Das Getränk, das aus der Kälte kam

100 Jahre Freistaat - Das Bier und der Wein

02.07.2018 | Stand 23.09.2023, 3:52 Uhr
Wein steht besonders in Unterfranken hoch im Kurs. −Foto: Hildenbrand/dpa

Bier gilt in Bayern als Grundnahrungsmittel. Oder zumindest galt es als ein solches. Denn mit Fitnesstrend und einem wachsenden Gesundheitsbewusstsein wurde der im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken zwar meist recht niedrige Alkoholgehalt des Gerstensafts zunehmend in Frage gestellt.

 Der in den vergangenen Jahren deutlich gestiegene Anteil von alkoholfreien Bieren am deutschen Gesamtbiermarkt mag ein deutliches Zeichen dafür sein. Aber auch dafür, dass viele Bayern auf das mal hopfige, mal malzige, aber fast immer erfrischende Bier dennoch nicht ganz verzichten wollen.

Aber war Bier wirklich in ganz Bayern ein Grundnahrungsmittel? Zumindest im nordwestlichen Teil des Freistaats darf dies bezweifelt werden. Nicht nur, weil speziell in Mainfranken - gerne auch Weinfranken genannt - auch heute noch von vielen Genießern der Schoppen Wein einer Halben Bier vorgezogen wird. Historisch gesehen war Bayern bis ins 17. Jahrhundert eher ein Wein- denn ein Bierland. Erst der Dreißigjährige Krieg von 1616 bis 1648 und die Kleine Eiszeit etwa von 1570 bis 1700, die den damaligen Weingärten durch Verwüstungen einerseits und zu niedrige Temperaturen andererseits den Garaus machten, verhalfen dem Bier zu seinem Siegeszug. Weil es für die volle Ausreifung der Trauben schlicht zu kalt wurde. Und weil viele durstigen Kehlen einfach nicht warten wollten, bis in neu angelegten Weinbergen wieder genügend Ertrag aus Rebstöcken zur Verfügung stand.

Viel einfacher und schneller war es da, die wie auch immer gearteten Sudkessel anzuheizen und darin Bier zu brauen. Ein Getränk, das damals als sicherstes und damit gesündestes galt, weil dafür das Wasser abgekocht wurde und so weniger gefährliche Keime darin enthalten waren.

 

 


Vor 100 Jahren waren derlei Überlegungen nicht mehr ganz so überlebenswichtig. Zumindest in Altbayern hatte sich das Bier längst durchgesetzt. Aber: "Das Bier war noch dunkel." Das weiß jeder, der die ab 1969 ausgestrahlte, beliebte Fernsehserie "Königlich Bayerisches Amtsgericht" gesehen hat. Zugegeben: Die Serie spielt 1911/12 noch in der "guten, alten Zeit" des Königreichs Bayern vor 1914 unter der Regentschaft des Prinzregenten Luitpold, also einige Jahre vor der Gründung des Freistaats Bayern. Aber bis zu diesem Zeitpunkt, also bis 1918, hat sich daran nichts geändert. Bis heute freilich schon.

Zwar blieb das beliebteste Bier der Bayern auch im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts ein untergäriges, aber das Dunkle wurde vom Hellen und vom Pils abgelöst. Erst weit in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war es dann das obergärige Weizen oder Weißbier, das die Spitzenposition in der Beliebtheitsskala einnahm und aktuell mit gut einem Drittel der Produktion noch immer innehat. Allerdings: Auffallend sind die unterschiedlichen regionalen Vorlieben. Während in Südbayern die Hälfte der Bierproduktion auf Weißbier entfällt und nur drei Prozent auf Pils, wird in Nordbayern zu einem Drittel Pils gebraut und lediglich knapp ein Fünftel Weizen.

Doch wo es einen Trend gibt - eben den zum Weizen -, erfolgt früher oder später meist auch eine Trendumkehr. Experten erkennen seit einiger Zeit eine Art Retrobewegung hin zu klassischen Bierstilen wie dem Hellen und insgesamt wieder zu untergärigen Bierstilen.

 

 



Ein Trend kommt freilich selten allein. Deshalb muss der Trend zur Nüchternheit und die damit verbundene, bereits eingangs angesprochene gestiegene Nachfrage nach alkoholfreien Bieren an dieser Stelle unbedingt auch erwähnt werden. "Genuss ohne Rausch" lautet für immer mehr - auch bayerische - Biertrinker das Motto.

Und dann wäre da noch die Craftbier-Welle zu nennen, die längst von den Vereinigten Staaten in den Freistaat übergeschwappt ist. Seitdem werden auch in bayerischen Braustätten Biere mit speziellen Hopfen- oder Malzsorten hergestellt, nicht selten auch mit Zutaten, die im Reinheitsgebot nicht aufgelistet sind. Bis hin zu Bier-Wein-Hybriden, Sie werden gebraut wie Biere. Zur abgekühlten Würze kommt dann aber im Gärtank meistens Most. Mal kommen aber auch angepresste Trauben mit hinein, mal gleich fertiger Wein.

Apropos Wein: Auch in den fränkischen Weinregionen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten einiges getan. Hatte der Rebensaft aus den nördlichen Gefilden des Freistaats Bayern über lange Zeit nicht den allerbesten Ruf, hat ein Qualitätssprung in den dortigen Weingärten um die Jahrtausendwende vieles zum Guten hin verändert. Fränkische Winzer und Winzergenossenschaften haben seitdem zahlreiche Preise eingeheimst und müssen sich heute hinter der Konkurrenz aus anderen deutschen Weinbaugebieten oder dem Ausland längst nicht mehr verstecken.

Im Übrigen gibt es darüber hinaus in Sachen Wein in Bayern eine Art Retrobewegung. Im Umland von Regensburg haben einige Winzer seit den 1970er-Jahren dem früher wohlbekannten, aber vor 60 Jahren fast ausgestorbenen Baierwein neues Leben eingehaucht.

Norbert Schmidl