Schrobenhausen
Schicksalsjahre einer Poetin

Schwere Kindheit, Krebs, Scheidung: Mila Klose musste vieles durchstehen, heute ist sie stärker denn je

05.01.2017 | Stand 02.12.2020, 18:50 Uhr

Tiefsinnig und berührend: Mila Klose veröffentlichte unter ihrem Mädchennamen Radmila Dobrac zwei Poesiebände in serbischer Sprache, die auch in der serbischen Nationalbibliothek und in der Bibliothek der größten orthodoxen Kirche des Balkans zu finden sind. - Foto: Staimer

Schrobenhausen (SZ) "Das Leben hat mir übel mitgespielt", erzählt Mila Klose. Nach etlichen Schicksalsschlägen und einer überstandenen Krebserkrankung fing sie vor acht Jahren an zu schreiben. Mittlerweile sind zwei ihrer Poesiebände in serbischer Sprache in ihrem Heimatland veröffentlicht worden.

Einige Exemplare dieser Bände werden in der serbischen Nationalbibliothek sowie in Belgrad in der Bibliothek der größten orthodoxen Kirche des Balkans verwahrt. Die Anerkennung ihres Schaffens und ihr literarischer Erfolg in ihrem Heimatland scheinen der 69-Jährigen Flügel zu verleihen. Mittlerweile hat sie bereits 30 Gedichte auf Deutsch geschrieben. Derzeit arbeitet sie an ihrem autobiografischen Roman über ihr bewegtes Leben.

"Poesie ist Liebe, Natur, alles, was uns umgibt", definiert die gebürtige Serbin, die viel mitgemacht hat in ihrem Leben. Ihre Kindheit hat sie, 1947 geboren, im Nachkriegsjugoslawien erlebt. Mit 21 Jahren sei sie dann als gelernte Schneiderin nach München gekommen zu einem der renommierten Herrenausstatter am Platz. "Mit null Deutsch", erinnert sich Klose. Auf einem Foto an der Wand ihrer Wohnung ist sie als junge Frau zu sehen. Ein zierliches Persönchen, das sich durchbiss, kämpfte. Mit 27 Jahren habe sie ihre Eltern bei einem Autounfall verloren, kurz darauf ihre Großmutter. Tiefe Trauer über den tragischen Verlust übermannte sie, sie wurde krank, magerte ab. "Ich habe all die Jahre existiert, aber nicht gelebt", sagt sie heute.

1982 lernte sie ihren Mann kennen. Damals 35-jährig setzte sie all ihre Hoffnung in diese Beziehung und verließ quasi Hals über Kopf München, um auf einen Bauernhof nach Waizenried zu ziehen. Zunächst ein Schock für die junge Frau, wie sie sich rückblickend erinnert. Aus der bayerischen Modemetropole in die raue Wirklichkeit auf dem Land. Tochter Patricia, ihr großes Glück, wurde geboren. Das Bauernhaus sei über die Jahre zu einem Schmuckstück geworden. Trotzdem sei ihre Ehe kein Ort für die Liebe gewesen. Ihr sei es zwar materiell gutgegangen, aber emotional war sie ausgehungert.

Vor neun Jahren ist dann Krebs bei ihr diagnostiziert worden. Die Lage - lebensbedrohlich. Zwei Operationen folgten. Eine Chemotherapie kam für Mila Klose nicht in Frage. Sie hat überlebt. In dieser Zeit begann sie mit dem Schreiben. "Zeit allein macht keine Veränderung. Wir müssen selber etwas dazu tun", so eine ihrer leidvollen Erfahrungen. 2010 konnte Mila Klose mit Unterstützung eines serbischen Literatenkreises unter ihrem Mädchennamen Radmila Dobrac ihr erstes Werk veröffentlichen.

Ihren Heimatort Kikinda habe sie 48 Jahre lang nicht mehr besucht. Diesem Sehnsuchtsort widmete sie ihr erstes Werk mit dem Titel "Sehnsucht nach dem Paradies meiner Jugend". Im Jahr 2015 folgte der Gedichtband "Ich liebe dich auf tausend Sprachen".

