Wolnzach
"Die Sortenvielfalt nimmt zu"

Der Wandel des Biermarkts macht auch vor den Hallertauer Hopfengärten nicht Halt

29.04.2016 | Stand 02.12.2020, 19:53 Uhr

Neue Hopfensorten mit besonderen Aromen - hier Fechser aus dem Hopfenforschungszentrum Hüll - werden in der Hallertau erst seit 2012 angebaut. Mittlerweile machen sie schon drei Prozent der Anbaufläche aus, weil der Bedarf vor allem bei Brauern von Spezialbieren groß ist. - Foto: Zurek

Wolnzach / Schrobenhausen (SZ) Der Biergeschmack wandelt sich - langsam aber sicher. Weg vom Einheitshellen, hin zu Bierstilen mit kräftigen, fruchtigen Hopfenaromen. Diesen Trend haben auch die heimischen Hopfenpflanzer erkannt.

Die Bierkultur ist im Wandel, seit die Craftbeer-Bewegung in Deutschland Fuß gefasst hat. Exotische und ganz und gar unbayerische Biersorten wie Ale, Geuze und Porter sind längst nicht mehr nur Spinnereien kleiner Hausbrauer: Auch viele größere Brauereien in der Region haben schon ihr eigenes "India Pale Ale" (IPA) im Sortiment. Dieses fruchtige, stark hopfige Bier wird immer beliebter - und ist in der Bierbrauszene eigentlich schon wieder Schnee von gestern. "Session Ale" und Sauerbier heißen die aktuellen Biertrends. Und ebenso experimentierfreudig wie mit den Braustilen sind die Brauer beim Hopfen.

Die Hopfensorten der Hallertau heißen längst nicht mehr nur Herkules, Magnum, Tradition oder Perle: Als vor vier, fünf Jahren die Craftbeer-Welle von den USA nach Deutschland übergeschwappt ist, hat auch hierzulande der Aufstieg sogenannten Flavor-Hopfensorten begonnen. Das sind Züchtungen mit neuartigen Hopfenaroma- und Geschmacksnoten, die mal an Zitrusfrüchte, mal an Honigmelone, mal an Gletschereisbonbons erinnern. "2012 sind bei uns die ersten vier dieser trendigen Hopfensorten produziert worden", erinnert sich Johann Pichlmaier, Präsident des Verbands Deutscher Hopfenpflanzer: Mandarina Bavaria, Hüll Melon, Polaris und Hallertau Blanc. Es folgten die amerikanischen Sorten Cascade und Comet. "Und heuer haben wir wieder zwei neue Sorten in den Boden gebracht: Callista und Ariana", berichtet Pichlmaier. "Die Sortenvielfalt nimmt zu." Die neuen Züchtungen des Hüller Hopfenforschungsinstituts sind übrigens geschützt - nur lizenzierte Landwirte mit entsprechenden Verträgen dürfen sie anbauen.

Einer davon ist der Burgstaller Hopfenpflanzer Richard Stockmaier. "Mit den neuen Sorten ist man nicht auf der verkehrten Seite - die Nachfrage ist da", sagt er. Er baut die Sorte Hüll Melon seit bald drei Jahren auf mittlerweile rund zwei Hektar an. "Wir haben die Fechser damals kurz nach Markteinführung eingesetzt", erzählt er. "Und vergangenes Jahr hatten wir zum ersten mal vollen Ertrag."

"Neue Hopfensorten in den Markt einzuführen ist nicht ganz einfach", sagt Pichlmaier. Aber es hat geklappt: Deutschlandweit würden die neuen Sorten mittlerweile auf über 500 Hektar angebaut, 90 Prozent davon in der Hallertau. Hier im mit Abstand größten Hopfenanbaugebiet Deutschlands mache der Flavorhopfen gut drei Prozent der Anbaufläche aus - Tendenz steigend. "Wir gehen davon aus, dass der Bedarf in den nächsten Jahren weiter wächst", sagt Pichlmaier. Und das, obwohl die neuen Biertrends auf dem gesamten Biermarkt nur eine Randerscheinung sind. "Diese Spezialbiere machen weltweit zwar nur zwei Prozent des Bieres aus, für sie werden aber 20 Prozent unseres produzierten Hopfens verwendet", rechnet Pichlmaier vor. Der Trend gehe hin zu mehr Geschmacksvielfalt im Bier. Diese Einschätzung teilt auch Bierexperte Michael Zepf von der Doemens-Fachakademie für Brauwesen und Getränketechnik: "Der Verbraucher ist offener geworden für internationale Bierstile." Und die Hopfenszene zieht mit.

"Wenn die Sorten gut sind, setzen sie sich am Markt durch", prognostiziert Pflanzerpräsident Pichlmaier. Aber auch er weiß, dass sich auch Biergeschmäcker wieder ändern können: "Wir stellen uns darauf ein, dass die Marktzyklen kürzer sind als bei den traditionellen Sorten." Die neuen Hopfensorten versprechen also nicht nur höhere Preise, sondern bergen auch ein größeres Risiko. "Das ist ein Pokerspiel", sagt Zepf. "Vollen Ertrag hat der Hopfen erst nach etwa drei Jahren, der Markt ist aber sehr schnelllebig und der Mode unterworfen." Als Beispiel nennt er die Hopfensorte Polaris, deren fruchtig-minziges Bouquet an Gletschereisbonbons erinnert. Während die beliebte Sorte Mandarina Bavaria (wie der Name vermuten lässt, erinnert ihr Aroma an Mandarinen) inzwischen auf 250 Hektar angebaut wird, ist Polaris schon nach vier Jahren so gut wie verschwunden. "Das wäre eigentlich ein hochinteressanter Hopfen", sagt Hopfenpflanzer-Präsident Pichlmaier. "Er ist aber wegen seiner sehr hohen Alphasäurewerte im Brauprozess nur schwer einzusetzen."

Trotz alledem glaubt Hopfenpflanzer Stockmaier, dass die Flavor-Hopfen Zukunft haben. "Die Craft-Beer-Szene wird immer interessanter", berichtet der Burgstaller, der regelmäßig auch die jährliche Braukunst-Messe in München besucht, die als Bühne für Bierinnovationen beliebt ist. Die besonderen Biere kämen vor allem bei jungen Leuten sehr gut an. "Ich gehe davon aus, dass dieser Trend weitergeht." Aber das ist nur ein Teil des Geschäfts. Den Löwenanteil machen noch immer Magnum & Co. aus. "Für uns eingesessenen Hopfenpflanzer ist wichtig, dass auch die alten Sorten gefragt bleiben", sagt Stockmaier.

In dieser Frage sind die Experten zuversichtlich: "Unseren klassischen deutschen Aromasorten traue ich eine stabile, vielleicht sogar steigende Entwicklung zu", prognostiziert Zepf. "In Amerika zeichnet sich ab, dass klassische deutsche Bierstile in Mode kommen, für die die Brauer entsprechend auch deutsche Hopfensorten verwenden."

Diese Chance sieht auch Pichlmaier, der seines Zeichens auch Vorstandsvorsitzender der Hopfenverwertungsgesellschaft mit Sitz in Wolnzach ist: Nicht umsonst sei man bei der "Craft Brewers Conference" in den USA vertreten, die am kommenden Montag in Philadelphia beginnt. "Wir gehen davon aus, dass der Bedarf in den nächsten Jahren steigt", sagt er. Bei dem Gipfeltreffen der Spezialbierszene sollen den amerikanischen Brauern deshalb schon jetzt die traditionellen Hallertauer Hopfensorten schmackhaft gemacht werden.