Schrobenhausen
Der Draußenmaler

SZ ZU BESUCH bei Künstler Max Biller, der seine ganz persönliche Arbeitsweise zelebriert

11.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:09 Uhr

Sonne und Wind, Regen oder Schnee: Was auf der Leinwand entsteht, dabei redet bei der Draußenmalerei die Natur immer auch ein gehöriges Wörtchen mit. Wie viele Bilder er in den vergangenen Jahren geschaffen hat, weiß Max Biller nicht. Es dürfte eine ganze Menge sein, denn der Künstler gesteht: "Bei der Aufbewahrung habe ich mittlerweile ein richtiges Hardwareproblem." - Foto: Markus Kirsch

Schrobenhausen (SZ) Seine Bilder heißen "Spargelschnee", "Mond im Jupiter", "Wind bei Pfaffenhofen" oder auch mal "Misthaufen". Die Vermutung, dass da einer am Werk ist, der am liebsten in der freien Natur malt, ist richtig. "Es ist viel schöner, draußen zu arbeiten", findet Max Biller.

Wer mit offenen Augen durch die Welt geht, hat ihn vielleicht schon mal gesehen. Irgendwo in der Natur, an seiner Holzstaffelei farbenprächtige, ausdrucksstarke Bilder kreierend. Warum er am liebsten draußen malt, versucht Max Biller so in Worte zu fassen: "Vielleicht ist es der direkte Kontakt, die Größe des Himmels, die Atmosphäre - und: Du bist ja eigentlich drin in der Farbe."

Die wärmenden Strahlen der Sonne, der kühle Luftzug, der Wind, der ihm um die Ohren pfeift - das alles will er erleben, fühlen, und so auf sein Gemälde bannen. Und wenn, so wie neulich, der Vollmond grade besonders schön ist, dann kommt es auch mal vor, dass er von halb zwei bis halb sechs Uhr malt. Morgens! Die Natur redet auf Billers Bildern immer ein gehöriges Wörtchen mit, wettertechnisch hat er seine Vorlieben: "Regen ist schlimmer, Schnee geht besser." Auch wenn es ihm mal in die Palette schneit, sich Kristalle auf der Leinwand bilden. "Die verschwinden im Warmen wieder", meint der Künstler lapidar. Doch er gibt auch zu: "Eigentlich bin ich ein Schönwettermaler."

Während sich andere im heimischen Kämmerlein komplett aufs eigene Schaffen konzentrieren, bedeutet draußen zu malen gern auch mal beäugt zu werden. "Es ist normal, dass die Leute neugierig sind", versichert Biller wie wenig es ihn nervt, wenn ihm jemand über die Schulter spitzelt. Groß mit den Leuten reden kann er dann allerdings nicht. "Weil ich mich konzentrieren muss." An eine Anekdote erinnert sich Max Biller trotzdem gern: "In München hat mir mal einer ein Markl hingelegt", erzählt er lachend.

Das Leben draußen - einen Stillstand gibts hier freilich nie. Sei es bezüglich der Optik - "wenn das Licht nicht mehr taugt, muss ich abziehen" -, oder bezüglich dessen, was der Mensch so alles anstellt. Dass ihm dann mal der Mais vor der Nase, oder vielmehr vor der Leinwand, weggemäht wird - mit derlei Vorkommnissen muss man als Draußenmaler nun mal leben. Doch das Ganze passiert ja auch andersrum, dass sich spontan eine neue - noch bessere - Situation ergibt. Und so ist jener Kanufahrer, der ihm auf der Donau frech ins Bild fuhr, heute eben auf selbigem verewigt. "Macht sich gar nicht schlecht", sagt Biller schmunzelnd. Dass er ein Gemälde zu Hause nacharbeitet, kommt übrigens so gut wie gar nicht vor. "Ich habe schon die Erfahrung gemacht, dass ich es kaputt gemalt habe."

Ziemlich gern, aber nicht ausschließlich, malt Max Biller in der heimischen Gegend. Hin und wieder ziehts ihn allerdings auch in die Ferne. Richtung Berge, zum Plansee. Schönheit nicht nur da zu suchen, wo sie jedem ins Auge springt, sondern auch an Orten, an denen sie nicht auf Anhieb erkennbar ist - auch das charakterisiert den Schrobenhausener Maler. Einem Misthaufen zu künstlerischen Ehren verhelfen? Warum denn eigentlich nicht? "Diese farbliche Harmonie . . .", erinnert sich Biller an den ersten Eindruck bei dessen Anblick. "Mir kommt es auf die Farbe an. Da ist es wurscht, ob das ein Misthaufen ist."

Zwar fertigt Biller auch Skizzen an - etwa vom Innenraum der Stadtpfarrkirche - als Vorbereitung seiner Bilder brauchts die allerdings nicht. Höchstens eine grobe Bildeinteilung nimmt er vor - die jedoch gleich mit dem Pinsel. "Je mehr man eingetragen hat ins Bild, desto mehr verlangt es dann sein Recht." Trotz allem gilt: Komplett abstrakt, das ist nicht Billers Welt. Dem, was er sieht, Rechenschaft geben, der Wiedererkennungseffekt des gemalten Objekts, das alles liegt ihm durchaus am Herzen. Nicht zu verwechseln mit dem Streben nach fotografischer Perfektion! Ein Objekt auch mal aus seinen Angeln hebeln, eine kleine Verzerrung hier, eine schiefe Linie da - "so etwas passiert einfach", sagt Biller. "Und wenns mich nicht stört, lass ich es stehen."

Wer Billers Bilder betrachtet, dem schwirrt vielleicht die Assoziation zu den Werken eines anderen Malers durch den Kopf. Einer, bei dem der Schrobenhausener Künstler regelrecht ins Schwärmen gerät. "Das ist doch der Wahnsinn, dieser heitere Wechsel von ockerfarben zum dunklen Grün. Was für eine Atmosphäre, welch tolle Lichtstimmung", frohlockt er förmlich mit Blick auf ein Gemälde Paul Cézannes. Anders Billers Urteil über einen Künstler mit ähnlicher Lebenszeit wie Cézanne: Franz von Lenbach. "Welch ein Gegensatz", findet Biller: Der eine, Lenbach, porträtiert mit Otto von Bismarck genau jenen, "der ja eine treibende Kraft war, dass damals der Krieg gegen Frankreich zustande kam." Jenem Krieg also, dem sich wiederum der andere, Cézanne, in ein kleines Fischerdorf an der Bucht von Marseille entzog. Zwar gebe es Bilder wie "Der Hirtenknabe", die ihm durchaus gefallen, und sei Lenbach ohne Zweifel ein begabter Maler gewesen - ein riesen Lenbachfan ist Biller trotzdem nicht. "Mich überzeugen seine Bilder oft nicht."

Und das hat rein gar nichts damit zu tun, dass er Lenbach als "typischen Drinnenmaler" bezeichnet. "Generell zu sagen, nur Draußenmalerei ist gut, und Drinnenmalerei schlecht", kommt ihm nicht in den Sinn. "Jeder muss einen Weg finden, sich selber zu finden - der eine drinnen, der andere draußen." Für Max Biller ist Draußenmalen irgendwo auch ein Korrespondieren mit der Welt. "Mich spricht auch so viel an", sagt er, "und ich bin in der glücklichen Lage, dass ich darauf eine Antwort geben kann."