Audi zeigt sein neues Gesicht

In Los Angeles enthüllt der Autobauer die Studie Prologue – und die offenbart, wohin die Reise geht

19.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

Der Entwurf des Audi "Prologue"

Was hat sich Audi-Chef Rupert Stadler in den vergangenen Jahren nicht alles über das Design seiner Fahrzeuge anhören müssen: „Schon schön, aber . . .“ Und dann ging’s los: Die Modelle seien zu ähnlich, die Neuheiten zu mutlos und zu wenig progressiv. Lange stieß diese Kritik bei Audi auf taube Ohren: Benebelt vom Rausch des Erfolgs war man eingenickt. Sicher: Dem aktuellen Audi-Design wohnt eine gewisse Zeitlosigkeit inne – trotzdem wurde immer deutlicher, dass der Ingolstädter Autobauer in eine gestalterische Sackgasse gefahren war.

Tiefpunkt war im vergangenen Jahr die auf der IAA in Frankfurt vorgestellte Studie Nanuk, die eher Fragen aufwarf als beantwortete. „Wohin will Audi eigentlich“, rätselte man beim Anblick des skurrilen Crossover-Modells.

Letztendlich schrillten aber auch in der obersten Führungsriege des Mutterkonzerns VW die Alarmglocken. Denn im Lärm des Modellfeuerwerks von Mercedes und der Carbon-Elektro-Offensive von BMW drohten die Ingolstädter unterzugehen. Es fehlte ein klarer Plan, wie Audi in die Zukunft fahren soll. Also warf man den Rettungsanker: Entwicklungschef Wolfgang Dürheimer wurde gegen den 63-jährigen VW-Technik-Veteranen Ulrich Hackenberg ausgetauscht. „Hacki“, wie er intern genannt wird, ist ein enger Vertrauter von VW-Konzernchef Martin Winterkorn – dementsprechend gewichtig ist sein Wort auch in Ingolstadt. Kurz darauf wurde Audi-Designchef Wolfgang Egger durch VW-Mann Marc Lichte ersetzt – angeblich Hackenbergs Wunschkandidat.

Lichte soll es richten. Während Hackenberg den Slogan „Vorsprung durch Technik“ schnell wieder mit Inhalten füllen will, soll Lichte sich darum kümmern, dass die Autos diesen Vorsprung auch nach außen hin ausstrahlen.

Auf der Los Angeles Auto Show steht nun Marc Lichtes Vision von Audis Zukunft: die Studie Prologue. Dabei handelt es sich um ein Oberklasse-Coupé, abgeleitet von einer zukünftigen Generation des A8 – im Prinzip ist also ein Audi A9 zu sehen. Das Auto ist sozusagen Lichtes Gesellenstück. Zwar ist der 45-Jährige nun offiziell schon seit Februar an Bord – doch in der Automobilbranche ticken die Uhren durch die langen Entwicklungszyklen zwangsweise langsamer als in der digital beschleunigten Welt. Zahlreiche Audi-Modelle hatten schon vor seinem Antritt das Stadium des sogenannten Design-Freeze erreicht – so nennen die Autobauer den Zeitpunkt, wenn an der Form nichts mehr verändert werden darf. An den Modellen A4 und Q7, die im nächsten Jahr abgelöst werden, konnte Lichte wohl höchstens noch Details verändern.

Der Prologue soll nun der erhoffte Befreiungsschlag sein, ein Kompass für das zukünftige Audi-Design. Tatsächlich wirkt die in Los Angeles vorgestellte Studie für Audi-Verhältnisse recht radikal: schärfer, straffer, extrovertierter. Die elegante Dachlinie und die muskulösen Flanken ergeben ein spannendes, aber harmonisches Wechselspiel.

Allerdings wird die hauseigene Welt nun auch nicht derart auf den Kopf gestellt wie einst bei BMW durch die Modelle unter der Führung von Chris Bangle. Der Audi-typische Single-Frame-Grill wird (leider) noch dominanter: Er wandert etwas weiter nach unten, erstreckt sich aber deutlich mehr in die Breite – bis weit unter die Scheinwerfer. So wirkt er noch riesiger und aggressiver. Die Scheinwerfer werden schmaler und eckiger. Die Audi-Front weist nun insgesamt eine starke Ähnlichkeit zum Aston Martin DB9 auf.

Technisch wegweisend ist die Studie im Innenraum. Die komplette Instrumententafel wird zur Anzeigenfläche. Auf einem Touchscreen links vom Lenkrad lassen sich das Licht und die Assistenzsysteme steuern. Der Touchscreen rechts ist für die Mediensteuerung zuständig. Eine kleine Revolution: Der Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole, an dem sich die Audi-Ingenieure die vergangenen Jahre festklammerten, ist verschwunden – er wird ebenfalls durch einen Touchscreen ersetzt. Dieser besteht aus einer dünnen, flexiblen OLED-Folie, die sich mit dem Starten des Autos aufrichtet – das soll die Bedien-Ergonomie verbessern.

Großes Kino gibt es auch für den Beifahrer: Er hat ebenfalls einen riesigen Touchscreen vor sich. Auf diesem kann er etwa Musik auswählen oder Routen berechnen. Der Clou: Per Wischbewegung kann der Copilot dem Fahrer die fertige Route sozusagen in dessen Display hinüberschubsen. Das dürfte aber wohl zunächst als Showcar-Schminke abzuhaken sein.

Dass der Prologue indes als neues Audi-Flaggschiff A9 in Serie geht, gilt Insidern zufolge als sicher – dann allerdings mit zwei Türen mehr als auf den gezeigten Bildern. Offiziell gibt es noch keine Bestätigung. Fakt ist aber: Viertürige Coupés liegen derzeit im Trend. Und nicht zuletzt könnten die Ingolstädter mit einem A9 – wie immer er dann auch heißen mag – der Konzernschwester Porsche und ihrem Panamera etwas Mächtiges entgegensetzen. Vom Band rollen dürfte der durchtrainierte Riese im Werk in Neckarsulm, wo auch der A8 gebaut wird. Frühester Termin für den Serienstart wäre 2018.

Ganz so lange wird es aber nicht dauern, bis man Lichtes Handschrift in Form eines Audi auf der Straße sieht. Die Front des Prologue ist ein Vorausblick auf das Design des neuen Audi A8 – und der soll bereits Ende 2015 Premiere feiern.