Bamberg
Werden Kinderrechte verletzt?

Studie kritisiert Umgang mit Minderjährigen in Bamberger "Abschiebezentrum"

27.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Bamberg/Manching (DK) In der Aufnahme- und Rückführungseinrichtung (ARE) in Bamberg werden einer Studie zufolge Kinderrechte vielfach missachtet. Gesundheitsversorgung und Bildung, der Schutz der Privatsphäre und die Ernährung seien unzureichend, heißt es einer Untersuchung der Hildegard-Lagrenne-Stiftung für Roma in Deutschland.

 

Derzeit sind nach Angaben der Regierung von Oberfranken in der ARE in Bamberg 289 Menschen untergebracht, davon 142 Menschen unter 18 Jahren. Die Einrichtung soll auf 4500 Plätze ausgebaut werden. Im vergangenen September war sie für 1500 Asylsuchende vor allem aus Balkan-Staaten geschaffen worden, die nach derzeitigem Recht kaum eine Bleibeperspektive haben. Dabei werde der Vorrang des Kindeswohls aber völlig außer Acht gelassen - und somit die UN-Kinderrechtskonvention gebrochen, heißt es in der jetzigen Studie. "Die Organisation der ARE II in Bamberg ist vollständig auf einen möglichst schnell zu beendenden Aufenthalt ausgerichtet", schreiben die Autoren der Studie von der Freien Universität Berlin.

Mehrere Kinderrechte würden deshalb ignoriert. Zimmer und Wohnungstüren etwa seien nicht abschließbar, schildern die Verfasser. Das schüre bei Kindern Ängste und erhöhe das Risiko von Diebstählen und Übergriffen gegen Frauen und Kinder. Auch in der ARE in Manching-Oberstimm (Landkreis Pfaffenhofen) sind die Wohnungen der Flüchtlinge aus Sicherheitsgründen nicht abschließbar, bestätigt die Regierung von Oberbayern. Dort leben derzeit 275 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren.

In Bamberg seien laut der Studie Kühlschränke und Kochmöglichkeiten verboten, die Ernährung beschränke sich auf drei zentral angebotene Mahlzeiten - Kinder bräuchten aber Zwischenmahlzeiten. Und die Gesundheitsversorgung verhindere lediglich lebensbedrohliche Erkrankungen, schreiben die Autoren der Studie. Roma würden von anderen Bewohnern beschimpft und offen angefeindet. Die Kinder würden nicht, wie in Bayern üblich, in Regelklassen integriert, sondern in gesonderten Gruppen unterrichtet, die bis zu vier Jahrgänge umfassen - und nur für zwölf Stunden pro Woche. Die meisten Kinder gingen gar nicht zum Unterricht.

In jeder Dependance der ARE Manching seien Räume vorhanden, in denen Ärzte regelmäßig Sprechstunden abhalten, heißt es auf Nachfrage bei der Regierung von Oberbayern. Schwerwiegende Anfeindungen oder Probleme zwischen einzelnen ethnischen Gruppen seien dort nicht bekannt.

"Wir weisen die erhobenen Vorwürfe entschieden zurück", sagte ein Sprecher der Bezirksregierung Oberfranken, die die ARE in Bamberg betreibt. Auch aus Sicht des bayerischen Sozialministeriums werden die Kinderrechte dort umgesetzt. "Asylbewerber werden in Bayern in den Aufnahmeeinrichtungen, Ankunfts- und Rückführungseinrichtungen und staatlichen Gemeinschaftsunterkünften human untergebracht und versorgt", heißt es dort. "Das Sozialministerium verurteilt jede Form von Diskriminierung. Wir dulden keine Gewalt gegen Asylbewerber in Bayern." Es gelte auch null Toleranz gegen Übergriffe innerhalb der Einrichtungen. Asylbewerber würden medizinisch nach den gesetzlichen Vorgaben des Bundes umfassend versorgt. In Bamberg gebe es dafür eine medizinische Ambulanz.

Das Unterrichtsangebot von bisher zwölf Wochenstunden soll hingegen schrittweise deutlich ausgeweitet werden, wie ein Sprecher des Kultusministeriums sagte. "Wir waren und sind bei der ARE in einem Entwicklungsprozess." Das Bildungsangebot werde ständig überprüft. Dabei sei deutlich geworden, dass die Kinder und Jugendlichen höchst unterschiedliche Kompetenzen mitbrächten, unterschiedlich lang in der ARE blieben und ihre Bereitschaft, das Angebot wahrzunehmen, sehr unterschiedlich ausgeprägt sei. Derzeit besuchten 29 von 64 gemeldeten Schülern tatsächlich den Unterricht.

Für eingereiste Kinder, die weniger als drei Monate in Deutschland sind, gilt die Schulpflicht nach Bayerns Schulgesetz nicht. Das hält etwa die bayerische Grünen-Politikerin Beate Walter-Rosenheimer, die auch Mitglied der Kinderkommission im Bundestag ist, für falsch. "Alle Kinder sollten in eine Regelschule gehen können."

Die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen ist in Deutschland seit 2010 in vollem Umfang anerkannt, deshalb ist die Bundesrepublik verpflichtet, sie einzuhalten. In Artikel 3 etwa ist der Vorrang des Kindeswohls verankert, der laut der Studie in der ARE Bamberg missachtet werde. Dieser muss der Konvention zufolge bei allen Maßnahmen berücksichtigt werden - ob von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen. Dies gilt auch in Einrichtungen für Flüchtlinge ohne Bleibeperspektive.