Der fahrende Konzertsaal

Wer es sich leisten kann, rüstet sein Auto mit Audio-Anlagen auf, um in Ruhe Musik zu genießen

02.06.2017 | Stand 02.12.2020, 18:01 Uhr

Wohlklang hat seinen Preis: Wer Burmester-Hörgenuss im Maybach haben will, muss bis zu 25 000 Euro zahlen. - Foto: Mercedes-Benz

Das Auto ist für viele Musikliebhaber das letzte Refugium audiophiler Entspannung. Auf den eigenen vier Reifen kann kein Nachbar meckern, kein Familienmitglied den persönlichen Musikgeschmack in Frage stellen. Die Autohersteller haben das erkannt: Vor allem Premiumautos lassen sich mittlerweile mit Highend-Hifi-Systemen ausstatten, die die heimische Audio-Anlage locker in den Schatten stellen.

Die Preisspanne reicht von gehoben bis gewaltig.

Jahrzehntelang gab es auf den Optionslisten der Autohersteller nur prosaische Posten wie etwa "Audiosystem Highend Plus". Erst seit der Jahrtausendwende werben die Autohersteller offensiv mit den Markennamen ihrer Hifi-Zulieferer. Audi etwa setzte Anfang der 2000er auf den Klang von Bang & Olufsen, im VW Phaeton verantwortete der dänische Hersteller Dynaudio die Akustik. Lexus hatte sich Mark Levinson geangelt, eine bei Hifi-Freaks hochangesehene, in Europa aber ansonsten kaum bekannte Marke. Damals waren derartige Posten auf der Optionsliste aber noch die Ausnahme.

Mittlerweile jedoch hat fast jeder Autohersteller einen oder mehrere Haus- und Hof-Hifi-Zulieferer. Die gemeinsam entwickelten Audiosysteme sollen nicht nur akustisch überwältigen, sondern auch optisch überzeugen. Volvo etwa integriert die Anlage in seinen neuen 90er-Modellen so, dass sie zu einem echten Hingucker wird: Mitten auf dem Armaturenbrett thront ein Hochtöner, der ein dreidimensionales Klangbild erzeugt und nebenbei in seiner kühlen Techno-Optik wie eine kleine Skulptur wirkt. Dabei ist er nur ein Teil des optionalen, 1400 Watt starken "Premium Sound Systems" von Bowers & Wilkins mit seinen insgesamt 19 Lautsprechern. Darunter finden sich Hoch-, Mittel- und Tieftöner sowie ein völlig neuer Subwoofer. Weit mehr als die durchschnittliche Heim-Stereoanlage bieten kann.

Nicht nur der Materialaufwand sorgt im Auto für überlegenen Klang. Vor allem die teureren Systeme werden dem Innenraum auf den Leib geschneidert, etwa wenn die Hifi-Spezialisten von Burmester einen Maybach ausstaffieren oder Harman-Edeltochter Sinn dem Tesla Model S den richtigen Sound verpasst. Das Auto ist ein dankbarer Partner: Der Hörraum ist im Gegensatz zum Eigenheim klein und exakt definiert, bei der Anpassung der Anlage kennt der Audio-Zulieferer alle Abstände, alle Störquellen und alle Reflexionen. Teilweise können die Akustikspezialisten schon in den Grundzügen der Modellentwicklungen mögliche Einbauorte für die Lautsprecher mitbestimmen.

Der Wohlklang hat allerdings seinen Preis: Wer Burmester-Hörgenuss im Maybach haben will, muss bis zu 25 000 Euro zahlen. Das klingt viel, relativiert sich jedoch, wenn man die gerne mal sechsstelligen Preise der Heim-Stereoanlagen der Marke kennt. Auch bei anderen Herstellern müsste man für ein vergleichbares Klangerlebnis in den eigenen vier Wänden mehr Geld ausgeben. BMW etwa verlangt für das 360 Watt starke Sound System von Harman Kardon (360 Watt) im 1er 790 Euro, bei Audi kostet die 755 Watt starke B&O-Anlage im A5 1140 Euro und Volvo kassiert für die Bowers & Wilkins-Technik im V90 (1400 Watt) 3570 Euro.

Wer mehrere Zehntausend Euro für einen Neuwagen ausgibt, kann das verschmerzen. Entsprechend gut läuft das Geschäft für Hifi-Hersteller und Autobauer. Beim Luxus-SUV Volvo XC90 etwa wird jedes Dritte Auto mit der Highend-Anlage ausgeliefert. Und selbst beim deutlich bürgerlicheren XC60 sind fast 20 Prozent der Käufer spendable Audiophile, die im Auto endlich mal in Ruhe Musik genießen wollen. ‹ŒSP-X