Aichach
Wenn die Hells Angels klingeln

Aichacher Amtsgericht verurteilt Rocker wegen Erpressung einer Frau aus Pöttmes

17.04.2013 | Stand 03.12.2020, 0:15 Uhr

Aichach (DK) Wegen gemeinschaftlicher Erpressung hat das Aichacher Amtsgericht gestern zwei Mitglieder des Motorradclubs Hells Angels verurteilt – einen zu drei Monaten Haft, den anderen zu einer Geldstrafe von 4500 Euro.

Das Gericht war überzeugt, dass die Männer allein durch ihr rockerhaftes Auftreten eine Frau zur Herausgabe von Jackenaufnähern genötigt hatten. Die beiden Männer auf der Anklagebank, 37 und 36 Jahre alt, bewegten ihre Kiefer nur zum Kaugummikauen. Sie schwiegen zu den Vorwürfen ebenso wie zu ihren persönlichen Verhältnissen.

Im Oktober 2010 ermittelte die Augsburger Kriminalpolizei im Hells-Angels-Millieu. Dabei wurde das Telefon des 37-Jährigen abgehört. So erfuhr die Polizei, dass jemand aus dem Pöttmeser Raum auf Ebay Aufnäher der Rockervereinigung anbot – was den Hells Angels missfiel. Die beiden Angeklagten und ein weiteres in dieser Sache bereits verurteiltes Klubmitglied verabredeten, in Gang-Kluft in Pöttmes zu erscheinen und die Aufnäher einzukassieren. Auf der Internetseite der Hells Angels ist zu lesen, dass auf deren Abzeichen ein Copyright besteht, sie also nicht von Jedermann gehandelt werden dürfen.

Als die drei Rocker an dem Pöttmeser Einfamilienhaus klingelten, saß die Polizei im Gebüsch und beobachtete das Geschehen. Die Frau, deren Mann die „Patches“ im Internet verkaufen wollte, sagte gestern als Zeugin aus. Sie verstehe gar nicht, was das alles solle. Sie habe sich zu keiner Zeit bedroht gefühlt. Mit den drei Männern habe sie „ein lockeres Gespräch“ geführt, sie könne sich nicht erinnern, ob diese Klub-Kleidung getragen hätten. Bei ihrer polizeilichen Vernehmung hatte sie erklärt, dass sie die Aufnäher deshalb ohne Bezahlung herausgegeben habe, weil sie Probleme hinsichtlich des Markenschutzes vermeiden wollte. Außerdem wisse man ja, dass die Hells Angels ihre eigenen Gesetze hätten.

Vor Gericht machte die 41-Jährige nur noch vage Angaben. „Sie hatte Angst und hat sie noch“, sagte Richter Axel Hellriegel über die Frau. Das könne er der Art entnehmen, wie sie sich gebe. Zwar sei es zu keinen verbalen Drohungen durch die Angeklagten und ihren Clubbruder gekommen, doch aus den äußeren Umständen lasse sich zwingend folgern, was sich in den Köpfen abspielte. „Wenn drei Personen klingeln und ohne Geld etwas verlangen, müssen sie ihre Position stärken. Das haben sie gemacht, indem sie ihre Motorradkleidung anlegten, um sich aufzumandeln und ein Klima der Einschüchterung zu schaffen.“ Auch dass die Rocker gleich zu dritt auftauchten, passe ins Bild. Die Angeklagten hätten „billigend in Kauf genommen, dass die Zeugin Angst hatte und damit rechnen musste, dass es zu körperlichen Übergriffen kommt, wenn sie sich weigert, die Aufnäher herauszugeben“, sagte der Richter. „Das ist Erpressung.“

Der Staatsanwalt hatte das genauso gesehen und für den 37-jährigen Angeklagten, der zuletzt wegen Handels mit Betäubungsmitteln zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden war und wegen Erlass der Reststrafe in offener Bewährung stand, auf vier Monate Haft plädiert. Für den 36-Jährigen forderte er eine Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 30 Euro Geldtstrafe. Richter Hellriegel verhängte für den einen drei Monate Haft ohne Bewährung und den anderen, der im Sicherheitsdienst tätig ist, 90 Tagessätze zu je 50 Euro – das ergibt eine Geldstrafe von insgesamt 4500 Euro. Der Verteidiger hatte Freispruch gefordert. Er kündigte an, Berufung einzulegen.