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Mit dem 2er Active Tourer bricht BMW Marken-Tabus – eine erste Ausfahrt

29.07.2014 | Stand 02.12.2020, 22:24 Uhr

Zuwachs in der BMW-Familie: Der 2er Active Tourer soll mit viel Platz und dynamischem Design neue Kunden anlocken. Die Lösung für das Head-up-Display (links) wirkt allerdings eher hausbacken. Praktisch dagegen: die in drei Teilen umklappbare Rückbank - Fotos: BMW

Leicht ist den Münchnern die Entscheidung nicht gefallen: ein Minivan von BMW? Eine Familienkutsche von einem Hersteller, den man vor allem mit Sportlichkeit und Fahrspaß assoziiert? Am Ende überwog die Wirtschaftlichkeitsrechnung – und die sagte ganz klar: bauen. Schließlich gibt es viele Menschen, die genau so ein Auto brauchen.

Und die fahren im Moment eben nicht BMW, sondern eine B-Klasse von Mercedes oder vielleicht sogar einen Opel Meriva. Vor der Wirkung des Wortes „Van“ hatten die Münchner Marketingstrategen aber Panik. Deswegen heißt das Fahrzeug 2er Active Tourer – das schützt scheinbar besser vor dem Image eines Pampersbombers.

Der 2er Active Tourer ist keine Revolution auf dem Automobilmarkt – Volkswagen etwa ist mit dem Golf Sportsvan (früher Golf Plus) schon länger erfolgreich. Ein Tabubruch ist das Auto allerdings innerhalb der Marke BMW. Erstmals wird ein Fahrzeug der Münchner mit einem Dreizylindermotor angeboten. Und: Der 2er Active Tourer ist der erste BMW mit Frontantrieb. Warum? Weil nur mit diesem Konzept, bei dem der Motor quer eingebaut wird, ein wirklich geräumiger Innenraum bei geringen Außenmaßen möglich wird.

Wer einsteigt, erkennt: Es war der richtige Schritt. Die Passagiere in der zweiten Reihe haben reichlich Kopffreiheit – heutzutage keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Bei vielen Fahrzeugen hat die schicke Linie Vorfahrt vor der Praxistauglichkeit. Nicht so beim 2er Active Tourer: Vor allem der Einstieg in den Fond gelingt ohne Yoga-Lehrgang. Die Rücksitzbank lässt sich um zwölf Zentimeter verschieben, um entweder das Kofferraumvolumen zu vergrößern oder den Fondpassagieren mehr Beinfreiheit zu spendieren. Die Lehnen der hinteren Reihe lassen sich in drei Teilen umklappen, sogar den Beifahrersitz kann man umlegen. So passt auch sperriges Gepäck bis zu 2,40 Meter Länge hinein. Clever: Die Rücksitzlehnen lassen sich vom Kofferraum aus elektrisch entriegeln und fallen dann um wie Plastikenten in der Volksfest-Schießbude.

Und wie fährt sich nun der erste BMW mit Vorderradantrieb? Absolut souverän. Die Unterschiede zum Hinterradantrieb lassen sich nur bei extremer Beschleunigung aus dem Stand oder rennsportartigen Fahrmanövern feststellen. Und mal ehrlich: Welcher Käufer eines solchen Fahrzeugtyps fährt im Alltag so? Die Active-Tourer-Kunden dürften sich sowieso vielmehr für die zahlreichen großen Ablagen in Türen und Mittelkonsole interessieren.

Was die Münchner in Perfektion beherrschen: die Schaltung. Zumindest in unserem Testfahrzeug, einem 218d: herrlich knackig, kurze Wege, kein Hauch von Hakeln. Die 150 PS des Dieselmotors sorgen für adäquaten Vortrieb und geringen Verbrauch. Das ist tatsächlich Freude am Fahren.

Die Freude beim Anblick des Innenraums ist dagegen gedämpft. Die Verarbeitung des Cockpits ist zwar auf hohem Niveau, die teils recht einfach wirkenden Kunststoffe allerdings nicht. Deutlich wird das vor allem in den weniger gut ausgestatteten Fahrzeugen – das passt nicht so recht zum Premium-Anspruch der Münchner. Hier fahren die Ingolstädter Kollegen etwa mit einem geriffelten Dreh-Drücksteller aus Aluminium eine Wagenlänge voraus.

Gemischte Gefühle hinterlässt auch das Head-up-Display. Denn die Daten werden nicht direkt in die Windschutzscheibe projiziert, sondern in eine Plexiglasscheibe hinter dem Lenkrad. Das Projizierte lässt sich zwar recht gut ablesen, allerdings wandern die Werte bei Kopfbewegungen scheinbar umher – was zu einem mulmigen Gefühl im Magen führt. Außerdem sieht die Scheibe nicht sonderlich elegant aus. Aus Platzmangel und wegen der starken Neigung der Frontscheibe sei aber keine andere Lösung möglich gewesen, heißt es seitens BMW.

Fazit: Die Münchner beweisen wie immer Mut beim Betreten von Neuland – sei es diesmal auch nur markenintern. Der in Leipzig gebaute 2er Active Tourer dürfte neue Kunden an Land ziehen. Die sollten aber über finanzielle Reserven verfügen. Die Basisversion des Minivans, der 218i mit 136 PS, kostet mindestens 27 200 Euro. Wer eine stärke Motorisierung und etwas Ausstattung möchte, sollte aber mit gut 35 000 bis 40 000 rechnen. Wählt man zusätzlich Allradantrieb, kann es noch teurer werden. Wer mehr Platz braucht, sollte warten: Vermutlich schiebt BMW bald eine 15 Zentimeter längere Variante mit sieben Sitzen nach. DK