Schrobenhausen
Zeit ist das schönste Geschenk

Sechs junge Frauen und acht Seniorinnen starten gemeinsam in die Aktion "Herbstzeit schenken"

19.11.2014 | Stand 02.12.2020, 21:58 Uhr

 

Schrobenhausen (SZ) Sich Zeit nehmen und zuhören: Was unspektakulär klingt, ist für manche das schönste Geschenk, das man ihnen machen kann. Unter dem Motto „Herbstzeit schenken“ finden in Schrobenhausen darum fünf Aktionen statt, die Senioren aus ihrem oft einsamen Alltag holen.

Berührungsängste? Die gibt es hier definitiv nicht! Bereits kurz nachdem sich die Damen auf ihren Plätzen niedergelassen haben, steigt der Lärmpegel im Nebenraum des italienischen Restaurants in Mühlried deutlich. Ausgelassenes Lachen, neugierige Nachfragen und erstaunte Ausrufe – die Gesprächspaare aus junger Frau und Seniorin harmonieren prächtig. „Genauso habe ich mir das gewünscht“, sagt Monika Blazejewski und lässt ihren Blick mit einem Lächeln auf den Lippen über die bunte Truppe schweifen.

Es ist ein besonderer Abend: Bei Kerzenschein und „einem schönen Essen“, wie Blazejewski erklärt, findet an diesem Tag die erste Veranstaltung unter dem Motto „Herbstzeit schenken“ statt, einer Kooperation zwischen Audi und gemeinnützigen Vereinen aus der Region. Rund 180 Mitarbeiter des Ingolstädter Unternehmens engagieren sich ehrenamtlich für Aktionen wie die der Schrobenhausener Arge Silberne Raute, deren Vorsitzende Blazejewski ist. „Zeit zum Zuhören“ hat sie das Projekt genannt. „Die eine oder andere unserer Seniorinnen ist manchmal alleine und freut sich über Unterhaltung“, begründet die Vereinschefin.

Fast wie von selbst haben sich die acht älteren Damen und die sechs jungen Frauen auf das Du geeinigt. „Warst Du schon einmal in Italien“, fragt Christine Schuster ihre Partnerin, beide haben auf ihrem Namensschild die Nummer sechs stehen. So finden sich die Paare zusammen. Anita Frank überlegt kurz. „Ja, war ich“, erklärt sie dann und erzählt von den Urlauben ihrer Jugend. Die junge Frau mit den rotblonden Locken nickt immer wieder und hört gespannt zu. „Es ist ein toller Abend“, sagt sie. Auch Anita Frank ist begeistert. „Christine ist eine ganz Liebe, ich würde sie sofort adoptieren!“

Der Austausch steht im Mittelpunkt. „Hier können meine alten Schachteln einfach mal alles erzählen, was sie beschäftigt“, erklärt Blazejewski. Ihre alten Schachteln, so bezeichnet die Vereinsvorsitzende liebevoll die Damen-Senioren-Gruppe, die seit drei Jahren eines der vielen Puzzleteile der Silbernen Raute ist. Alle 14 Tage treffen sich die aktuell elf Teilnehmerinnen im Haus der Begegnung. Kaffee, Kuchen und Gespräche stehen dann auf dem Programm. Auf diese Treffen freuen sich die Frauen im Alter zwischen 66 und 90 Jahren laut der Vorsitzenden immer sehr. „Die Herbstaktion sehe ich als perfekte Ergänzung: Sie soll das Miteinander stärken und die Damen aus der Einsamkeit holen.“ Denn die meisten von ihnen seien verwitwet und lebten allein.

Hilde Richters Mann ist vor zwei Jahren gestorben. „Mit ihm wäre es natürlich schöner. Trotzdem geht es mir heute so gut wie noch nie in meinem Leben.“ Die rüstige 90-Jährige gestikuliert eifrig, als sie ihren Tischnachbarinnen vom Plätzchenbacken erzählt. Noch immer versorgt sie Kinder und Enkel zu Weihnachten mit diversem Backwerk. „Viele trauen sich heutzutage nicht mehr an einen Hefeteig, aber da ist doch nichts dabei!“ Christine Söhngen lauscht mit einem Grinsen. „Ich habe mit meiner Oma immer viel und gern gebacken“, sagt die groß gewachsene Blondine. Das sei auch der Grund, warum sie sich für Projekte im kleinen Kreis und mit älteren Menschen engagiert. „Das Zeit nehmen für andere finde ich sehr schön und es erinnert mich an meine Kindheit.“

Das Besondere liegt in der Einfachheit, davon ist Blazejewski überzeugt. „Für viele klingt es nicht sehr spannend, aber von einem persönlichen Gespräch im familiären Kreis kann man lange zehren.“ Darum gibt es für ältere Menschen unter dem Dach der Herbstzeit noch vier weitere Aktionen in und um Schrobenhausen, die über die Arge Silberne Raute initiiert worden sind. Dazu gehören das Zubereiten und Verzieren von Lebkuchen, ein generationsübergreifender Spieleabend, die Begegnung im Herbst und ein thematischer Gesprächsabend.

Das gesellige Abendessen stößt auf positive Resonanz, die Lust auf eine Wiederholung ist bei den Teilnehmerinnen groß. „Wenn es sich anbietet, werde ich gerne wieder etwas organisieren“, verspricht Blazejewski. Sie ist gerührt von der gelösten Stimmung. Länger als geplant bleiben die Frauen sitzen. „Ich glaube, wir gehen heute alle mit einem guten Gefühl nach Hause.“