Schrobenhausen
Einer, der sein Glück selbst in die Hand nimmt

SZ TRIFFT Heinz Reich, der nach 50 Jahren im Einzelhandel einen neuen Lebensabschnitt angeht

02.10.2017 | Stand 02.12.2020, 17:24 Uhr

Heinz Reich war rund 50 Jahre Einzelhändler in Schrobenhausen, jetzt ist er in Ruhestand gegangen. - Foto: Petry

Schrobenhausen (SZ) Er hat immer schon ein paar Dinge anders gemacht als andere, und vielleicht war das sein Erfolgsrezept: Heinz Reich. Jetzt, mit 66 Jahren, zieht er sich ins Privatleben zurück, nach genau 50 Jahren im Einzelhandel. Ob er das kann? Jedenfalls hat er dafür gesorgt, dass ihm nicht langweilig wird.

Langweilig war ihm garantiert nie. Heinz Reich ist einer, der immer selbstbestimmt sein wollte, der gar nicht erst auf die Idee kam, andere über sein Schicksal bestimmen zu lassen. Schon als Jugendlicher.

Durch den Jugendaustausch der Pfadfinder lernte er einen pfiffigen Franzosen kennen, der ihn einlud, doch mal zu ihm nach Toulouse in Südfrankreich zu kommen, gerne auch für ein paar Monate. So etwas zu tun, ist eigentlich keine Option für einen 15-jährigen Sohn einer Vertriebenenfamilie, die nach dem Krieg mit nichts nach Schrobenhausen gekommen war. Die Eltern hatten 1948 einen kleinen Schreibwarenladen eröffnet, mit dem sie über die Runden kamen, in der Zeil, wo sich heute das Reisebüro befindet. Die Eltern hatten es dem Sohn ermöglicht, aufs Gymnasium zu gehen, jetzt aber kam er und sagte: "Du Papa, wenn ich im Sommer nach Südfrankreich darf, steige ich ins Geschäft mit ein." Und er hat ja gesagt. So kam es, dass der junge Heinz Reich, die Mittlere Reife in der Tasche, einen Sommer in Toulouse verbrachte. Weitere sollten folgen.

Und dann legte er los. Nach der Ausbildung kam wieder ein Tag, an dem er zu seinem Vater ging: "Du Papa, wir müssen jetzt was machen, ich kauf dir den Laden ab." Und der Papa war einverstanden. Mit 19 war Heinz Reich Geschäftsführer, musste sich dafür erst mal bei Gericht als geschäftsfähig einstufen lassen, denn volljährig war man damals erst mit 21. Die Eltern waren natürlich weiter mit an Bord, und sie erlebten, wie die Firma wuchs. 1970 nahm Heinz Reich Büromaschinen dazu, 1974 zog er ins heutige Milano um.

Auch da machte er Dinge, die kaum ein örtlicher Einzelhändler tat. "In den 70er-Jahren haben wir schwarzen Noppenboden wie am Flughafen verbaut, gelb gestrichene Stahlregale eingebaut", erinnert er sich. Das war Großstadtflair. "So was gab es damals sonst in Schrobenhausen nicht." Mit anderen Worten: Er traute sich was. Sein Wissen stellte er später auch in den Dienst anderer, engagierte sich mehrere Jahre für die Werbegemeinschaft Schrobenhausen, trug zur Aufwertung des Standorts seinen Teil bei, manche zogen mit.

1993 fiel die nächste wegweisende Entscheidung: die Standorterweiterung in der Bahnhofstraße. Immer dabei Rosi Reich, die beiden kennen sich seit der Schulzeit, und auch da gab es kein Zaudern, kein Zögern: Sie heirateten mit 19.

Ein Berufsleben in einer spannenden Branche, die massiven Veränderungen unterworfen war. Der Siegeszug (und das Verschwinden) der Taschenrechner, der Faxgeräte, so vieles mehr. Heinz Reich ging immer wieder neue Wege. Einer davon: Er bot Geräte als Leihgabe an. Wie riskant das war, musste er erleben, als ein großer Kunde Insolvenz anmeldete. Und der hatte 300 Faxgeräte zum Preis von jeweils weit über 1000 Mark. Reich behielt die Nerven - das sollte sich auszahlen, mit der Nachfolgefirma bestehen bis heute gute Geschäftsbeziehungen.

Mut hatte er immer, aber basierend auf Fakten. "Ich habe immer sehr genau kalkuliert, mitgerechnet, um Risiken einschätzen zu können", sagt er. So traute er sich 1983, einen Mietvertrag für das Neugschwendner-Haus mit 20 Jahren Laufzeit abzuschließen. "Und am Ende waren es sogar 30 Jahre."

Heinz Reich hat sich den Markt immer sehr genau angesehen. Natürlich habe er auch daran gedacht, in größere Städte zu gehen oder ein Filialnetz aufzubauen - am Ende war er sicher, dass Schrobenhausen genau der richtige Standort war. Gute Filialen bedürfen hervorragender Mitarbeiter. "Die hatte ich in Schrobenhausen, aber woanders hätte ich sie erst mal finden müssen." Und die Standortentscheidung mit Sitz in Schrobenhausen und einer Filiale in Augsburg habe sich bewährt. So war es auch möglich, 2013 in der Regensburger Straße zu expandieren, dann schon in Absprache mit Sohn Michael, der 2004 ins Unternehmen eintrat und diesen September alleiniger Geschäftsführer wurde.

Was er jetzt macht, im Ruhestand? Da lacht Heinz Reich. "Ich habe eine wunderbare Frau und zwei erfolgreiche Jungs und drei liebe Enkel, ich spiele Tennis, mache Yoga, ich lese und fotografiere gern . . ." Und er ist Windsurfer, eine große Leidenschaft. Seit 35 Jahren hat er schon so manches Meer befahren; Wettbewerbe von Geschäftspartnern brachten ihn immer wieder in ferne Länder; er verband das eine mit dem anderen. Das beste Surfrevier? "Für mich das Rote Meer, da ist immer ein kräftiger Wind . . ."

Wenn er daheim ist, steht Heinz Reich gern in seiner Werkstatt, die er sich eingerichtet hat. Da kreiert er, was vermutlich auch nicht jeder weiß, Holzskulpturen, während das Bürocenter, sein Bürocenter, nun ohne ihn erfolgreich weiterläuft. Apropos: Bei der Namensfindung half die Schrobenhausener Zeitung mit. Ein Kollege, der schon in Rente ist, schrieb einst dieses Wort: Bürozentrum. "Ich hätte das ja selbst so nicht gesagt, weil das doch damals, in den 70er-Jahren, sehr groß klang." Aber wenn es schon mal in der Zeitung stand . . . So fackelte Heinz Reich einmal mehr nicht lange und gab den Schriftzug in Auftrag, Bürocenter Reich. Der Rest ist Geschichte.