Schrobenhausen
Nebenberuf: Opfer

SZ TRIFFT Roman Heigl aus Halsbach, der für die Bundeswehr immer wieder unterschiedliche Verletzte spielt

29.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Foto: DK

Schrobenhausen (SZ) Er hat eine 14 Kilogramm schwere Splitterweste an, sein Kopf wird durch einen Stahlhelm geschützt. Es hat alles nichts genutzt, er wurde dennoch von Gewehrkugeln getroffen. Seine Bauchdecke ist aufgerissen, der Darm schaut heraus. Roman Heigl aus Halsbach erinnert sich noch genau an den Tag. "Ich habe geschrien, aber weil überall Rauch und Nebel war, sind die Helfer an mir vorbeigelaufen. Da habe ich gewusst, dass ich lauter schreien muss."

Eine leichte Aufgabe für den 48-Jährigen. Denn er ist nicht zum ersten Mal schwer verletzt - als sogenannter Rollenspieler. Im Dienste der Bundeswehr ist er jeden Monat durchschnittlich an zwei Tagen auf Übungsplätzen oder in der Sanitätsakademie der Bundeswehr in München unterwegs. Und überall gibt er das Opfer.

Lebensecht geschminkt mit den unterschiedlichsten Verletzungen, wie sie eben in den Krisenregionen der Welt bei Soldaten oder Zivilisten vorkommen können. Angehende Sanitäter und Ärzte im Militärdienst sollen lernen, was auf sie im harten Einsatz im Ausland zukommt. Auch andere Szenarien werden geprobt, wie sie bei Notarzteinsätzen im eigenen Land jederzeit vorkommen können.

Jeder Rollenspieler - alleine aus Schrobenhausen sind es laut Heigl rund 15 Personen, die regelmäßig in die Rolle von Verletzten schlüpfen - bekomme einen sogenannten Instruktor an die Seite gestellt. Der sage bei der Übung entweder dem medizinischen Personal, was mit dem Patienten los sei und vom Rollenspieler nicht dargestellt werden könne. Zum Beispiel stark abfallender Blutdruck oder ein erhöhter Zuckergehalt im Blut. Oder Asthma, erzählt Heigl: "Das kannst du nicht so oft hintereinander spielen, sonst kippst du wirklich um."

Der Instruktor gebe aber auch den Rollenspielern vor, wie sie sich ab Beginn der anberaumten Übung zu verhalten haben. Und manchmal, so Heigl, bekomme der Rollenspieler einen Knopf ins Ohr. Über den fast unsichtbaren Kopfhörer gebe der Übungsleiter auch mal während der laufenden Übung ganz neue Anweisungen an die Rollenspieler und sorge so für Überraschungen bei allen Beteiligten.

An den Job als Opfer ist Heigl durch einen Zufall gekommen, wie er sich noch erinnert. Vor einigen Jahren habe er Georg Schreckhaase aus Schrobenhausen getroffen. Der vermittelt zusammen mit der Time Veranstaltungsservice GmbH in Stuttgart Rollenspieler an die Bundeswehr. "Wegen Geld muss das keiner machen", sagt Schreckhaase. Die meisten Rollenspieler haben einen Pauschalvertrag auf 450-Euro-Basis. "Für die meisten ist das Abenteuerurlaub", so Schreckhaase weiter.

Aber für jeden sei der Abenteuerurlaub nicht gedacht, ergänzt Heigl aus seiner eigenen Erfahrung. Wer zwischen 18 und 65 Jahren alt sei und sich für das Rollenspiel interessiere, müsse sich bewusst sein, dass die angehenden Sanitäter und Ärzte beherzt zupackten. "Man wird medizinisch angefasst", sagt Heigl. Und natürlich werde auch schon mal die von der Bundeswehr gestellte Übungskleidung aufgeschnitten und ehe man sich versehe liege man bis auf die Unterwäsche entblößt da - egal ob Mann oder Frau, erzählt Heigl. Bei Unfällen würde das im richtigen Leben auch einfach so gemacht.

Damit hat Heigl inzwischen überhaupt kein Problem mehr. Auch die verschiedenen Rollen spiele er mit Leidenschaft, wie es eben gebraucht werde. Und natürlich hat er inzwischen auch seine Lieblingsrolle gefunden: "Ich bin immer der alkoholisierte Autofahrer, dem es den Arm weggerissen hat . . ."

Das lauter Schreien zahlt sich aus für Heigl. Die Helfer in Uniform entdecken ihn im Häuserkampfszenario mit Schlachtengetümmel inklusive Rauchschwaden und Garanteneinschlägen. Schnell raus aus dem Haus und schon schleifen sie ihn 300 Meter durch den Schotter des Übungsplatzes. Heigl: "Dabei hat es mir den Gürtel zerrissen und die Hosen heruntergezogen." Vor der ärztlichen Behandlung darf er sich die Hosen wieder hochziehen.