Waidhofen
"Was ist mit Sankt Martin"

Waidhofen hat wieder keine Herberge für Flüchtlinge – und Erich Dier schimpft in Richtung Kirche

07.10.2015 | Stand 02.12.2020, 20:43 Uhr

Waidhofen (SZ) Ihren Beschluss aus der vorangegangenen Sitzung haben die Waidhofener Gemeinderäte am Dienstagabend mit 7:6 Stimmen gekippt. Vor drei Wochen hatten sie sich noch dafür ausgesprochen, die Schulturnhalle für die Unterbringung von Asylbewerbern zur Verfügung zu stellen. Jetzt haben sie dieses Angebot zurückgezogen.

 

Dass das Thema überhaupt ein zweites Mal auf die Tagesordnung kam, dafür hatte FW-Fraktionssprecher Erich Dier mit einem entsprechenden Antrag gesorgt (wir berichteten). „Für die Schulturnhalle zu stimmen war falsch“, erklärte er seine Entscheidung und begründete das folgendermaßen: Besonders empört habe ihn im Nachhinein, dass nur die CSU-Gemeinderäte einen Tag zuvor über das Sitzungsthema Schulturnhalle und darüber, dass der Landrat kommt, informiert worden waren. „Wir wurden schnell über den Tisch gezogen, ob absichtlich oder nicht, Lechner Sepp – ich weiß es nicht“, sagte Dier, woraufhin sich Bürgermeister Josef Lechner (CSU) auch prompt für die fehlende Information entschuldigte.

Doch nicht nur die Modalitäten rund um die Sitzung hatten Erich Dier offenbar dazu bewogen, die Entscheidung pro Turnhalle zu überdenken. Die Unterbringung von bis zu 75 Asylbewerbern berge ein massives Konfliktpotenzial, so Dier. Auch eine Betreuung fast ausschließlich durch Ehrenamtliche könne er sich nicht vorstellen. Viel mehr Sinn mache die Lösung, Flüchtlinge im Pfarrheim unterzubringen, wo das Landratsamt sogar mit der Aufnahme von lediglich 25 Asylbewerbern einverstanden wäre.

Allerdings zeigten Pfarrgemeinderat und Kirchenverwaltung nach Meinung des FW-Fraktionssprechers keinerlei Bereitschaft. „Echt der Gipfel“, so Dier, sei Folgendes gewesen: Als sich in einer nicht öffentlichen Vorbesprechung mit Mitgliedern des Gemeinderats und der Kirche ein CSU-Mitglied für die Unterbringung in der Turnhalle aussprach, hätten Kirchenvertreter geklatscht. „Ja, ist das ein Stil? Was ist mit Sankt Martin, was ist mit der Idee der Kirche“, echauffierte sich Dier.

Die Entscheidungen müsse man – wie beim Schulverband auch – den entsprechenden Gremien wie Kirchenverwaltung oder Schützenverein zugestehen, entgegnete ihm Martin Waldinger (CSU). Und Waldinger ärgerte noch etwas: „Dein Leserbrief hat dazu beigetragen, dass man die Leute in eine Ecke stellt. Das ist keine Art, wie man miteinander umgeht.“

Was die Situation in Waidhofen nicht einfacher macht: Einige Möglichkeiten der Unterbringung habe das Landratsamt abgelehnt, sagte Josef Lechner. Die Unterbringung in Containern für Spargelsaisonkräfte erscheine als nicht nachhaltig, die Nähe zum Wertstoffhof komme wegen der Immissionen nicht infrage. Gleich eine ganze Reihe an Gründen fährt das Landratsamt gegen Traglufthallen auf: Die seien weder sturm- noch schneelasttauglich und erforderten aus Gründen des Brandschutzes die Anwesenheit von zwei Feuerwehrleuten rund um die Uhr. „Ich gebe mich mit der Antwort vom Landratsamt nicht zufrieden“, schaltete sich Herbert Ehrmeier (FW) ein, bevor er die Argumente gegen Traglufthallen Punkt für Punkt zerpflückte. Auf Ehrmeiers Vorschlag, die Halle ohne Unterstützung des Landratsamtes anzuschaffen, entgegnete Lechner: „Dann gibt’s keine Förderung.“

Die Rede sei oft von materiellen Werten, sprach sich auch Gerhard Reeb (FW) gegen die Schulturnhallen-Lösung aus – „ist das nicht das kleinere Übel, als wenn Kinder und Asylbewerber zusammen wären“ Auch vom Schützenverein gab es eine Absage: Der habe sich mit Verweis auf die Jugendarbeit gegen die Unterbringung im Schützenheim ausgesprochen, berichtete Helmut Bichler (FW).

Otto Leidl (CSU) warf schließlich einen Blick in die Zukunft: „Anhand des Königsteiner Schlüssels werden Asylbewerber für immer in Waidhofen bleiben.“ Und weiter: „Wir können ein Grundstück suchen, ganz gleich an welchem Ort, es werden immer Widerstände von den Anliegern kommen.“ Wegen der womöglich bald einsetzenden Minustemperaturen stehe eine humanitäre Katastrophe bevor, rief Leidl seinen Kollegen ins Gewissen. „Wir haben eine Verantwortung gegenüber Menschen – auch wenn sie eine andere Hautfarbe und Sprache haben oder aus einem anderen Kulturkreis kommen.“