Schrobenhausen
Bewährungsstrafe für Messerstecher

Ingolstädter Jugendkammer sieht keinen versuchten Totschlag an einem 20-Jährigen

27.03.2015 | Stand 02.12.2020, 21:29 Uhr

Schrobenhausen / Ingolstadt (SZ) Die beiden Täter einer Messerstecherei in Schrobenhausen müssen nicht ins Gefängnis. Die Jugendkammer des Ingolstädter Landgerichts setzte für den Haupttäter die zweijährige Jugendstrafe zur Bewährung aus. Der jüngere Täter bekommt drei Wochen Jugendarrest.

Die Bluttat, die am späten Abend des 25. Juli vergangenen Jahres in der Michael-Thalhofer-Straße in Schrobenhausen geschah, fand am Freitagvormittag ein vorläufiges juristisches Ende vor dem Landgericht in Ingolstadt. Die Messerstiche, mit denen ein 16-Jähriger fast einen 20-jährigen Mann getötet hatte, seien kein versuchter Totschlag gewesen. Wie der Sprecher des Landgerichtes, Gerhard Reicherl, erklärte, seien die Stiche so massiv gewesen, dass „eine Tötung des Geschädigten zumindest billigend in Kauf genommen“ worden sei. Andererseits, so Reicherl weiter, habe der Gymnasiast aus einer Akademikerfamilie nicht erkannt, „wie schwer die Verletzungen“ des bewusstlos am Boden liegenden Opfers, das für fünf Minuten klinisch tot war und wiederbelebt werden musste, gewesen waren. Und weil der 16-Jährige von sich aus aufgehört habe, auf sein Opfer einzustechen, habe die Kammer einen „Rücktritt vom Tötungsversuch angenommen“.

Für die Jugendkammer habe es sich damit bei der Messerstecherei lediglich um gefährliche Körperverletzung gehandelt. Das ahndeten die Richter mit einer Jugendstrafe von zwei Jahren mit Bewährung. Während seiner Bewährungszeit muss der Jugendliche ein Anti-Gewalt-Training und eine ambulante Psychotherapie absolvieren. Damit folgte die Jugendkammer dem Antrag von Verteidiger Jörg Gragert. Staatsanwalt Alexander Reuther hatte dagegen in seinem Plädoyer fünf Jahre und zwei Monate wegen versuchten Totschlags gefordert.

Trotz der Schwere der Schuld hielt die Jugendkammer bei dem 16-Jährigen eine Bewährungsstrafe für angezeigt. „Bei Jugendlichen spiele, anders als bei Erwachsenen, die Schwere der Schuld nur eine untergeordnete Bedeutung“, so Reicherl. Entscheidend sei vielmehr der Erziehungsgedanke. Außerdem sei zu prüfen, ob eine Gefängnisstrafe aus erzieherischer Sicht geboten sei. Das sei beim Angeklagten nicht der Fall. Vielmehr bestehe nach Ansicht der Richter die Gefahr, dass der 16-Jährige wegen seiner Persönlichkeit im Strafvollzug untergehe.

Der jüngere der beiden angeklagten Brüder wurde wegen vorsätzlicher Körperverletzung und unterlassener Hilfeleistung zu drei Wochen Jugendarrest verurteilt. Zudem muss der 15-jährige Gymnasiast 100 Arbeitsstunden ableisten und an einem Anti-Gewalt-Training teilnehmen. Der Staatsanwalt hatte für ihn vier Wochen Jugendarrest wegen gefährlicher Körperverletzung gefordert, Verteidiger Stefan Roeder beantragte Arbeitsstunden für seinen Mandanten wegen versuchter Körperverletzung.

Das Urteil gegen die beiden Jugendlichen ist nach Worten von Reicherl noch nicht rechtskräftig. Unklar ist, ob die Staatsanwaltschaft eventuell in Berufung geht. Dazu war am Freitag keine Stellungnahme der Anklagebehörde mehr zu erhalten.

Sicher dagegen scheint zu sein, dass noch weitere juristische Auseinandersetzungen auf die beiden Jugendlichen und ihre Familie zukommen werden. Das Opfer der Messerattacke wurde – wie während des Strafprozesses auch bekannt wurde – derart schwer verletzt, dass es seiner Arbeit nicht mehr nachgehen könne. Noch heute leide der 20-Jährige, der vor einem Jahr zufällig mit seiner Freundin durch die Michael-Thalhofer-Straße ging an den Folgen des Verbrechens.