Mehr Funktionen, weniger Knöpfe

25.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Lautstärkeregelung per Geste: Im neuen BMW 7er lässt sich Musik mit dem Zeigefinger lauter oder leiser machen - Foto: BMW

Immer mehr Knöpfe für die steigende Zahl der Funktionen, die man im Auto bedienen kann – diese Spirale gehört längst der Vergangenheit an. Viele moderne Fahrzeuginnenräume sind extrem aufgeräumt, möglich machen es Touchscreens oder ein zentraler Dreh-Drück-Steller, über den alles angesteuert wird. Künftig soll die Fahrzeugbedienung noch intuitiver reagieren, wenn der Fahrer einen Wunsch äußert oder eine Handbewegung macht.

Augen auf der Straße und Hände am Lenkrad: Ziel einer intuitiven Bedienung ist, den Fahrer so wenig wie möglich vom Fahren abzulenken. Am besten geht das mit einer Sprachsteuerung, die bereits hinunter bis in die Kompaktklasse angeboten wird. Doch während die Bedienung heutiger Systeme oft eher anstrengend statt erleichternd ist, weil sie nur wenige, sehr konkrete Befehle entgegennehmen, eine etwas genuschelte Antwort nicht verstehen oder ewig rechnen müssen, bis ein Befehl ausgeführt wird, sollen die neuen Systeme ganz normale Sätze verstehen können und deutlich schneller reagieren.

Voraussetzung für die sogenannte „natürliche Spracherkennung“ sind unter anderem schnelle Prozessoren und ein in das Fahrzeug eingebettetes System. Letzteres ist zwar teurer, kann aber auch schneller reagieren als die Alternative, ein Cloud-basiertes-System. „Wenn es länger als eine Sekunde dauert, ist der Kunde frustriert“, so Jeff Owens, Technologie-Vorstand des Automobilzulieferers Delphi, der auf die IAA in Frankfurt ein neues System mitbringt. „Wenn die Reaktionszeit weniger als eine Sekunde beträgt, ist der Kunde überrascht und dankbar.“

In Zeiten, in denen Speicherplatz immer günstiger wird, hält er es für wahrscheinlich, dass schon bis zum Ende des Jahrzehnts der Großteil der neuen Autos mit einem ins Fahrzeug eingebetteten System ausgestattet ist. Die Cloud-basierte-Lösung, die zum Beispiel auch per Carplay oder Android Auto über das Smartphone realisiert werden kann, wäre dann etwas wie eine Lösung fürs kleine Budget.

Neben der natürlichen Sprachsteuerung soll auch die Gestensteuerung zu weniger Ablenkung beitragen. Für die Bedienung per Handbewegung muss der Fahrer zwar eine Hand vom Lenkrad nehmen. Weil er aber nicht genau zielen muss – wie etwa, wenn er einen Knopf oder den Touchscreen antippen wollte – kann er die Augen auf der Straße lassen.

Im neuen BMW 7er, der auf der IAA vorgestellt wird, wird das System zum ersten Mal in einem Serienfahrzeug eingesetzt. Fünf verschiedene Handzeichen gibt es, vor der Mittelkonsole ausgeführt, werden sie von der Kamera erkannt. Lässt man beispielsweise den Zeigefinger rechtsherum kreisen, dreht man die Musiklautstärke lauter, linksherum leiser.

Mehr Gesten wären möglich, ob sie auch sinnvoll sind, ist eine andere Frage. „Niemand kann wollen, dass der Kunde 20 verschiedene Gesten auswendig lernt“, so Delphi-Vorstand Owens. Die Gestensteuerung, die der Zulieferer auf der IAA zeigt, ist zwar in der Lage, 15 bis 20 Bewegungen zu erkennen, dass ein Autohersteller sie alle anbietet, hält er aber nicht für sinnvoll.

Eine weitere Schwierigkeit sind Dreidimensionalität und persönlichkeitsspezifische Ausführung vieler Bewegungen. Möglich wäre etwa das Zoomen mit zwei Fingern wie beim Smartphone, das ohne langes Tippen eine Navikarte vergrößern könnte. Doch dies ist eine Geste auf zwei verschiedenen Achsen, die man sehr unterschiedlich ausführen kann – zu viel Verwechselungspotenzial.

Noch für eine ganze Weile werden Sprach- und Gestensteuerung heutige Bediensysteme ergänzen und nicht ersetzen, glaubt Owens und gibt ein Beispiel: „Ich denke Kunden mögen die Sicherheit, das Radio mit einem mechanischen Knopf lauter oder leiser zu stellen.“ Je mehr man sich aber an den digitalen Lebensstil gewöhne, umso eher akzeptiere man auch neue Bedienmöglichkeiten im Auto.

Künftig werde es von der Charakteristik des Fahrzeugs abhängen, welche Bedienung angeboten werde. „Die Fahrzeughersteller haben unterschiedliche Visionen, das ist Teil des Wettbewerbs“, so Owens. Statt PS und Design werde die sogenannte „User Experience“, also die positive Erfahrung, die der Nutzer mit der Bedienung macht, immer wichtiger. SP-X