"Die Figur findet sich schon in der Bronzezeit"

Der Eichstätter Kreisheimatpfleger und Archäologe Karl Heinz Rieder über mehr oder weniger alte Traditionen im Altmühltal

25.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:20 Uhr

Herr Rieder, Sie selbst sind ja ein gebürtiger Kipfenberger.

Können Sie sich erklären, warum sich ausgerechnet in dieser Gegend im Altmühltal so exotisch wirkende Bräuche wie Wasservogel und Tanzbär bewahrt haben. Das erinnert ja schon fast an Darstellungen aus internationalen Völkerkundemuseen!

Karl Heinz Rieder: In der Literatur des 19. Jahrhunderts gibt es verschiedene Beschreibungen, in denen es heißt, die Alb, die Täler und die Höhen, seien etwas weltabgeschieden und rückständig.

Das war also offensichtlich eine etwas stille Weltecke? Und deswegen hielten sich Bräuche, die andernorts längst in Bausch und Bogen abgeschafft waren?

Rieder: In Bausch und Bogen nicht. In manchen Gegenden ging es schneller, in anderen langsamer. Auch im Fränkischen zum Beispiel haben sich Traditionen sehr lange gehalten.

Wir haben gerade im Raum Kipfenberg und Kinding auch ein unglaublich buntes, intensiv gepflegtes Faschingstreiben, da gibt es die Fasenickl oder Fosanegl. Ist da ebenfalls ein Brauch wie auf einer Insel konserviert worden?

Rieder: Es hat Tradition, wobei man bei den Recherchen feststellt, dass man wohl nicht über das 18. Jahrhundert hinauskommt. Es ist kein uralter Brauch - das wäre eine Mär.

Na sowas! Wie kommt's?

Rieder: Diese Faschingsgestalten scheinen möglicherweise mit arbeitslosen Kirchenmalern zu tun zu haben. Die Richtung weist in den Süden, nach Tirol. Das könnte die Quelle sein.

Kommt dann von dort auch das Goaßlschnalzen, das in den Faschingstagen im mittleren Altmühltal gepflegt wird?

Rieder: Goaßlschnalzen gibt es überall, das hat nichts speziell mit den Fasenickln zu tun. Schnalzen als solches ist eine Uralt-Geschichte.

Zurück zum Brauch des Wasservogels. Das wirkt heutzutage sehr kurios. Ursprünglich wurde der Jugendliche da eimerweise mit Wasser übergossen, im Bayerischen Wald wird das heute noch so gehandhabt. Was verbindet sich wohl damit? Ein Fruchtbarkeitsritus? Oder ist das einfach eine Gaudi?

Rieder: Der Wasservogel ist wirklich eine uralte Tradition. Mit den Symbolen Wasser, Untertauchen, in den Himmel Fliegen hat man immer etwas Göttliches verbunden. Die Figur des Wasservogels findet sich bei uns im Prinzip schon in der späten Bronzezeit. Es gibt Darstellungen des Wasservogels als Bronzeaufsätze an den Naben von Wagenrädern. Zu sehen im Ingolstädter Stadtmuseum.

Der Wasservogel ist also wirklich etwas Archaisches. Was sagen Sie als Heimatpfleger den Leuten in Irlahüll oder Ilbling?

Rieder: Es lohnt sich unbedingt, so etwas zu pflegen. Denn es macht unser Leben im Jahreslauf reizvoller. Es nimmt uns heraus aus dem Alltag und bringt uns zum Nachdenken.

Und es verbindet die Menschen mit der Gegend, aus der sie kommen?

Rieder: Es erdet die Menschen. Und wenn man damit aufwächst, gibt es eine Identifikation. Man hat eine Verbindung zur Heimat - wo doch viele hinaus müssen in die weite Welt.

Die Fragen stellte Richard Auer.
ZUR PERSONKarl Heinz Rieder (64) ist promovierter Archäologe und einer der beiden Kreisheimatpfleger des Landkreises Eichstätt. Er leitete lange Jahre das Grabungsbüro Ingolstadt des Landesamts für Denkmalpflege. Rieder