stehe, dass Seehofer auf dem Parteitag im Herbst erneut zum Vorsitzenden gewählt werde, sagt der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Max Straubinger. „Da kann ja einer, wenn er will, anrennen. Ich halte das für nicht zielführend.“

Ex-Parteichef Huber lässt an seinem Unmut über Söders Karrierestreben keinen Zweifel. „Das Gefährliche daran ist, dass es polarisiert und zu Gruppenbildungen in der Landtagsfraktion führt. Es ist spürbar, dass damit auch die Zusammenarbeit belastet wird.“ Und Seehofer? Auch wenn der 66-Jährige immer wieder müde wirkte in den vergangenen Monaten: Sein Kampfgeist und politischer Instinkt sind nicht zu unterschätzen. Mehrfach schon war er totgesagt und kehrte triumphierend zurück. Huber – einer der wenigen, die auch mal offene Kritik an Seehofer äußern – ist der Meinung, dass die Autorität des Parteichefs „nicht angeknackst“ ist. Von einem Abgesang auf Seehofer hält der Niederbayer nichts: „Es gibt keinen Chor, der bereitsteht, keinen Chorleiter – und es gibt auch keine Melodie dazu.“