Die Liebe zum Leben, zu sich, den Menschen und zur Liebe habe es ihr besonders angetan. "Leiden, lieben, lachen, hoffen, verlieren und gewinnen", zählt Klose auf. All das umfasse ihre Poesie. In ein paar Gedichtzeilen stecke die Erfahrung, Weisheit und Reife eines ganzen Lebens. Einige Texte auf die Schnelle aus dem Serbischen übersetzt, berühren tief. "Alles dreht sich um die Seele. Mein ganzes Leben ist Seele", sagt Klose.

Mit 63 stand Mila Klose endgültig vor dem Scherbenhaufen ihrer Ehe. Die Scheidung folgte. "Ich hatte nichts mehr", sagt sie. Ihre Tochter, Freunde und Bekannte standen ihr in dieser schweren Zeit bei. Halfen ihr, eine kleine Wohnung in Schrobenhausen zu finden - zu ihrer großen Freude mit Gartenanteil.

Mila Klose lebt heute am Existenzminimum und steckt doch so voller Poesie, positiver Energie und Glück. "Vom Schreiben wird man nicht reich", sagt die Schriftstellerin. Doch kann sie nicht mehr davon ablassen. Schon in ihrer Schulzeit habe Literatur sie fasziniert. Sie habe auch später stets viel gelesen, sei vielseitig interessiert. Ihr Steckenpferd: Politik, Geschichte und ganz besonders die Philosophie.

Sie achtet trotz ihrer Lebensumstände auf ihr Äußeres. Mit ihrem Humor, ihrer Liebenswürdigkeit und ihrer positiven Lebenseinstellung zieht sie Menschen in ihren Bann. Jeden Tag begibt sich Mila Klose auf einen ihrer weitläufigen Spaziergänge. Auf dem Weg nimmt sie sich stets Zeit, um zu meditieren. Dort entstehen ihre Gedichte, werden neue Ideen geboren. "Poesie zu schreiben, das ist eine Gabe von oben", findet sie.

"Ich schaffe mir eine Vision, wenn ich ein Problem habe", beschreibt Klose. Diese Visionen strotzen manchmal vor Jux und dem Schalk im Nacken der zweifachen Oma. "Nächstes Jahr werde ich heiraten", ist beispielsweise eine davon. In ihrem Freundeskreis oder bei der sonntäglichen Damen-Rommé-Runde scherzt sie gerne darüber und sorgt so für so manchen stimmungserhellenden Lacher. "Die Menschen lieben mich", sagt Mila Klose versonnen. Warum das so sei, das wisse sie beim besten Willen nicht.

Der erste Schritt, ihre Bücher in Serbien zu veröffentlichen, Lektoren und Mentoren zu finden sei sehr einfach gewesen. Man hat ihr in ihrem Heimatland förmlich den roten Teppich ausgerollt. Auf der internationalen Buchmesse in Belgrad im Oktober bekam sie in der Halle ihres Verlages Miroslav einen eigenen Stand. Sie signierte ihre Bücher, sprach mit den Menschen, ihren Fans und Freunden. Regelrecht überwältigt gewesen sei sie, beschreibt Mila Klose ihre Eindrücke.

"Solange Serbien steht, bleiben deine Bücher dort", sagte Mila Klose zu sich. Es ist der 69-Jährigen wichtig, etwas von sich für die Nachwelt, ihre Enkel und Urenkel zu hinterlassen. "Meine Bücher erreichen in Serbien mehr Menschen als ich je gedacht hätte", sinniert Mila Klose erfüllt von großer Freude. Das wünsche sie sich auch für Deutschland, das für sie zur Heimat geworden ist. Momentan ist Mila Klose auf der Suche nach einem Übersetzer, der ihre beiden Erstlingswerke ins Deutsche überträgt. "Ein Buch in Deutschland zu veröffentlichen ist viel teurer als in Serbien", stellte die 69-Jährige fest. Vielleicht liegt die Lösung für dieses Problem in einer ihrer Visionen oder kommt doch auf wundersamen Wegen daher - wie so oft in ihrem Leben.