"Autobauer werden Datenverarbeiter"

Gespräch mit der Informatikerin Daniela Nicklas

28.10.2014 | Stand 02.12.2020, 22:03 Uhr
Die Bamberger Informatikerin Daniela Nicklas. −Foto: Uni Bamberg

Ingolstadt (DK) Wie sieht die Mobilität von morgen aus? Über dieses Thema diskutieren nächste Woche Experten aus der Automobilbranche auf dem Kongress "Mobilität querdenken" in Ingolstadt. Wir haben uns im Vorfeld mit zwei der Referenten unterhalten – unter anderem mit der Bamberger Informatikerin Daniela Nicklas.

Am 4. November treffen sich Unternehmen aus der Automobilindustrie im Audi-Sportpark in Ingolstadt unter dem Motto „Mobilität querdenken“, um über die Zukunft der Mobilität zu diskutieren. Gastgeber ist die von der bayerischen Staatsregierung ins Leben gerufene Kooperationsinitiative der Automobilzulieferindustrie BAIKA. Zu den Referentinnen gehört die Bamberger Informatik-Professorin Daniela Nicklas (Foto). Sie spricht beim Kongress zum Thema „Die Datenspur der Mobilität – Big Data und andere Herausforderungen“.

Frau Nicklas, Ingolstadt kämpft täglich mit Staus. Lässt sich dieses Problem einfach mit dem Bau neuer Straßen lösen?

Daniela Nicklas: Meiner Meinung nach nicht.

Neue und breitere Straßen ziehen ja nur wieder mehr Autos an. Das Einzugsgebiet für Betriebe wird erweitert, die Leute ziehen noch ein wenig weiter raus – und stehen am Ende doch wieder im Stau. Auch, dass in einem fünfsitzigen Auto oft nur eine Person sitzt – so etwas können wir uns in einem so dicht besiedelten Land wie Deutschland auf Dauer nicht leisten.

Was also tun? Auf Fahrrad, Bus und Carsharing umsteigen?

Nicklas: Das ist auf jeden Fall eine Option, wenn das stadtplanerisch mit unterstützt wird. Man muss ganzheitlich denken: Wo sind die Arbeitsplätze? Wo kann man wohnen? Es gilt über neue Verkehrswege nachzudenken, die eben nicht nur auf dem Auto beruhen.

Das erfordert aber ein gewaltiges Umdenken bei den Leuten, die ihr Auto gewohnt sind.

Nicklas: Schauen Sie: Ich war gerade sechs Jahre in Oldenburg – da wird man komisch angeschaut, wenn man eine Kurzstrecke mit dem Auto fährt. Dort ist es völlig normal, dass sämtliche Altersgruppen und Gesellschaftsschichten Fahrrad fahren. Man sollte auch die positiven Nebeneffekte bedenken – etwa für die Gesundheit.

Sie beschäftigen sich unter anderem mit „verknüpfter Mobilität“. Werden wir in Zukunft jeden Morgen aufs Smartphone schauen, das uns dann täglich eine andere Route vorschlägt – je nach Verkehrslage und Wetter?

Nicklas: Das ist eine passende Vorstellung. Für mich als Informatikerin geht es darum, die richtige Information zur richtigen Zeit zu den richtigen Leuten zu bringen. Gerade in Sachen Mobilität ist es wichtig, bestens über die Situation Bescheid zu wissen – also Verkehr, Wetter usw. Aber ebenfalls interessant ist beispielsweise: Was machen meine Nachbarn? So könnte ich eine Mitfahrgelegenheit finden. Im ländlichen Raum könnte es dynamische Buslinien geben, die genau dann fahren, wenn zu einer bestimmten Zeit genug Leute da sind. Je mehr man über die Bedürfnisse weiß, desto intelligenter kann man Lösungen finden. Und die Lösungen könnten jeden Tag anders sein.

Sind Daten also für Sie das „Öl der Zukunft“?

Nicklas: (lacht) Ja, das kann man so sagen.

Da stellt sich natürlich die Frage nach der Datensicherheit.

Nicklas: Klar. Aber sich diesen Zukunftsthemen einfach zu verweigern, ist der falsche Weg. Man muss dieses Problem von drei Seiten angehen: Der Datenschutz muss gesetzlich einen hohen Stellenwert haben, der Datendiebstahl muss technisch erschwert werden, und man muss ein gesellschaftliches Bewusstsein für das Thema schaffen.

Audi forscht – genau wie viele andere Hersteller – an selbstfahrenden Autos. Welche Vorteile könnten uns solche Fahrzeuge bringen?

Nicklas: Das wird ganz sicher kommen – und es wird eine Revolution werden, wenn man nicht mehr unbedingt einen Fahrer braucht. Die Taxifahrer regen sich gerade über den Dienst Uber auf – aber mit autonom fahrenden Autos kann ich mir jederzeit mein selbstfahrendes Taxi rufen. Das wird ungleich günstiger sein. Dazu bringen autonom fahrende Autos mehr Bequemlichkeit und verbessern den Verkehrsfluss. Ein weiterer Meilenstein werden sich selbst parkende Autos werden: Auf Straßen in Wohngebieten wird man keine Parkplätze mehr brauchen. Das Auto verschwindet irgendwo in einer großen Tiefgarage. Das wird nicht nur die Art unserer Fortbewegung drastisch verändern, sondern auch die Aufgaben der Automobilhersteller.

Was meinen Sie damit?

Nicklas: Die Automobilhersteller wandeln sich zu riesigen Datenverarbeitern. Wir haben uns früher über die Kameraautos von Google-Streetview aufgeregt – aber bald hat jedes Auto genau solche Sensoren. Mit dem autonomen Fahren wird die gesammelte Datenmenge riesig werden. Wenn jedes Auto diese Daten nach Hause funkt, dann kann jeder Betreiber einer Autoflotte die Welt fast flächendeckend hochdynamisch abtasten. Und das ist auch der Grund, warum Google Autos bauen will. Es ist eine weitere Datenquelle – und eine extrem gute.

Sie wohnen in Bamberg. Haben Sie da ein eigenes Auto?

Nicklas: Nein. Ich bin hier Mitglied im Carsharing-Klub. Ansonsten laufe ich oder nutze Fahrrad, Bus, Bahn und Taxi.

Sie leben also das, was sie einfordern.

Nicklas: Ich empfinde es als einen großen Gewinn an Lebensqualität kein eigenes Auto mehr zu brauchen. Das funktioniert wunderbar.

 

Die Fragen stellte Sebastian Oppenheimer.