Schrobenhausen
Was hat das Plastik im Wald zu suchen?

Um hungrige Rehe zu bremsen, müssen sich Förster etwas einfallen lassen

17.07.2017 | Stand 02.12.2020, 17:47 Uhr
Förster Guido Zitzelsberger, Leiter des Forstreviers Schrobenhausen, befestigt Wuchshülsen an jungen, frisch gepflanzten Kirschbäumen auf einer Fläche im Wald der Stadt, auf der Borkenkäfer Bäume geschädigt hatten. −Foto: Hahn

Schrobenhausen (SZ) Rehe haben frisches Grün zum Fressen gern. Deshalb müssen junge Baumsetzlinge geschützt werden. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten.

Landauf, landab kann man sie neuerdings sehen, an Waldrändern und in Waldlichtungen: Seltsame Plastikhülsen stehen dort in regelmäßigen Abständen, befestigt jeweils an einem Holzstab. Wer mag, darf ruhig einmal einen Blick hineinwerfen. Denn darin stecken kleine Bäumchen, junger Wald, der angepflanzt wurde, um für – ja, so heißt das: – Nachwuchs zu sorgen. Wo der alte Wald geerntet wurde oder wegen eines Schadereignisses wie Borkenkäferbefall oder Windwurf weichen musste, wächst so schneller junger Wald nach.

Daher werden diese Hüllen auch Wuchshüllen genannt. Sie erfüllen gleich mehrere Aufgaben: Sie schützen die jungen Bäume vor stark wachsendem Unkraut wie zum Beispiel der Brombeere, aber auch vor Wildverbiss. Daher ist wichtig, dass die Hülsen hoch genug sind, mindestens 1,20 Meter. Ab dieser Höhe kommt das heimische Rehwild in der Regel nicht mehr an die Knospen und Zweige der jungen Bäume. In dieser Funktion ersetzen die Hüllen sogar einen Wildschutzzaun, der normalerweise gebaut wird, um die Jungpflanzen vor dem Hunger des Rehwildes zu schützen. Zudem erzeugen die Hüllen eine Art Gewächshausklima auf kleinstem Raum und sorgen damit für ein besseres und rascheres Wachstum der kleinen Pflanzen.

Auf den ersten Blick also eine geniale Idee – eine Neuerung gar, die die vielen Zäune in unseren Wäldern künftig überflüssig machen könnte? „Bei Weitem nicht“, schränkt der Schrobenhausener Förster Guido Zitzelsberger vom zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Pfaffenhofen ein. Denn: „Zum einen fühlt sich nicht jede Baumart in so einer engen Röhre wohl. Nur die Bäumchen, die eher weniger oder kaum Äste im Jugendstadium haben, wie unsere heimischen Ahornarten – Bergahorn oder Spitzahorn –, oder eben auch die Wildkirsche profitieren von den Hüllen. Und auch Neulinge, wie die aus Nordamerika stammende Roteiche, entwickeln sich gut darin.“ Zudem sind die Hüllen mit zwei Euro und mehr pro Stück doch recht teuer. Ein Zaun wird also ab einer gewissen Anzahl benötigter Hüllen rentabler.

In den ersten Jahren müssen die Hüllen genauso kontrolliert, nötigenfalls wieder aufgerichtet oder neu befestigt werden – wie ein Zaun auch. Auch Unkraut, das in die Hülse hineinwächst, muss entfernt werden, da es sonst Schaden anrichtet. Für kleinere Flächen mit weiten Abständen und maximal 500 Jungpflanzen sind sie jedoch in vielen Fällen eine gute Alternative.

Für einheimische Nadelbaumarten hingegen sind die Hülsen eher ungeeignet. Die heimische Weißtanne oder einen weiteren Neuling aus Nordamerika, die Douglasie, schützt man eher mit sogenannten Freiwuchsgittern. Mit Ausnahme des Gewächshausklimas erfüllen diese den gleichen Zweck. Deshalb sollten auch diese Gitter mindestens 120 Zentimeter hoch sein und an stabilen Holzstäben befestigt werden.

„Für kleinere Flächen mit geringeren Pflanzenmengen haben wir mit diesen sogenannten Einzelschutzmaßnahmen ein gutes alternatives Instrument zum Wildzaun“, erklärt Förster Zitzelsberger, „werden die Flächen und Stückzahlen jedoch größer, wie beispielsweise bei Buche und Eiche, ist der Zaun weiterhin das Mittel der Wahl.“

Dieser Zaun sollte mindestens 150 Zentimeter hoch sein. Beim Bau des Zauns schlägt man das Drahtgeflecht an der Unterseite eine Handbreit nach außen um, Bodenunebenheiten werden so besser ausgeglichen: „Deshalb empfehlen wir Drahtgeflechtrollen mit 160 Zentimetern Höhe“, sagt Zitzelsberger. Der Abstand der Zaunpfosten sollte zwischen 3,5 und 4 Metern liegen, damit der Zaun an der Oberkante nicht zu sehr durchhängt. Neuerdings werden statt der früher üblichen Holzpfosten für den Kulturzaun Profilpfosten aus verzinktem Bandstahl verwendet. Neben der Vereinfachung beim Bau – der Zaun wird durch Einhängen an den Pfosten befestigt – liegt ein weiterer Vorteil auf der Hand: Wer häufiger einen Zaun für seinen Jungwald bauen muss, kann nicht nur das dauerhafte Zaungeflecht, sondern auch die Pfosten wiederverwenden. „Wie wir das einmal mit den Plastik-Wuchshüllen machen werden“, sinniert Zitzelsberger, „da müssen wir mal schauen“. Manche sollen angeblich verrotten. Ansonsten muss man die Wuchshüllen nach spätestens zehn Jahren wieder einsammeln.

Welche Alternative zum Schutz der Jungbäume ist für Waldbesitzer nun am besten? Das ist immer eine Einzelfallentscheidung. Das Amt in Pfaffenhofen erinnert in diesem Zusammenhang an die unverbindliche, kostenlose Beratung für Waldbesitzer im Amtsgebiet durch seine Betreuungsförster. Da der Freistaat Bayern unter bestimmten Umständen diese Einzelschutzmaßnahmen sogar finanziell fördert, ist es sehr zu empfehlen, die zuständigen Förster zurate zu ziehen. Welcher Förster für den jeweiligen Waldbesitzer zuständig ist, lässt sich leicht über die Internetseite des Amtes (aelf-ph.bayern.de) herausfinden. Dort den Reiter „Wald und Forstwirtschaft“ anklicken und man findet über den „Försterfinder“ schnell seinen Förster samt Kontaktdaten.

Der Autor ist Bereichsleiter Forsten am auch für den Landkreis Neuburg-Schrobenhausen zuständigen Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Pfaffenhofen.