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BMW 7er: Auf Wolke sieben

01.09.2015 | Stand 02.12.2020, 20:51 Uhr

Das Tablet im 7er-Fond lässt sich zur leichtereren Bedienung aus der Halterung herausnehmen (oben). Der Display-Schlüssel zeigt verschiedenste Fahrzeugdaten an. Genial auch des Head-Up-Display des 7er.

Bitte nicht wundern: Falls Sie einmal von einer Luxuslimousine überholt werden, in der die Fondpassagiere seltsame Verrenkungen und ein angestrengtes Gesicht machen – dann schauen Sie genauer hin. Handelt es sich um den neuen BMW 7er, brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen: Die Fahrgäste machen nur das bordeigene Fitnessprogramm. Wer gut ist, wird am Ende mit virtuellen Sternen belohnt. Wie das geht? Das Flaggschiff der Münchner nutzt die Sensorik der Rückenmassage-Luftpolster, um festzustellen, mit welcher Kraft man sich in den Sitz presst. Das klappt tatsächlich – sieht allerdings etwas komisch aus. Doch natürlich ist diese Funktion nur eine der vielen technischen Neuheiten im 7er.

Den meisten Passagieren dürfte der Sinn wohl eher nach Entspannung stehen – und diese Übung beherrscht derzeit kaum ein Auto so perfekt wie der neue 7er. Hauptgrund dafür ist das gelungene Fahrwerk, das eine gigantische Komfort-Spreizung parat hält: Im Sport-Modus spannt der 7er die Dämpfer an und macht sich straff, um flott durch die Kurven zu kommen – ohne dabei unangenehm hart zu werden. Wer gerne wie in einer Sänfte reist, wählt den Comfort-Modus, der sich per „Plus“-Option auf wolkenartiges Niveau steigern lässt. Im Adaptive-Modus macht der 7er alle Arbeit alleine und entscheidet per Sensorik über die benötigte Abstimmung. Bei flotter Fahrt sportlich, bei langen Geraden sanft – das klappt ausgezeichnet.

Überhaupt reist man im 7er gerne freiwillig in der zweiten Reihe. Besonders dann, wenn es sich um die Langversion handelt. In unserem Fall um den 750 Li xDrive – also den Top-Benziner mit 450 PS und Allradantrieb. Vorausgesetzt man verfügt über mindestens 112 700 Euro – so viel kostet diese Variante nämlich laut Liste in der Basis. Steht noch ein Chauffeur parat, lässt man auf dem Platz hinten rechts per Knopfdruck schnell mal den Beifahrersitz nach vorne klappen, um es sich dank der Fußablage so richtig bequem zum machen. Derart gebettet kann man entweder dösen oder – wenn es unbedingt sein muss – mit einem ausklappbaren Tisch arbeiten.

In der Mittelkonsole im Fond klemmt ein 7-Zoll-Tablet von Samsung, über das sich zahlreiche Funktionen von der Ambiente-Beleuchtung, über die Klimatisierung bis hin zum Massageprogramm steuern lassen. Clever: Das Tablet dient auch als Touchscreen, um die beiden Monitore an den Rückseiten der Vordersitze zu bedienen. So muss man seine bequeme Sitzposition nicht aufgeben. Das Tablet lässt sich auch herausnehmen – per Knopfdruck wird es surrend von einem schicken Mechanismus angehoben, um es besser greifen zu können. Legt man es wieder hinein, wird es wieder von zwei Plastikschiebern zart schmatzend in Empfang genommen.

Doch auch hinter dem Steuer ist der neue 7er ein Vergnügen. Fahrdynamisch lässt der 750Li xDrive mit Allradantrieb, 450 PS und einem Drehmoment von 650 Nm keine Wünsche offen. Doch auch ein paar Nummern kleiner ist der 7er noch ausreichend zügig unterwegs: der 730d (ab 81 900 Euro) mit dem Diesel-Reihensechszylinder bleibt dazu beindruckend leise. Die Achtgang-Automatik sortiert die Gänge derart zart, dass der Fahrer vom Schaltvorgang nicht nur wenig, sondern im Prinzip überhaupt nichts mehr mitbekommt – es sei denn, er schaut auf den Drehzahlmesser.

Das digitale Tachofeld ist durch die hohe Auflösung gut ablesbar, kann aber etwa mit Audis Virtual Cockpit nicht mithalten. Warum man auf das Display Chromringe aufbringen musste, ist das Geheimnis der BMW-Designer. Die Möglichkeiten dieser Fläche sind etwas verschenkt. Da wendet man den Blick lieber dem eine Etage höher dem hervorragenden Head-Up-Display zu.

Ein praktisches Feature ist die Gestenbedienung: Per kreisendem Zeigefinger auf Höhe der Mittelkonsole lässt sich Musik lauter oder leiser machen, nervige Handyanrufe lehnt man per Handwisch ab – falls man doch rangehen muss, führt man die Geste in die andere Richtung aus. Legt man den Rückwärtsgang ein, kann man die 3D-Perspektive rotieren lassen, indem man mit der Hand eine Art Schnapp-Geste macht und dann hin- und herfährt. In dieser Technik steckt viel Arbeit: „Es war gar nicht einfach, Gesten zu finden, die weltweit sozialverträglich sind“, erklärt 7er-Projektleiter Walter Schindlbeck.

Selbst wenn gar kein Fahrer an Bord ist, kann der 7er mit seiner Technik auftrumpfen. Das Auto kann nämlich in Längslücken automatisch ein- und ausparken. Eine klasse Funktion in engen Tiefgaragen. Gesteuert wird der Vorgang mit dem schicken Display-Schlüssel, der auf eine Entfernung von bis 30 Metern mit dem Auto in Kontakt ist und etwa die Reichweite anzeigen kann oder Klimaanlage hochfahren lässt. Abgesehen vom praktischen Nutzen, dürfte der Nachbar bei diesem Schauspiel vor Neid erblassen.

Die unglaubliche Technik-Fülle des 7er ist beeindruckend und hat nur einen kleinen Nachteil: Wer den Großteil der Funktionen nutzen will, braucht eine mehrstündige Einweisung. Auch die Fitness-Funktion will gelernt sein: Von 15 möglichen Sternen haben wir beim ersten Versuch keinen einzigen errungen. DK