Er
Die Liebe seines Lebens

08.04.2014 | Stand 02.12.2020, 22:50 Uhr

 

Er ist aus Edelstahl. Gebürstet. Rostfrei“, seufzt ein Mann beim Anblick eines DeLorean und streichelt sanft über die Karosserie, um keinen Fingerabdruck zu hinterlassen. Der Sportwagen mit den Flügeltüren ist bekannt aus den „Zurück in die Zukunft“-Filmen. „Edelstahl? Wie meine Küchenspüle. Aufwendig in der Pflege“, denkt sich vielleicht eine Frau angesichts der kantigen Fahrzeuge. Wolfgang Hank, 46, liebt die Marke seit Kindertagen und hat sich europaweit einen Namen als Werkstattbetreiber gemacht, der sich speziell mit DeLorean auskennt.

Hank ist in Friedberg aufgewachsen und lebt in Ecknach. Deshalb hat der DeLorean, mit dem er meistens fährt, auch ein Aichacher Kennzeichen. Nicht etwa die Kinofilme mit Michael J. Fox lösten bei ihm das Herzklopfen für die vorwiegend silbernen Schlitten aus. „Mein Volksschullehrer hat mir, da war ich zwölf, einen Autokatalog gegeben. Binnen Tagen konnte ich ihn auswendig“, erinnert er sich. Darin war auch ein DeLorean abgebildet.

9000 dieser Sportcoupés wurden 1981 und 1982 in Irland gebaut. „Es ist kein US-Car“, räumt Hank mit einem weit verbreiteten Irrtum auf. Amerika war lediglich der Hauptabsatzmarkt, bevor die Firma in Insolvenz ging. Die, ist Wolfgang Hank überzeugt, sei dem Geschäftsgebaren ihres Gründers John DeLorean geschuldet. „Den Betrieb hätte man retten können, doch er rückte die US-Vertriebsrechte nicht heraus.“ So blieb es bei einer Auflage von rund 9000 Stück, und eine Legende war geboren.

Seit 18 Jahren betreibt Wolfgang Hank eine Autowerkstatt in Augsburg, seit zehn Jahren mit derzeit acht Mitarbeitern an der Blücherstraße in Lechhausen. Zwar kümmert er sich auch um ganz normale Fahrzeuge, doch DeLorean-Besitzer aus ganz Europa bringen ihm ihre Wagen zur Reparatur. Die lange Wartefrist, momentan ein halbes Jahr, nehmen sie in Kauf, um von „Deloman“ fachkundig versorgt zu werden.

Der DeLorean verfügt über eine Karosserie aus gebürstetem Edelstahl. Da das Material deutlich dünner verbaut wird als das Blech herkömmlicher Wagen, wiegt er nur um die 1200 Kilogramm. Besonders an diesem Typ ist, dass man bei ihm auf Sicherheit großen Wert legte – zu einer Zeit, als das noch keineswegs üblich war. So faltet sich die Front aus Glasfaserverbund-Kunststoff bei einem Auffahrunfall quasi in sich zusammen, die Fahrgastzelle bleibt intakt. Es gibt eine Sicherheits-Lenksäule und einen weichen Pralltopf. Der DeLorean ist ein reiner Zweisitzer. Vieles an ihm ist europäisch, sogar deutsch, fast gar nichts amerikanisch. Die Elektronik stammt von Bosch, die Stoßfänger hat Phönix in Hamburg gebaut, die Pressen für die Flügeltüren Läpple Heilbronn entwickelt. Motor und Getriebe haben Peugeot, Volvo und Renault zu verantworten, die Heckklappe und das Gitter, das den Motor abdeckt, hat Ferrozell in Augsburg hergestellt.

Ursprünglich war geplant, den DeLorean mit einem V 8-Motor auszustatten, doch die Ölkrise in den 70er Jahren gab den Entwicklern zu denken. So blieb es beim V 6 mit wahlweise fünf Gängen oder drei Automatikstufen. Damit schafft es der Wagen dank seiner Windschnittigkeit auf 200 Stundenkilometer. So schnell darf man in den USA sowieso nirgends fahren.

Wolfgang Hank kann Details, von denen man nicht wusste, dass es sie gibt, nur so runterrasseln. Er kennt DeLorean wie wohl kaum ein Zweiter. Bevor es das Internet gab, sinniert er, sei es ein echtes Abenteuer gewesen, an Hintergrundwissen oder Ersatzteile zu kommen. Wenn jemand ein miserables Wrack zu ihm bringt, dem niemand mehr eine Chance geben möchte, entfacht es seinen Ehrgeiz, ihm ein zweites Leben zu schenken. Dabei achtet er geradezu versessen auf vermeintliche Kleinigkeiten. Ist etwa die lederne Lenkradhülle zu ersetzen, so wird die neue mit genauso vielen Stichen genäht wie die originale. Zählt da jemand nach? Darauf kommt es dem 46-Jährigen nicht an. Er wüsste es, wenn ein Unterschied bestünde. Vermutlich brächte es den umtriebigen Mann um seinen Nachtschlaf.

