Schrobenhausen
Sommer hat den Kartoffeln zu schaffen gemacht

Südstärke erwartet eine kurze Kampagne – Geschäftsführer befürchtet Minusrekord

28.08.2015 | Stand 02.12.2020, 20:52 Uhr

Foto: Bernd Hofmann

Schrobenhausen (SZ) Auf dem Gelände der Schrobenhausener Südstärke herrscht jetzt wieder Hochbetrieb: Die Kampagne hat begonnen, die Landwirte liefern ihre Ernte an. Voraussichtlich 164 000 Tonnen Kartoffeln werden in den nächsten Monaten hier verarbeitet – das wäre ein Minusrekord.

Insgesamt kalkuliert man bei der Südstärke mit 245 000 Tonnen Kartoffeln, berichtet Geschäftsführer Josef Königbauer. Doch durch diese Rechnung hat die Witterung einen gewaltigen Strich gemacht. Denn längere Trockenheit mögen Kartoffeln gar nicht – das habe schon vor zwei Jahren, als mit 188 000 Tonnen die seit dem Zweiten Weltkrieg geringste Menge angeliefert worden war, den Landwirten Probleme gemacht, weiß Königbauer. Und heuer liegen die Prognosen noch einmal deutlich darunter, wegen der enormen Hitze. Bei über 30 Grad stelle die Pflanze ihr Wachstum ein, „in den Stärkekartoffeln kommt dann natürlich keine Stärke mehr hinzu“, sagt Königbauer. Hoffnung bestehe lediglich noch für die späten Sorten, und auch nur dann, wenn es gut regne und nicht zu kalt werde.

Was seit vergangenem Dienstag bei der Südstärke angeliefert wird, sind aber erst einmal die frühen Sorten. Nachdem die Landwirte mit ihren Gespannen das Pförtnerhäuschen passiert haben, steuern sie zuerst den Probestecher an. Dort werden von der Ladung auf den Traktoranhängern 20 Kilo entnommen und untersucht: Wie viel Schmutz klebt an den Kartoffeln – und wie hoch ist der Stärkegehalt? Wenigstens Letzterer gibt heuer Anlass zur Freude: Häufig liegt er über 20 Prozent – normal wären 18 oder 18,5 Prozent. Das gleicht die Verluste bei der Erntemenge zumindest ein klein wenig aus.

Königbauer geht über das Werksgelände. Auf rund 150 000 Quadratmetern am Königslachener Weg verteilen sich hier neben den weithin sichtbaren Silos – insgesamt könnten in Schrobenhausen gut 40 000 Tonnen Stärke gelagert werden, sagt er – zahlreiche weitere Gebäude, zwischen denen viele dünnere und dickere Rohrleitungen verlaufen. Der Firmenchef spricht mit einigen Landwirten, die gerade anliefern. Die Stimmung ist eher gedrückt – alle sprechen von herben Einbußen wegen des heißen, trockenen Sommers, lediglich ein junger Bauer aus Heinrichsheim meint, es sei nun doch gar nicht ganz so schlimm geworden wie befürchtet. Bei der Südstärke weiß man aus Proberodungen von Anfang August, mit welchem Erntevolumen man rechnen kann. Für die Landwirte geht es natürlich ums Geld – als Grundbetrag bekommen sie (inklusive Steuer) sieben Euro pro Doppelzentner, also 70 pro Tonne. Je nach Stärkegehalt wird darauf ein Auf- oder Abschlag eingerechnet, zudem werde am Ende der Kampagne eine Sonderzahlung nachgereicht, deren Höhe sich nach der Marktlage richte – erst damit, so Königbauer, rentiere sich das Geschäft für die Bauern.

In Schieflage gerät aber ein jeder, der seine Kartoffeln anliefert: Denn bei der Südstärke werden die Feldfrüchte nicht mühsam abgeladen, sondern schlichtweg die Traktoren samt Hängern auf eine schiefe Ebene gestellt und zur Seite gekippt, bis die letzte Knolle aufs Förderband gerutscht ist. Das geht schneller, was bei rund 100 Anlieferungen pro Tag ja nicht ohne Bedeutung ist. Von sechs Uhr früh bis sechs Uhr abends komme der Nachschub für die rund um die Uhr laufende Stärkeproduktion, lediglich von Samstagmittag bis Montagfrüh gibt es eine längere Pause, erklärt Königbauer. Damit auch in dieser Zeit die Kartoffeln nicht ausgehen, gibt es ein Lager, das Platz für 4800 Tonnen bietet. Auf Förderbändern kommen die bereits trocken gereinigten Kartoffeln hierhin („Die dunklen, das sind die Kartoffeln aus dem Moos“, zeigt Königbauer), werden dann mit Wasser besprüht und schließlich in riesige Waschmaschinen geleitet, wo sie mit Noppen und viel Wasser gründlich gesäubert werden. Königbauer erklärt: „Das Wasser läuft bei uns im Kreislauf“, und das ist auch wichtig, schließlich werde pro Kubikmeter Kartoffeln ein Kubikmeter Wasser zum Waschen benötigt.

Das war’s dann auch schon mit dem spektakulären Teil der Fabrik. Denn wie aus Kartoffeln Stärke wird, das ist hinter kompliziert aussehenden Anlagen und in dicken Trommeln verborgen, die in Hallen stehen, in denen tropische Temperaturen herrschen. In einer Art Zentrifuge wird die Stärke von Eiweiß (das geht in die Futtermittelindustrie), Fasern (die sogenannte Pülpe wird ebenfalls als Tierfutter verwendet, vor allem im Voralpenland) und Kartoffelfruchtwasser (das die Vertragslandwirte in eingedampfter Form als Dünger abnehmen können) getrennt. Am Ende des Prozesses sind jedenfalls riesige Walzen, an denen die weiße, noch feuchte Stärke klebt, die mit langen Klingen abgeschabt wird. Diese sogenannte native Kartoffelstärke kann für Lebensmittel verwendet werden, wobei die Kartoffelstärkepackerl, wie man sie aus dem Supermarkt kennt, mit rund 700 Tonnen einen fast schon verschwindend geringen Anteil an den rund 150 000 Tonnen Stärke ausmachen, die in einem durchschnittlichen Jahr in den beiden Werken in Schrobenhausen und Sünching aus insgesamt 600 000 Tonnen Kartoffeln erzeugt werden.

Immerhin 60 Prozent der Stärke werden für den Lebensmittelbereich verwendet, der Rest ist Industriestärke, vor allem für die Papierherstellung. Diese Stärke muss weiterverarbeitet – veredelt – werden. Das geschieht zum Beispiel in der Nassderivatenanlage, und die läuft nicht nur während der heuer voraussichtlich nur bis Anfang Dezember dauernden Kampagne, sondern das ganze Jahr über und auch dann noch, wenn die Landwirte schon wissen, ob die Stärkekartoffelernte 2016 besser ausfällt als die diesjährige.