Schrobenhausen
Frisches Bier nur mit Natureis

Das größte Problem beim Bierbrauen war die Haltbarkeit

27.05.2016 | Stand 02.12.2020, 19:45 Uhr

Viel Kraft war erforderlich bei der Eisernte, dem "Eineisen". Hier eine Mannschaft bei der winterlichen Arbeit in den 1950er-Jahren beim hinteren Scheller Weiher (heute: An der Weilach). - Foto: Archiv

Schrobenhausen (SZ) Bei Baumaßnahmen oder Planungen im Bereich Kellerberg zwischen Pfaffenhofener Straße und Gerolsbacher Straße treten in Schrobenhausen immer wieder alte Kelleranlagen in Erscheinung. Es gibt sie zum Beispiel unter der ehemaligen Gaststätte Lüften an der Gerolsbacher Straße, hinter dem Kolpinghaus und auch an anderen Orten. Nicht von ungefähr wird hier vom Kellerberg gesprochen. Diese Keller dienten zuletzt in erster Linie zum Konservieren der für die Bierherstellung und Kühlung des Bieres notwendigen Natureisvorräte über den Sommer.

Im Juli 1986 wurden beim Bau einer Gewerbe- und Wohnanlage mehrere vergessene Keller entdeckt, deren Entstehen damals vom Landesamt für Denkmalpflege auf vor etwa 100 Jahren datiert wurde, also rund um 1880. Sie wurden, soweit sie von der Baumaßnahme tangiert wurden, verfüllt. Der letzte Nutzer als Pächter dieser Anlage als Bierkeller dürfte der Stieglbräu gewesen sein.

Aber wie kam das Eis in diese Keller und wie wurde es genutzt? Alle Brauereien und manche Wirte hatten dazu eigene Eisweiher. Der frühere Scheller Weiher (heute Schulverkehrsgarten), aber auch die Gritschen-Weiher an der Augsburger Straße dienten dazu. Beim sogenannten Eineisen waren Bärenkräfte erforderlich. Gekühlte Luft, gleichmäßige Kälte, Eis in allen Formen und zu jeder Jahreszeit zählt heute zu den nicht mehr wegzudenkenden Alltäglichkeiten unseres Lebens. Kühlaggregate sorgen für tiefe Temperaturen. Das war vor einigen Jahrzehnten noch anders. Wer Eis brauchte, vor allem Brauereien und Wirtschaften, musste es sich schon von der Natur holen. Im Winter, bei klirrender Kälte, ging es zur Eisernte der Brauer, zum Eineisen.

Die letzten Eisernten bei klirrendem Frost waren so in den 1960er-Jahren. Damals ging eine jahrhundertealte Tradition zu Ende. Einst haben sich die Brauer und Wirte über arktische Temperaturen wirklich gefreut.

Klirrende Kälte hat das gewünschte glasklare Eis geliefert. Eis war als Kühlmittel unerlässlich für die Bierhersteller. Deswegen war die Eisernte eine wichtige Sache. Wenn der Winter sich endlich von seiner frostigen Seite zeigte, wurde laufend geprüft, ob die Eisdecke endlich die Dicke von gut zehn Zentimetern erreicht hatte. Erst dann konnte das Eineisen beginnen. Vorher war das Eis nicht tragfähig genug für die Arbeitsmannschaft.

Die Vorarbeit für das Eiseinbringen musste schon im Herbst geleistet werden. Das Wasser wurde von Algen und Gras befreit. Das Eis sollte ja nicht verschmutzt in die Eiskeller der Brauerei kommen. Deshalb hieß es, mit Flößen auf den Weiher zu gehen und die Wasserfläche sorgfältig zu säubern. Wenn dann die geforderten zehn Zentimeter Eis erreicht waren, trommelte der Braumeister seine Eismannschaft zusammen. Die Eisernte war eine willkommene Abwechslung für die Mannsbilder, obwohl dazu Kraft und Kondition eines Eisbären erforderlich waren. Es gab einen guten Taglohn und dazu wohl auch extra einige Bierzeichen.

Die Arbeit begann mit dem Eissägen. Dazu würde ein Loch in die Eisdecke geschlagen und mit einer gewöhnlichen Holzsäge lange Schnitte in die Eisfläche gemacht. Die riesigen Eisplatten wurden noch im Wasser zu handlichen Stücken zerschlagen. Sie wurden dann herausgezogen, auf Pferdefuhrwerke verladen und zu den Eiskellern der Brauerei gekarrt. Je nach Bauart der Keller wurde das Eis ebenerdig oder, wie meistens, über einen Aufzug in die Tiefe des Eiskellers gebracht. Die Aufzüge wurden über einen Göpel, eine mit Ochsen- oder Pferdekraft betriebene Anlage betrieben. Eine harte Arbeit, die die Taglöhner auch bei klirrender Kälte zum Schwitzen brachte.

Viele Fuhren waren nötig, um den nötigen Eisvorrat anzulegen, um das Bier das ganze Jahr über kühl zu lagern und vor allem auch die Bierproduktion sicherzustellen. Pferdefuhrwerke waren damals oftmals die einzigen Transportmittel. Wenn das Wetter passte, war das nötige Quantum für den Eisvorrat, der ja ein ganzes Jahr vorhalten musste, in zehn bis 14 Tagen eingebracht. Die kalte Ernte war nicht nur für die Brauereien wichtig, sondern auch für die angeschlossenen Wirtschaften, soweit sie nicht selbst einen Weiher hatten und sich mit Eis selbst eindeckten. Zum Bierkühlen gab es damals noch die Eisschränke und Eiskästen, die aus den Kellern der Brauerei regelmäßig mit Eis bestückt werden mussten.

Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille. Für die Brauer war ein weiterer Aspekt mindestens genauso, wenn nicht noch wichtiger: Die billige Naturkühlung diente auch der gleichmäßigen Temperatur in den Gärbottichen und war also notwendig zur Bierherstellung. Dazu wurden schwimmende Aluminiumtrichter mit Eis aufgefüllt. Sie mussten für die geforderten zehn Grad sorgen. Zur untergärigen Bierzubereitung (helles und Exportbier) werden Kulturhefen verwendet, die bei rund zehn Grad Celsius vergären. Da diese niedrigen Temperaturen jedoch früher nur in der kühleren Jahreszeit erreicht werden konnten, beschränkte man das Sudjahr auf die Zeit zwischen Michaeli (29. September) und Georgi (23. April) und untersagte die untergärige Bierproduktion in den Sommermonaten.

Diese Art der Bierproduktion kam erst im 15. Jahrhundert aus Böhmen nach Bayern. Der Siegeszug der hellen, untergärigen Biere nahm erst Ende des 19. Jahrhunderts in München seinen Anfang. Deshalb hat es ja in Bayern früher auch hauptsächlich nur dunkles, weil obergäriges Bier gegeben. Um 1870 wurden von Carl von Linde die ersten wirtschaftlich arbeitenden Kühlmaschinen entwickelt. Erst nach dem extrem milden Winter 1883/84 erzielte diese Technik einen Durchbruch. Kleinere Brauereien sind erst viel später auf die neuere Technik umgestiegen. Eis zum Kühlen des Lager-Biers war aber immer schon und auch noch lange Zeit darüber hinaus notwendig.