Aichach
Sportverein vor Gericht

23.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:26 Uhr

Noch rollt der Ball auf dem Gelände des TSV Aindling. Doch dem Sportverein in der 15 Kilometer nördlich von Augsburg gelegenen Gemeinde droht die Pleite. Mehrere ehrenamtliche Funktionäre könnten sogar im Gefängnis landen - Foto: Siegfried Kerpf

Aichach (DK) Jetzt ist es amtlich: Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen vier ehemalige beziehungsweise aktuelle Vorstände des TSV Aindling erhoben. Wie Oberstaatsanwalt Matthias Nickolai gestern schriftlich bestätigte, wird den ehrenamtlichen Funktionären Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie Steuerhinterziehung vorgeworfen.

Zuständig ist das Schöffengericht des Amtsgerichts Augsburg. Einen Termin gibt es noch nicht.

Die Zahl der den vier Männern im Alter zwischen 62 und 75 Jahren – es handelt sich um Präsidenten beziehungsweise einen ehemals für die Finanzen zuständigen Vorstand – jeweils zur Last gelegten Einzelfälle bewegt sich beim Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt laut Nickolai zwischen 41 und 287 Fällen, beim Vorwurf der Steuerhinterziehung zwischen vier und 58 Fällen. Die Angeschuldigten seien hinreichend verdächtig, in den Jahren 2003 bis 2011, jeweils als für die Finanzen des Vereins Verantwortliche, Spielern der Bayernligamannschaft, die als Geringverdiener gemeldet waren, über die angemeldete geringfügige Beschäftigung hinaus Fahrtkosten, Punktprämien und Ähnliches „schwarz“ ausbezahlt zu haben.

Weiterhin sollen die Betroffenen zur Finanzierung dieser nicht verbuchten Zahlungen „Schwarzgeldeinnahmen“ aus Ablösezahlungen für Spieler, Sponsoringleistungen sowie Einnahmen aus dem Spielbetrieb und dem Speise- und Getränkeverkauf an Heimspieltagen erzielt haben. Die Summen sind beträchtlich: Den Gesamtschaden für die Sozialversicherungen, für den die Angeschuldigten anteilig verantwortlich sein sollen, beziffert der Oberstaatsanwalt auf mindestens 1,6 Millionen Euro, die vorgeworfenen Steuerverkürzungen summieren sich insgesamt auf mindestens 480 000 Euro.

Das Strafgesetzbuch beziehungsweise die Abgabenordnung sehen für Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt beziehungsweise für Steuerhinterziehung jeweils eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor. Soweit nur Beihilfe im Raum steht, sieht der gemilderte Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von einem Monat bis zu drei Jahren und neun Monaten oder eine Geldstrafe vor.

Die Geschichte kam vor gut zweieinhalb Jahren mit einer Razzia der Zollfahnder auf dem Vereinsgelände ins Rollen. Seit jenem 30. November 2011 schwebt das Damoklesschwert über dem Sportverein. Ihm droht letztlich die finanzielle Pleite. Kann der Verein die von Steuerbehörde und Rentenversicherung geforderten Summen nicht leisten, muss er Insolvenz anmelden. Reicht wiederum die Insolvenzmasse nicht aus, um die Gläubiger zufriedenzustellen, könnten die angeklagten Vereinsfunktionäre mit ihrem Privatvermögen zur Haftung herangezogen werden. Bedingung dafür ist allerdings, dass sie schuldig gesprochen werden und wissentlich gegen Recht verstoßen haben.

Das wird sich beim Prozess herausstellen, der sicherlich von der heimischen Sportwelt gespannt verfolgt wird. Gerade im Amateurfußball ist das Thema „Spielerfinanzierung“ ein überaus heißes Eisen, an dem sich auch andere ehrenamtliche Funktionäre die Finger verbrennen könnten.