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Ein Besuch bei einem der größten Spediteure für Liebhaberautos in San Francisco

21.02.2017 | Stand 02.12.2020, 18:37 Uhr

Foto: DK

Es gibt gottlob schönere und repräsentativere Gegenden als die Wright Avenue in Richmond. Doch Marketing-Manager Dmitriy Shibarshin kennt in der Bay-Area kaum einen besseren Platz für sein Geschäft. Denn zum Hafen sind es nur zehn Minuten, die Autobahnabfahrt ist zwei Kreuzungen entfernt, und sein Parkplatz ist groß genug für viele hundert Autos.

Und darauf kommt es an, wenn man sein Geld mit dem internationalen Transport von Liebhaberfahrzeugen aller Art verdient. Und das macht Shibarshins Firma West Coast Shipping seit 25 Jahren im ganz großen Stil. Schließlich ist sie eine der weltweit umtriebigsten Speditionen für Oldtimer, Luxuslimousinen, Sportwagen und alle anderen Autos, an die Petrolheads ihr Herz verlieren können. Kein Wunder also, dass schon der große Parkplatz in der Wright Avenue einem Motor-Märchenland gleicht, auf dem Sammlerstücke und Sportwagen stehen, die man sonst oft nur im Museum zu sehen bekommt. Von den besonders edlen PS-Preziosen in der piekfeinen Verladehalle ganz zu schweigen.
 
"Wir verschiffen 6000 Fahrzeuge im Jahr vom Motorrad über den Sportwagen bis hin zum Feuerwehrlaster", sagt Shibarshin - 75 Prozent davon nach Europa, allen voran nach Deutschland, in die Niederlande, nach Frankreich und nach Skandinavien." Aber auf der Landkarte in seinem Büro sind über 100 Häfen auf allen sechs Kontinenten markiert, die im Auftrag von West Coast Shipping angelaufen werden. Schließlich interessiert man sich auch in Japan und neuerdings in China für Oldtimer, die Scheichs am Golf wollen möglichst bequem an ihre Supersportwagen kommen, und ausgerechnet in der Ukraine boomt gerade das Geschäft mit gebrauchten Plug-in-Hybriden oder Elektroautos. "Warum auch immer", sagt Shibarshin, der längst aufgehört hat, sich über die Merkwürdigkeiten des Marktes zu wundern. So hat West Coast Shipping buchstäblich schon die ganze Welt beliefert. "Nur eine Sendung in die Antarktis fehlt uns noch. Aber was nicht ist, kann ja noch werden."

Dafür allerdings schickt Shibarshin neuerdings nicht nur Autos um die Welt, sondern holt auch wieder welche zurück: Vor allem alte Land Rover Defender und der Classic Mini hat es den Amerikanern angetan. "Denn während der Import von Youngtimern und aktuellen Exoten wegen unserer Zulassungsrichtlinien schier unmöglich ist, klappt das bei echten Oldtimern vergleichsweise leicht," sagt Shibarshin. Und während man einen alten Mercedes oder Porsche besser in Amerika als in Europa sucht, sind vor allem die englischen Klassiker rar jenseits des Atlantiks, weil sie dort nie oder zumindest nur kurz offiziell angeboten worden sind.

Schon an normalen Tagen steht das gewaltige Areal in der Wright Avenue voller als die Höfe der riesigen Autohändler in den USA. Und wenn Shibarshin seine Gäste durch die Halle führt, in denen er die besonders wertvollen Autos unterstellt, mahnt er zur Vorsicht, so eng stehen die Fahrzeuge beieinander. Doch jedes Jahr im August, wenn rund um den Concours im nahen Pebble Beach Zigtausende Old- und Youngtimer, Supersportwagen und Liebhaberautos versteigert werden, dann stößt die Logistik bei West Coast Shipping an ihre Grenzen. Im Viertelstundentakt rollen dann die Sattelschlepper vor die Halle und laden ab, was die Sammler aus aller Welt sich auf der Monterey Peninsula zusammengekauft haben.

Die Gabelstapler flitzen über den Hof wie die Ameisen, die Mitarbeiter zimmern die Transportsicherungen im Akkord, und für jeden Truck im Wareneingang verlassen zwei, drei Laster mit Containern das Gelände und machen sich auf den Weg zum Hafen - schließlich warten irgendwo auf der Welt die meist ebenso neugierigen wie nervösen Besitzer sehnsüchtig auf ihre Jungfernfahrt. 28 Tage dauert es von Los Angeles nach Bremerhaven, rechnet Shibarshin vor. Wer es eiliger hat, lässt von der Filiale in New York verschicken, die es in acht Tagen schafft. Und immer mal wieder müssen Shibarshin und seine Kollegen ein Auto auch per Luftfracht verschicken, weil es die Auftraggeber gar nicht abwarten können.

Mehr noch als am Oldtimer-Kalender hängt das Geschäft für West Coast Shipping aber am Dollarkurs. Denn je günstiger die Währung, desto günstiger die Preise. Aktuell sind die Preise noch immer ziemlich gut, sagt Shibarshin, und Autos wie die verschiedenen Generationen des Mercedes SL, der VW T1 oder der Karmann Ghia sind zum Teil viele Tausender billiger als in Europa. Und US-Muscle-Cars kauft man ohnehin am besten in Amerika. Dass dann noch einmal 1300 Dollar für den Transport dazukommen, fällt da bei Sammlerstücken wie einem Flügeltürer oder einem alten Mustang kaum mehr ins Gewicht.

Warum jemand partout den komplett ausgebrannten Porsche Turbo exportieren will, die Fragmente eines himmelblauen VW-Bus oder einen BMW i3 mit Totalschaden? Shibarshin denkt da lieber nicht drüber nach. Sondern er fragt sich nur, wie er das Zeug heil in den nächsten Container bekommt. "Auto ist Auto", wiederholt der Marketing-Mann und sieht zufrieden zu, wie behutsam seine Mitarbeiter das Frachtgut mit dem Gabelstabler über die Rampen bugsieren und in die Container schieben, bevor aus Holz spezielle Halterungen maßgefertigt werden, damit auch bei schwerem Seegang nichts verrutscht.