Es
E-Revolution in Paris

Weg in bessere Zukunft

29.09.2016 | Stand 02.12.2020, 19:14 Uhr

Paris (DK) Die Hersteller zeigen auf dem Pariser Autosalon den Weg in eine bessere Zukunft und wollen der intelligenten Elektromobilität doch noch zum Durchbruch verhelfen. Volkswagen und Daimler lassen zwei Autos auf die Bühne rollen, die für die neue Ära stehen – den VW I.D. und den Generation EQ.

Es gibt Produkte, die die Welt verändern. Allerdings müssen sie zum richtigen Zeitpunkt auf den Markt kommen. Als vor rund sieben Jahren der große E-Auto-Hype einsetzte, war sich die Fachwelt einig: Die Zukunft des Automobils ist elektrisch. Doch weil die Reichweiten zu kurz und die Preise zu hoch waren, blieben die wenigen erhältlichen E-Modelle größtenteils Ladenhüter. Die herbeigeredete E-Revolution verlief im Sande. Die Autobauer setzten weiter auf sparsame Diesel- und Hybrid-Technik. Doch dann kamen Tesla und der Abgas-Skandal. Nun scheint sich der Wind tatsächlich zu drehen. Auf dem Pariser Autosalon zeigen auch große Hersteller reine E-Autos. Und zwar keine abgehobenen Studien, sondern seriennahe Konzepte, inklusive Marktstartterminen und Preisen.

Diesel-Gate hat dem VW-Konzern schwer zugesetzt. Zuletzt gab man sich ungewohnt demütig. Doch nachdem VW vor Kurzem in den USA einen wichtigen Vergleich in Sachen Abgas-Skandal geschlossen hat, neigt sich die Phase der Bescheidenheit offenbar wieder dem Ende. Der traditionelle Konzernabend am Vorabend des Pariser Autosalons fand in der noblen Fondation Louis Vuitton statt. Einem spektakulär gestalteten Privatmuseum, dessen Bau angeblich rund 100 Millionen Euro gekostet hat. Der Abgasskandal wurde dort nur in Nebensätzen erwähnt. VW-Konzernchef Matthias Müller sprach von einem "historischen Einschnitt", trotzdem sei man "voll handlungsfähig". Mit dem Hinweis auf "Fortschritte in der Abarbeitung" war Diesel-Gate dann auch abgehakt. Das wieder erstarkte Selbstbewusstsein der Wolfsburger hat seine Gründe. Müller hatte eine spannende Nachricht im Gepäck: Der Volkswagenkonzern werde bald aus 13 Marken bestehen.

Der Name des neuen Unternehmens steht zwar noch nicht fest - doch könnte es tatsächlich ein wichtiger Schritt in die Zukunft sein. Denn in der neuen Marke werden sämtliche Mobilitätsdienstleistungen gebündelt. Vermutlich dürfte dabei auch der Fahrdienstleister Getto eine Rolle spielen, bei dem VW im Frühjahr mit rund 300 Millionen Dollar eingestiegen war. Feststeht: Die neue Marke wird ihren Sitz in Berlin haben - also sozusagen in der Start-up-Hauptstadt Deutschlands. Die Büros werden laut dem VW-Chef schon bezogen.

"Künftig wird längst nicht mehr jeder Ein Auto besitzen können oder wollen", sagte Müller. Trotzdem wird es wohl ein jahrelanger Spagat verschiedener Konzepte werden. "Die klassischen Antriebe werden noch mindestens 20 Jahre eine tragende Rolle spielen", so der Konzernchef. "Die Transformation, die vor uns liegt, wird eine gigantische Aufgabe."

Ebenso schnell wie Müller hakte dann VW-Markenchef Herbert Diess am ersten Messetag den Abgas-Skandal ab: Man sei zwar gerade mit einigen "Herausforderungen" konfrontiert, mache aber Fortschritte und habe alles relativ gut im Griff. Sichtlich erfreut, das Büßergewand abgelegt zu haben, präsentierte Diess ein Konzeptauto, das enorm wichtig für die Zukunft der Marke sein dürfte: den I.D. (ausgesprochen "Eidii"). Ein vollelektrisches Fahrzeug mit den Außenmaßen eines Golfs, aber mit der Innenraumgröße eines Passats. Beim Design haben sich die VW-Kreativen offenbar stark an Apple orientiert.

Diess sprach beim I.D. von einer Reichweite von bis zu 600 Kilometern und einer Auflademöglichkeit ohne Kabel. Das Auto soll bereits im Jahr 2020 auf den Markt kommen - zum Preis eines Diesel-Golfs. Schalter und Knöpfe sollen endgültig passé sein, und die Windschutzscheibe soll die Umwelt per Augmented Reality einbinden. Das Auto sei außerdem "bereit" für das autonome Fahren - was aber wohl nicht unbedingt heißen muss, dass es zum Marktstart schon dazu in der Lage ist. Vor allem was den Zeitplan angeht, scheint das Ganze ein extrem ambitioniertes Unterfangen.

Bei Audi hatte man sich dazu entschlossen, das Thema Diesel-Gate in Paris lieber ganz totzuschweigen. Der Ingolstädter Autobauer war zuletzt zusehends in den Fokus der Affäre geraten. Das Drama fand vor wenigen Tagen seinen vorläufigen Höhepunkt als Entwicklungschef Stefan Knirsch seinen Hut nahm - nach gerade mal einem Dreivierteljahr im Amt. Damit verließ der vierte Chefentwickler in vier Jahren das Unternehmen. Die Vorstände machten in Paris gute Miene zum bösen Spiel: Audi-Chef Rupert Stadler und Vertriebsvorstand Dietmar Voggenreiter präsentierten den so wichtigen neuen Q5 und den S5 Sportback. Heute steht gleich das nächste große Ereignis auf dem Plan: Das Werk in Mexiko, in dem der nächste Q5 gebaut wird, wird eröffnet.

Beim Stuttgarter Autobauer Daimler will man ebenfalls ganz oben auf der Elektrowelle mitschwimmen. Konzernchef Dieter Zetsche präsentierte eine neue Elektrostrategie: Ähnlich wie BMW mit i, gründet auch Daimler eine eigene E-Auto-Marke: EQ. Damit das nicht nur eine Worthülse bleibt, fuhr auch gleich das erste EQ-Showcar auf die Bühne: ein Elektro-SUV, deutlich als Mercedes zu erkennen. Auch hier gab es klare Ansagen statt blumiger Visionen: Marktstart soll bereits in drei Jahren sein. Der Preis auf Niveau eines aktuellen GLC liegen - die beginnen bei rund 45 000 Euro.

Ebenfalls mitspielen im Elektro-Konzert will Opel. Die Rüsselsheimer präsentierten den E-Ampera. Das Schwestermodell des Chevrolet Bolt soll es auf eine Reichweite von 500 Kilometern bringen und bereits ab Frühjahr 2017 verfügbar sein. Einen Preis nannte das Unternehmen noch nicht.

Der Münchner Autobauer BMW stellte einen E-Scooter vor und eine Studie des neuen X2, der im Jahr 2018 auf den Markt kommen soll - als Konkurrent zum Audi Q2. Ein E-Auto haben die Münchner mit dem i3 ja schon längst im Programm. Auch wenn sie damit vielleicht etwas zu früh dran waren - so ist das eben, wenn man die Welt verändern will.