Schrobenhausen
Tiefstes Mittelalter

Jahr für Jahr präsentiert sich beim Schrannenfest eine ganz andere Welt

24.06.2012 | Stand 03.12.2020, 1:21 Uhr

Das Zusammenspiel von Akrobatik und Lichtkunst faszinierte die Betrachter der Feuershow, die am Freitag und am Samstag gezeigt wurde.

Schrobenhausen (SZ) Faszinierend, bunt, laut, derbe, schmackhaft, magisch, opulent und gefährlich. Das Mittelalter präsentierte sich den Besuchern des Schrobenhausener Schrannenfestes in seiner ganzen Vielfalt.

Fast die komplette westliche Hälfte des Stadtwalls wurde in diesem Jahr von dem historischen Lager eingenommen, dazu kam der Platz vor dem Pflegschloß, auf dem sich Händler, Wirte, Musikanten, Gaukler, Heiler, Handwerker, Wahrsagerinnen und anderes mittelalterliches Fußvolk tummelten.

 

„Kein Oberhäuptling“

Der Kopf hinter diesem ganzen bunten Treiben gehört, auch wenn er es nicht gerne hört – „wir haben hier keinen Oberhäuptling, brauchen wir nicht“ – Oliver Kranz von der Interessengemeinschaft historischer Schwertkämpfe, der zusammen mit seinem mehrköpfigen Team mit großem Engagement den mittelalterlichen Teil des Schrannenfestes zu neuem Leben erweckt hat. Und weil das so ist, ist Oliver Kranz ein gefragter Mann und deswegen hat er „das da“ heute auch dabei. „Das da“ – damit meint er sein Handy, das er mit widerwilliger Miene und spitzen Fingern vor sich hält. Gerne würde er auf dieses neumodische Teil verzichten, ist er doch ansonsten komplett authentisch gekleidet. In ein handgefertigtes Gewand gehüllt, mit selbst geschmiedetem Messer an der Seite, dazu die Ledertasche, kunstvoll punziert und die Bronze-Schnallen, natürlich auch in Handarbeit gegossen. Das ist „das Faszinierende an unserem Tun. Eigentlich können wir alles, was wir brauchen mit unseren eigenen Händen herstellen“, erklärt der Schwertkämpfer und fügt schmunzelnd hinzu, dass „dies alles hier eben doch ein Bastelclub für Männer ist, ein Abenteuerspielplatz für große Jungs und Mädels.“

Bereitwillig geben die Mittelalterfans Einblick in ihr Lagerleben. Die Gelegenheit, einmal die Nase in eines der urigen Zelte zu strecken, lassen sich viele nicht nehmen. Begeistert werden die Einrichtungen in Augenschein genommen. Auch wenn so mancher beim Anblick der roh zusammen gezimmerten Betten mit Fell-Auflage glücklich an seine eigene Luxusmatratze daheim denkt – „mein Rücken, ich darf gar nicht daran denken“ – und sich auf eine reinigende Dusche freut. Obwohl auch beim historischen Lagerleben die Körperpflege nicht zu kurz kommt. Am Eingang zum historischen Teil des Schrannenfestes wartet ein großer Badezuber auf Gäste. Das Wasser ist „wohl temperiert“, wie eine badende Insassin bestätigt, die allzu neugierige Zaungäste auch mal mit einem wohlgezielten Strahl aus ihrer – zugegeben nicht authentischen – Gummiente vertreibt. Zwei tapfere Recken haben soeben den Badezuber verlassen und stapfen jetzt blitzsauber wie Gott sie schuf zu ihrem Lager zurück. Ein Tun, das von den weiblichen Festbesuchern mit begeistertem Quietschen begrüßt wird. Kaum haben sich die Reihen hinter den beiden sauberen Helden geschlossen, springen die Gäste mit einem erneuten Aufschrei wieder auseinander. Die Kerle, die jetzt kommen, scheinen alles andere als frisch gebadet. Die Mitglieder der mittelalterlichen Band Trollfaust schieben mit irrem Blick und finsterem Gehabe einen roh zusammen genagelten Wagen vorbei. „Irre Hund san des“, „wuide Deife“ – überall hört man durchaus anerkennendes Geraune. Und dann spielen sie auf, die finsteren Gesellen. Mit wilden Trommelschlägen, schnellen, stampfenden Rhythmen und jaulendem Dudelsack treiben sie viele der Zuschauer vor dem Pflegschloß innerhalb kürzester Zeit stehend auf die Bierbänke.

 

Dicht gedrängt

Fast zeitgleich findet nur ein paar hundert Meter weiter die Feuershow statt. Dicht gedrängt stehen die Zuschauer um den abgegrenzten viereckigen Platz herum, auf dem drei junge Feuerkünstler ihr Können zeigen. Die Flammen wirbeln um sie herum, brennende Reifen kreisen um den Körper und den Hals. Begeistert raunt das Publikum, wenn die drei immer waghalsigere Feuerstunts zeigen.

So lösten sich unzählige Attraktionen auf dem historischen Teil des Schrannenfestes ab. Spannende Schwertkämpfe, anmutige Kontaktjonglage, mitreißende Musikeinlagen, ein mittelalterliches Karussell – das alles ist nur ein kleiner Ausschnitt dessen, was Gaukler, Schausteller, Lagernde und Handwerker zu zeigen hatten. Und für Oliver Kranz, der noch viele Ideen und Pläne hat, ist es gerade einmal ein „Anfang, ein wirklich sehr guter Anfang, aber eben erst der Anfang.“