Schrobenhausen
Warum viele Flüchtlinge neue Handys haben

Was es mit gängigen Vorurteilen gegenüber Asylbewerbern auf sich hat

28.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Schrobenhausen / Aichach (SZ) Nein, Vorurteile sind nicht immer verkehrt. Wer in den Urlaub fährt, muss manchmal feststellen, dass seine vorgefertigte Meinung über Land und Leute durchaus berechtigt war. Sich über eine Sache zu informieren, heißt nicht zwangsläufig, seine Voreingenommenheit abzulegen.

Wenn Vorurteile sich auf Menschen beziehen, ist es zumindest geboten, sie auf ihre Richtigkeit zu prüfen.

Im Fall der Flüchtlinge in Deutschland ist das freilich nicht immer einfach. Wer fragt schon bei einem Asylbewerber mit einem neuen Handy nach, wie und ob er sich den vermeintlichen Luxus überhaupt leisten kann? Wir sind einigen häufig formulierten Vorurteilen nachgegangen.

 

Vorurteil 1: Viele Flüchtlinge haben neue Smartphones (und sind darum wenig hilfsbedürftig).

Richtig ist: Für Flüchtlinge ist das Handy oder Smartphone oft der wichtigste Gegenstand, den sie besitzen. Das einzige Mittel, um mit der Familie zu Hause in Kontakt zu bleiben oder mit Familienangehörigen, die auf der Flucht an unterschiedlichen Orten gestrandet sind. Mit Hilfe eines Smartphones telefonieren sie günstig per Internet mit Skype oder Whatsapp. Da viele keine Papiere (Geburtsurkunden, Zeugnisse) auf ihre Flucht mitnehmen können, ist auf den Handys zudem häufig ihre Identität gespeichert.

 

Vorurteil 2: Asylbewerber tragen teure Markenkleidung.

Richtig ist: „Vieles von dem, was die Flüchtlinge tragen, stammt aus Kleiderspenden. Darunter sind dann auch immer wieder Marken-T-Shirts oder Hosen“, weiß Sieglinde Jacob. Sie ist Integrationsbeauftragte der Gemeinde Dasing und derzeit zuständig für 88 Asylbewerber.

 

Vorurteil 3: Viele Asylbewerber sind verschuldet, weil sie Waren im Internet bestellen, die sie dann nicht bezahlen können.

Richtig ist: Einige Flüchtlinge geraten tatsächlich in die Schuldenfalle. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen werden sie zu wenig auf die Verlockungen unserer Konsumwelt vorbereitet. Andererseits erhalten sie ihr Taschengeld nicht bar, sondern per Überweisung auf ein Guthabenkonto ausbezahlt, das bedeutet, dass auf diesem Konto keine Überziehungen möglich sind. Was zunächst vernünftig klingt, hat laut Elfriede Beck von der Verwaltungsgemeinschaft Dasing, Sachgebiet Kasse, in der Praxis aber einen entscheidenden Haken.

„Wenn auf dem Konto nicht mehr ausreichend Guthaben ist, können Handyabrechnungen oder Internet-Bestellungen nicht abgebucht werden.“ In der Folge entstehen so Mahngebühren, die sich immer weiter summieren. „Ein Einkauf im Supermarkt über sieben Euro mit der EC-Karte wird so schnell zu einer Rechnung über 40 Euro, die Kosten für die Anschriftenermittlung und Gebühren inklusive“, erklärt Beck. Erschwerend hinzu komme, dass viele Asylbewerber mit den Mahnbescheiden nichts anzufangen wüssten, und es dauere, bis sie sich jemandem anvertrauten. Elfriede Becks Urteil: Die Flüchtlinge sind mit dem Wust an Behörden- und Firmenpost überfordert, Landratsamt und Ehrenamtliche hängen mit der Hilfe oft hinterher, weil auch sie nicht mehr hinterher kommen.