„Wir erhalten so original wie möglich und optimieren so viel wie nötig“, erklärt er seine Passion als „Schrauber“, der auch gerne mal abends oder am Wochenende den Kopf in einen Motorraum versenkt. Wer ihm seinen Wagen bringt, den erwartet „Wertarbeit“, wie Hank stolz sagt. Einen halben Tag lang wird das Vehikel auf Herz und Nieren untersucht. Dann werden drei Punkte geklärt: Zulassungs- und Betriebsfähigkeit, Betriebssicherheit sowie „Nice to have“, hübscher Schnickschnack, den der DeLorean-Besitzer gern hätte, aber nicht braucht.

Hank verfügt über Europas größtes einschlägiges Ersatzteillager. Als das Werk in Irland schloss, ersteigerte ein Broker aus Königsbrunn Container mit allerlei Originalteilen. Über Umwege konnte Hank nach Jahrzehnten den Vorrat kaufen. „Da war zum Beispiel eine beige Innenausstattung dabei. Die kam daher, dass einmal drei goldene DeLorean geordert worden waren. Ein Kunde aber bestand auf schwarzer Einrichtung. So blieb die beige-braune übrig.“

Hank wäre nicht Hank, hätte er geruht, eher er ein passendes Auto zu den ungewöhnlichen Sitzen gefunden hatte. Er bekam einen Unfallwagen herein. Der hatte nur 5000 Meilen runter, war aber 20 Jahre in der Sonne Arizonas gestanden. Alle sagten, er tauge nur noch für die Presse. Der Ecknacher aber gab nicht auf. Als er den Wagen so weit fertig hatte, stand er vor der Frage nach der Farbe. Gold sollte es sein, doch ein Lack kam nicht in Betracht, der hätte die Bürstung ruiniert. „Ich dachte daran, ihn vergolden zu lassen wie die anderen drei.“ Degussa (seit 2003 Umicore) hatte das gemacht. „Es hätte 50 000 Euro gekostet“, stöhnt Hank. Einfach zuviel. Endlich fand er bei Dresden einen Experten, der ihm eine Lasur entwickelte. „Zigmal hab ich den Kotflügel hin und her geschickt, bis ich mit dem Ergebnis zufrieden war.“ 2012 fuhr er das goldene Auto bei der Oldtimer-Alpen-Rallye in Kitzbühel. „Eigentlich dürfen bei der nur Autos mitmachen, die mindestens Baujahr 1976 auf dem Buckel haben. Für uns haben sie die Statuten geändert.“

In einem Raum neben der Werkstatt hat Wolfgang Hank ein DeLorean-Zimmer eingerichtet. Dort hortet er allerlei Sammlerstücke und Kuriositäten. Ein Flipper „Zurück in die Zukunft“ steht da, und in zwei Vitrinen stapeln sich die Modelle. Ein ganz winziges, rotes trägt sogar sein Aichacher Kennzeichen. Es ist ein maßstabsgetreuer Nachbau eines seiner Wagen. Sogar die PC-Tastatur, auf der Michael Schäfer 2010/2011 die Fan-Bibel „Zu früh für die Zukunft: Das DeLorean Drama“ tippte, findet man. Sie fiel im August 2011 einer Tasse Pfefferminztee zum Opfer. Außerdem hat Hank DeLorean-Schuhe im Schrank, die einst Nike herstellte. Silbern, mit einer Haptik wie gebürsteter Edelstahl. „Die sind ganz schön unbequem“, grient er. „Die ziehe ich nur zu besonderen, offiziellen Gelegenheiten an.“ Trotzdem hat er auch für seine 15-jährige Tochter Vroni ein Paar erstanden, als sie noch nicht im vierstelligen Bereich gehandelt wurden.

Außerdem ruft er in einem Kunstprojekt dazu auf, sich dem Kultobjekt auf diese Weise zu nähern. Diverse Bilder in verschiedenen Techniken hat er so gesammelt. Und natürlich begleitet den echten Fan ein Kalender durchs Jahr oder, besser, über 14 Monate. Hank liebt es, seinen Schlitten zum „Guerilla-Shooting“ rasch irgendwo abzustellen, wo es eigentlich nicht erlaubt ist. An einem Sonntagnachmittag vor der Semperoper, auf dem Denkmal beim Friedensengel in Berlin oder am Arc de Triomphe in Paris. So entstehen spontane Aufnahmen, die die klassischen Formen des DeLorean nicht verleugnen.

Geht es nach dem 46-Jährigen, soll ruhig die ganze Welt erfahren, was der DeLorean für ein tolles Auto ist. Konsequenz: Er möchte sich mit ein paar Gleichgesinnten auf die „DeLorean World Tour“ machen. Im Dezember 2015 soll es losgehen. Von Deutschland aus wollen sie unter anderem die Türkei und den Iran, Indien, Nepal, Australien und die USA erobern, um dann, und das steht auf jeden Fall fest, am 26. Mai 2016 in Belfast zu sein.

Ein halbes Jahr weg von der Werkstatt, geht das? Und schon spricht wieder der Besessene: „Wenn sie das nicht aushält, soll sie verrecken. Sonst hab ich in den Jahren bisher was falsch gemacht, dann hat schon was gefehlt. Nach 20 Jahren muss ein Handwerksbetrieb das überstehen.“ DK