Schrobenhausen
Viel mehr als Faschingsorden

Poellath arbeitet für namhafte Marken Geschäftsführer Thomas Demel will die Traditionsfirma weiter modernisieren

29.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:29 Uhr

Foto: Annika Schneider

Schrobenhausen (SZ) Die älteste Firma Schrobenhausens liegt nur wenige Meter von der Innenstadt entfernt. "Die machen halt Faschingsorden." - So bringen viele Schrobenhausener die Arbeit bei Poellath auf den Punkt. Dabei verdient das Unternehmen längst an ganz anderen Produkten.

Georg Josef Reisner, seit 45 Jahren in der Firma, muss schmunzeln, wenn er wieder etwas über Faschingsorden hört. Denn obwohl viele täglich am Firmengelände vorbeifahren: Was genau Poellath macht, wissen die meisten doch nicht so genau. Die Faschingsorden spielen in dem 1778 gegründeten Traditionsunternehmen auf jeden Fall eine untergeordnete Rolle: Sie machen nur wenige Prozent des Umsatzes aus.

Stattdessen geht es bei Poellath um Kennzeichnungen - die auch alle Faschingsabstinenzler interessieren dürften. Die Sterne an bayerischen Polizeimützen, die Leistungsabzeichen der Feuerwehren im Freistaat und die Mützensterne vieler Fluggesellschaften: All das entsteht in Schrobenhausen. Auch große Namen finden sich unter den jährlich rund 1000 Kunden - Lufthansa, Sennheiser, Bugatti, der FC Bayern. Kennzeichen der Firma prangen auf Möbeln und Mikrofonen, auf Luxusautos und Militäruniformen. Wer ein hochwertiges Produkt will, der braucht auch eine entsprechende Auszeichnung, ausgestanzt und geprägt aus Metall: Das ist die Grundidee dahinter.

Wer verstehen will, was Poellath macht, lässt sich am besten von einem Duo aus Geschäftsführung und Urgestein durch den Betrieb führen. Georg Josef Reisner, Leiter der Abteilung Design und Gravurtechnik, ist wie viele der rund 100 Mitarbeiter schon seit Jahrzehnten da. Thomas Demel wiederum ist erst vor drei Jahren als Geschäftsführer und Mitinhaber angetreten. Der Wirtschaftsingenieur wechselte von einem Autozulieferer nach Schrobenhausen und arbeitet seitdem an einer sanften Modernisierung des Unternehmens.

Unten in der Werkstatt ist es laut. Mit bis zu 1000 Tonnen Kraft prägen die Maschinen Metallteile. Im Nachbarraum wiederum steht ein hochmoderner Laser, der individuelle Seriennummern in Werkstücke eingraviert und sie gleichzeitig schneiden kann. "Sie werden kaum so viel Kompetenz unter einem Dach finden wie bei uns", sagt Geschäftsführer Demel. "Wir sind ein Sonderanfertiger."

Tatsächlich ist die Stärke von Poellath, dass vom Design über die technische Umsetzung bis zur Oberflächenbehandlung alle Arbeitsschritte in einem Unternehmen stattfinden. In den Büros entwerfen Grafiker die vom Kunden gewünschten Produkte. Aus diesen Vorgaben entstehen dann die Gravur- und Stanzwerkzeuge, mit denen die Stücke gefertigt werden. Anschließend wird die Oberfläche poliert, emailliert, lackiert oder in der Galvanik chemisch behandelt, zum Beispiel vergoldet oder versilbert. Manchmal werden die Produkte zum Schluss noch mit Befestigungen versehen, zum Beispiel bei Pins.

Nicht alle Arbeitsschritte erledigen Maschinen, jedes Stück wird mit der Hand nachbearbeitet. Dadurch ist die Flexibilität besonders groß. Von Auflagen mit zehn Stück bis hin zu Großaufträgen über Zehntausende Teile bedient Poellath Kundenwünsche.

Genau deswegen sieht Geschäftsführer Demel Billiglohnländer keinesfalls als gefährliche Konkurrenz. Bei preisorientierten Kunden würde Poellath durchaus anbieten, in Asien produzieren zu lassen, sagt er. Wer aber eine gute Qualität wolle, der bekomme die nur in Deutschland. Zu kompliziert sind die Verfahren, um hochwertig geprägte Stücke herzustellen. "Wir stehen auf soliden Beinen und entwickeln uns gut", zieht Demel dementsprechend eine positive Bilanz.

Zufrieden gibt er sich dennoch nicht. Sein Ziel ist es, auch in Zukunft weiter zu modernisieren. Einige Hürden hat das Unternehmen auf diesem Weg schon gemeistert. Seit März besitzt es die Zertifizierung nach ISO 9001, die der Firma ein gutes Qualitätsmanagement bescheinigt und die Kommunikation mit Industriekunden wesentlich erleichtert. Die Abluftanlage sei umwelttechnisch eine der besten in Europa, betont der Geschäftsführer außerdem. Im August wird zusätzlich eine neue Abwasseranlage fertig, die selbstständiger arbeitet als ihre Vorgängerin. Auch im Bereich Robotertechnik möchte Demel die Firma voranbringen, etwa beim Schweißen und Lackieren.

Die Tradition verliert er dabei nicht aus dem Blick. Ein Besuch im Stempellager zeigt, was die Firma in den vergangenen Jahrzehnten geleistet hat: Hier reihen sich die Werkzeuge der fertiggestellten Aufträge in hohen Regalen aneinander. Das Know-how, das sich die Firma dabei erarbeitet hat, ist ihr größtes Kapital. Das weiß auch Geschäftsführer Demel. Der 40-Jährige ist niemand, der vom Büro aus plant. Stattdessen ist er tagsüber vor allem in den Werkstätten unterwegs. Seine Angestellten schätzen das und loben das gute Betriebsklima, das unter dem gebürtigen Schrobenhausener herrscht. Dass dieses Kompliment auch von Reisner kommt, hat besonderen Wert. Der 60-Jährige hat in den vergangenen 45 Jahren immerhin 13 Geschäftsführer miterlebt.