Augsburg
Auf der Überholspur in die Diaspora

Bischof Konrad Zdarsa verprellt mit seinen Reformplänen die Katholiken im Bistum Augsburg

20.02.2012 | Stand 03.12.2020, 1:48 Uhr

Augsburg (DK) In der Diözese Augsburg brodelt es: Grund des Unmuts unter den 1,4 Millionen Katholiken ist die Strukturreform, die Bischof Konrad Zdarsa seinem Bistum bis 2025 verpassen will. Was Zdarsa für unverzichtbar hält, ist für seine Kritiker eine Zerstörung gewachsener kirchlicher Strukturen.

Hintergrund der Reform ist der dramatische Priestermangel: In den vergangenen Jahren wurden in der Diözese nur noch jeweils eine Handvoll Neupriester geweiht. Das reicht bei weitem nicht, um alle 1001 Pfarreien im Bistum zu versorgen. In 15 Jahren – so die Hochrechnung des Bistums, werde es nur noch etwa 200 Priester geben. An dieser Zahl habe man sich bei der sogenannten Pastoralen Raumplanung 2025 denn auch orientiert, heißt es aus der Bistumsverwaltung. Deshalb soll die Zahl der Pfarreien ebenfalls auf 200 reduziert werden. Dazu sollen die Gemeinden in einem ersten Schritt zu Pfarreiengemeinschaften zusammengelegt werden und später fusionieren.

Das Problem Priestermangel sehen auch die Laien: „Natürlich wird es deutlich weniger Priester geben“, sagt der Diözesanratsvorsitzende Helmut Mangold. Und fügt hinzu: „Dann muss man eben verstärkt auf die Laien setzen.“

Doch das hat Zdarsa nicht vor – im Gegenteil: Er streicht die Rolle der Laien zusammen. Das zeigt sich schon bei den Vorbereitungen zur pastoralen Raumplanung: „Wir waren nicht eingebunden“, sagt Mangold. Zwar wurden die Pfarrgemeinderäte über den Zuschnitt der geplanten Pfarreiengemeinschaften informiert, ihre Einwände aber wurden bis auf ganz wenige Ausnahmen verworfen.

Die Pfarrgemeinderäte haben in Zdarsas Zukunftsvision ohnehin keinen Platz mehr. Sie werden durch sogenannte Pastoralräte ersetzt. Und davon gibt es in jeder Pfarreiengemeinschaft nur noch einen. Der soll zwar gewählt werden, versichert Zdarsas Sprecher Markus Kremser, aber an seiner Spitze soll künftig kein Laie mehr stehen, sondern der Pfarrer. Ein ähnliches Modell hatte vor einigen Jahren bereits Zdarsas Regensburger Kollege Gerhard Ludwig Müller durchgezogen und viele engagierte Laien vergrätzt.

Auch in Augsburg folgte der Bekanntgabe der Pläne Ende Januar ein Aufschrei – vor allem auf dem Land, wo bisher stolze Pfarreien aufgegeben werden sollen. Inzwischen lässt Zdarsa verkünden, dass natürlich zu jeder Kirche ein Seelsorgerrat gehöre. Wie der sich aber zusammensetzt und welche Befugnisse er hat, ist offen.

Auch ansonsten wird die Mitwirkung der Laien extrem beschnitten: Die von ihnen gestalteten Wort-Gottes-Feiern, die heute auf dem Land am Sonntagvormittag viele Kirchen füllen, die keinen eigenen Pfarrer mehr haben, will Zdarsa an diesem Tag verbieten: Seinen Vorstellungen zufolge sollen die Gläubigen in die nächste Kirche fahren, in der ein Sonntagsgottesdienst angeboten wird.

Dabei wäre die Konzentration auf die Heilige Messe am Sonntag für viele Gläubige noch nachzuvollziehen, wenn die künftigen Großpfarreien die Angelegenheit in Eigenregie regeln könnten: In den bereits praktizierten Pfarreiengemeinschaften wird durchgewechselt. So kommt der Pfarrer mindestens einmal im Monat in jeden Ort zur Sonntagsmesse. Doch das will Zdarsa nicht: Künftig muss in jeder Pfarreiengemeinschaft eine Kirche festgelegt werden, in der der Sonntagsgottesdienst stattfindet.

In den Augen der Kritiker, wie dem Diözesanratsvorsitzenden Mangold, wird das zu großen Verwerfungen führen: „Wie will man den Gläubigen in Gemeinschaften aus mehreren etwa gleich großen Gemeinden klar machen, dass ihre Kirche weniger wert ist als die im Nachbarort.“ Er geht davon aus, dass die Zahl der Gottesdienstbesucher deutlich sinken wird. Dabei besuchen in der Diözese Augsburg ohnehin nur etwa 15 Prozent der Katholiken regelmäßig den Sonntagsgottesdienst.

Auch in der Priesterschaft regt sich Widerstand: Zwar gelobt ein Priester dem Bischof bei seiner Weihe Gehorsam, doch angesichts der rigiden Reformpläne melden sich immer mehr mit Kritik zu Wort. So hat der neue Stadtpfarrer in Neuburg, Herbert Kohler, schon angekündigt, dass er die geplante Fusion der beiden großen Pfarreien in der Stadt „nicht mit Gewalt durchsetzen“ werde.

Kohler weiß, dass es dabei nicht nur um die Gottesdienstgestaltung geht: Nach Zdarsas Willen sollen die bisher eigenständigen Pfarreien ihr Eigentum an die künftige Fusionspfarrei abgeben: „Was ist denn los, wenn in unserer Kirche kein Sonntagsgottesdienst mehr stattfindet, dann wird ja wohl kein Geld mehr für ihren Erhalt ausgegeben“, sagt ein Kirchenpfleger aus dem Landkreis Neuburg-Schrobenhausen.

Diözesanratsvorsitzender Mangold sieht den Grund für die kompromisslose Politik in der Herkunft Zdarsas: Der Bischof ist in der DDR aufgewachsen, dort sind die Katholiken eine verschwindend kleine Minderheit, deren Mitglieder zudem heftigen Repressionen ausgesetzt waren: Sie wurden unter anderem nur in Ausnahmefällen zum Studium zugelassen. Zudem nahmen Katholiken in der Diaspora lange Wege in Kauf, um sonntags zur Kirche gehen zu können. Davon sei Zdarsa, der zuletzt Bischof in Görlitz war, geprägt, sagt Mangold. Und diese unbedingte Hinwendung zum Glauben wolle er in seiner neuen Diözese durchsetzen. „Dabei lässt sich das nicht so ohne Weiteres auf das katholische Bayern übertragen.“ Hier gebe es in jedem Dorf eine Kirche „und auf die sind nicht nur die Katholiken, sondern alle Bürger stolz“.

Inzwischen kommt auch Gegenwind von den anderen Bistümern: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat Zdarsa vergangene Woche wissen lassen, dass er die Reformpläne nicht für richtig halte.